Weekly Briefing
Journal Club

Weekly Briefing

Aktuelles aus der Wissenschaft
Ausgabe
2024/1314
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2024.1372309972
Swiss Med Forum. 2024;24(13-14):176-177

Affiliations
Wissenschaftliche Redaktion Swiss Medical Forum

Publiziert am 27.03.2024

Diese Version vom 16.04.2024 wurde nach dem Erscheinen der gedruckten Fassung korrigiert. Im letzten Punkt des «CME» wurde der Satz «Diese Medikamente eignen sich nicht zur Therapie» korrigiert zu «Nur Atovaquon/Proguanil wird auch therapeutisch eingesetzt». Wir entschuldigen uns für den in der Printversion vorhandenen Druckfehler.

Real World zum Ersten

Zoster-Impfung: zweite Dosis!

Bei der Zoster-Impfung für Erwachsene hat der adjuvantierte Subunit-Impfstoff (Shingrix®) die attenuierte Lebendimpfung abgelöst. Shingrix® wird in zwei Dosen mit Mindestabstand von zwei Monaten verabreicht. Wie gut ist der Schutz, wenn die Daten der «real world» analysiert werden? Basierend auf 7,6 Millionen Personenjahren beträgt der Schutz im ersten Jahr nach der ersten Impfung 70%, mit einer raschen Abnahme im zweiten und dritten Jahr <50%. Nach der zweiten Impfung beträgt der Schutz 79% im ersten Jahr. Er fällt nur wenig ab in den Folgejahren und beträgt im vierten Jahr noch 73%. Die Einnahme von Kortikosteroiden reduzierte den Schutz um 12%. Fazit: Mit der zweiten Impfung wird ein jahrelanger Schutz gegen Herpes Zoster erreicht.
Ann Intern Med. 2024, doi.org/10.7326/M23-2023.
Verfasst am 20.2.24_MK

Warnung

Hypervirulente Klebsiella auch multiresistent

Hypervirulente Klebsiella pneumoniae (hvKP) verursachen nicht nur Pneumonien, sondern – auch bei Immungesunden – nekrotisierende Haut-, Weichteil- und Knocheninfektionen. Zudem streuen hvKP in Auge, Leber und Zentralnervensystem, wo Abszesse entstehen. Seit 2021 wurden 143 hvKP-Isolate in zehn Staaten in Europa identifiziert. Das «European Centre for Disease Prevention and Control» (ECDC) warnt, dass sich hvKP nicht nur vermehrt verbreiten, sondern neu auch Carbapenemase-Gene tragen. Die Kombination von Hypervirulenz und Multiresistenz hat zur Folge, dass zuvor gesunde Personen mit lebensbedrohenden hvKP-Infekten nicht mehr behandelt werden können. Falls sich diese hvKP auch im Spitalsetting verbreiten, muss eine hohe Morbidität und Letalität befürchtet werden.
ECDC. 2024, doi.org/10.2900/993023.
Verfasst am 20.2.24_MK

Real World zum Zweiten

Screening Lungenkarzinom: die Kehrseite

Die «low-dose» Computertomographie (CT) zum Screening von Lungenkarzinomen verhindert mit 320 Untersuchungen einen Todesfall. Eine retrospektive Studie von >9000 Screenings in der «real world» bestätigte die hohe Sensitivität (93%) des Screenings, zeigte aber den Preis dafür auf: Bei einem Drittel der getesteten Personen wurde in der Folge eine Zusatzuntersuchung (CT, Magnetresonanztomographie oder Positronen-Emissions-Tomographie) durchgeführt und bei einer von 35 Personen erfolgte ein invasiver Eingriff (Bronchoskopie, Biopsie, Pleurapunktion, Mediastinoskopie, Thorakoskopie oder Thorakotomie). Im Vergleich zu den bisher veröffentlichen Daten war die Rate leichter und schwerer Komplikationen der Folgeeingriffe rund doppelt so hoch.
Ann Intern Med. 2024, doi.org/10.7326/M23-0653.
Verfasst am 20.2.24_MK
CME

Malaria

  • Malaria ist eine durch die Stechmücke Anopheles übertragene parasitäre Infektion von Plasmodien, die in tropischen und subtropischen Regionen vorkommt. Pro Jahr kommt es zu circa 250 Millionen Infektionen und >0,6 Millionen Todesfällen.
  • Plasmodium (P.) falciparum und P.vivax sind am bedeutendsten. Die Erkrankung entsteht durch Invasion der Erythrozyten, die hämolysieren und die in den kleinen Gefässen sequestrieren und die Mikrozirkulation behindern.
  • 95% aller Malariafälle treten in Afrika mit P.falciparum auf. Weitere Malariagebiete sind Südamerika und Südostasien, wo P.falciparum und P.vivax co-endemisch sind.
  • Die Präsentation umfasst jegliche grippalen, respiratorischen und gastrointestinalen Symptome. Bei jedem Reiserückkehrer aus einem Endemiegebiet mit unspezifischen Beschwerden gehört Malaria zur Differentialdiagnose.
  • Hämolytische Anämie und Thrombopenie sind Leitbefunde im Blutbild. Bei schwerem Verlauf entwickelt sich ein Multiorganversagen.
  • Die Diagnose basiert auf dem Nachweis von intraerythrozytären Plasmodien. Die Quantifizierung der Parasitämie hat prognostische Bedeutung. Alternativ oder ergänzend werden Schnelltests verwendet, mit denen ein Antigen von P.falciparum nachgewiesen wird.
  • Die Therapie hat seit Einsatz von Artemisinin und dessen Derivaten, die kombiniert mit einem Zweitpräparat verabreicht werden, die Prognose der Erkrankung entscheidend verbessert. Für schwere Fälle ist intravenöses Artesunat geeignet. Leider trüben Resistenzentwicklungen gegen Artemisinin den Erfolg der Therapie.
  • Das Thema Malaria ist bei Reiseberatungen obligat. Zur Prophylaxe werden in der Schweiz Atovaquon/Proguanil, Mefloquin und Doxycyclin verwendet. Nur Atovaquon/Proguanil wird auch therapeutisch eingesetzt. Eine Impfung existiert bisher nicht.
Lancet. 2023, doi.org/10.1016/S0140-6736(23)01249-7.
Verfasst am 28.2.24_MK

Endocarditis marantica

Klinische Präsentation und Outcome

Gemäss autoptischen Studien finden sich nichtbakterielle thrombotische Klappenvegetationen (NBTE, «Endocarditis marantica») vorwiegend bei Krebskranken (80%) – umgekehrt weisen rund 5% der Patientinnen und Patienten mit einem fortgeschrittenen Malignom NTBE auf.
In einer retrospektiven Monozenterstudie aus der Mayo Clinic wurden über einen Zeitraum von 20 Jahren alle Patientinnen und Patienten mit aktivem Malignom und echokardiographisch festgestellten NBTE analysiert [1]. Explizit ausgeschlossen wurden Erkrankte mit infektiöser Endokarditis oder bei Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern. Identifiziert wurden insgesamt 115 Fälle (mittleres Alter 63 Jahre, 66% Frauen). Am häufigsten waren Mitral- (62%) und Aortenklappe (50%) befallen. In den meisten Fällen lag ein Lungenkarzinom (Adenokarzinom!) vor, gefolgt von Pankreastumoren, gynäkologischen, gastrointestinalen und hämatologischen Neoplasien. Bereits bei Diagnosestellung der NTBE waren embolische Komplikationen häufig: insbesondere zerebral (>80%), aber auch in Milz, Nieren, Koronarien und Extremitäten. Die Mehrheit der Erkrankten wurde antikoaguliert (104/115), vorwiegend mit niedermolekularem Heparin. Die Inzidenz von arteriellen und venösen Thromboembolien war im Verlauf deutlich erhöht, ebenso von grösseren Blutungsereignissen. 94/115 Patientinnen und Patienten verstarben.
Bisher beruhten die klinischen Erfahrungen zu NBTE auf Fallberichten und Einzelfallserien. Bei der aktuellen Studie aus der Mayo Clinic konnten mehr Fälle identifiziert werden als durch alle von 1990–2020 publizierten Fallberichte zusammen. Die Studie zeigt, dass bei krebsassoziierten NBTE mehr Frauen betroffen und vorwiegend die Klappen der linken Herzseite befallen sind. Klinisch manifestieren sich die NTBE vor allem als Stroke. Meistens liegt ein Adenokarzinom zugrunde (Lunge, Pankreas). Auch unter Antikoagulation besteht ein hohes Rezidivrisiko für Thromboembolien, gleichzeitig sind Blutungsereignisse häufig. Direktvergleiche fehlen, aber ältere Studien suggerieren, dass Vitamin-K-Antagonisten weniger wirksam sind als Heparin [2]. Die Mortalität ist vergleichbar mit Erkrankten, die sich mit paraneoplastischer venöser Thromboembolie präsentieren: sie ist hoch und wird durch die Grundkrankheit beeinflusst.
1 Am J Hematol. 2024, doi.org/10.1002/ajh.27239.
2 Am Heart J. 1987, doi.org/10.1016/0002-8703(87)90719-8.
Verfasst am 27.2.24_HU
Lungenentzündung
Der Nutzen des Pneumokokkenantigens im Urin ist bescheiden.
Case courtesy of Sajoscha A. Sorrentino, Radiopaedia.org, rID: 14979

Pneumokokkenantigen im Urin

Bei einer Pneumonie kann – je nach klinischer Situation – die gezielte Suche nach atypischen Erregern (Mykoplasmen, Legionellen), Viren (SARS-CoV-2, Influenza), opportunistischen Erregern (Pneumocystis jirovecii, Pilze) oder Problemkeimen (Pseudomonas, Mykobakterien) sinnvoll sein. Von untergeordneter Bedeutung – «things we do for no reason» (!) – ist hingegen der Urin-Antigentest für Streptococcus pneumoniae, dem häufigsten Pathogen bei einer bakteriellen Pneumonie. Dies aus folgenden Gründen:
1. Die Vortestwahrscheinlichkeit für ein positives Ergebnis ist tief, da die meisten Untersuchungen negativ ausfallen. Eine retrospektive Analyse von 2021 aus drei Spitälern zeigte: von 1428 Tests waren 1408 (98,6%) negativ.
2. Die empfohlenen empirischen Therapien sind gegen Pneumokokken wirksam. In den meisten Fällen beeinflusst ein positives Resultat die Antibiotikawahl nicht. In der erwähnten Analyse wurde das therapeutische Management in lediglich einem einzigen Fall (0,07%) nach Erhalt des Resultats angepasst.
3. Ein negatives Testresultat schliesst aufgrund der suboptimalen Sensitivität das Vorliegen einer Pneumokokkenpneumonie nicht aus.
4. Weder ein positives noch ein negatives Resultat schliesst das Vorliegen zusätzlicher Pathogene aus.
5. Ob und wie die Sensitivität durch die neuen Pneumokokkenimpfungen und/oder vorgängige Antibiotikatherapien beeinflusst wird, ist unklar.
Zudem: Bei einer sehr häufigen Diagnose (Pneumonie!) verursacht ein routinemässig eingesetzter diagnostischer Test schliesslich auch substantielle Kosten – im Falle des Urin-Antigentests mit überschaubarem Nutzen. Im klinischen Alltag ist initial ja oft unklar, ob eine Pneumonie oder eine alternative Diagnose (Herzinsuffizienz, Exazerbation einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung) vorliegt. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass der Urin-Antigentest bei einer relevanten Zahl von Patientinnen und Patienten zum Einsatz kommt, bei denen gar keine Pneumonie besteht …
Kurz: das Pneumokokkenantigen im Urin hat eine ungenügende diagnostische Wertigkeit und das Testresultat einen geringen Einfluss auf therapeutische Entscheidungen. Auf die Bestimmung kann verzichtet werden.
Open Forum Infect Dis. 2024, doi.org/10.1093/ofid/ofae089.
Verfasst am 27.2.24_HU