Herausforderungen beim Management von Skabies in Asylzentren und Praxis
Pruritus, beengte Verhältnisse und Stigma
Peer-review

Herausforderungen beim Management von Skabies in Asylzentren und Praxis

Übersichtsartikel
Ausgabe
2024/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2024.1397784404
Swiss Med Forum. 2024;24(12):162-166

Affiliations
a Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen
b Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen
c Kantonsarztamt St. Gallen, St. Gallen, d Trägerverein Integrationsprojekte St. Gallen, St. Gallen
e Staatssekretariat für Migration (SEM), Bern
f Bundesasylzentrum, Altstätten

Publiziert am 20.03.2024

Die Skabies ist durch die steigende Zahl Asylsuchender und deren oft ungünstige Lebensverhältnisse auch in Ländern mit hohem Einkommen zunehmend ein Thema. Ziel dieser Übersicht ist es, basierend auf unseren jüngeren Erfahrungen und der vorhandenen medizinischen Literatur das diagnostische und therapeutische Management von Skabies in der Praxis und das Vorgehen bei Häufungen in Asylzentren im Speziellen zu beleuchten.

Einleitung

Skabies – hervorgerufen durch die Milbe Sarcoptes scabiei – ist eine Hautparasitose, von der weltweit circa 200 Millionen Menschen betroffen sind und die mit hoher Morbidität und sozialer Stigmatisierung einhergeht [1]. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sowie in Regionen mit warmem und feuchtem Klima ist Skabies endemisch verbreitet und stellt dort ein bedeutendes Problem für die öffentliche Gesundheit dar [2]. Im Jahr 2017 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Skabies offiziell in die Liste der vernachlässigten Tropenkrankheiten aufgenommen, mit den Zielen, das Bewusstsein für diese Erkrankung zu steigern und Massnahmen auf nationaler und globaler Ebene zur Kontrolle dieser vermeidbaren Krankheit zu fördern [3].
In Ländern mit hohem Einkommen treten Skabies-Fälle nur sporadisch auf und betreffen hauptsächlich Menschen in Einrichtungen für Asylsuchende [4,5]. Die Zunahme der Anzahl Asylsuchender sowie die Überbelegung bestimmter Flüchtlingslager entlang der Fluchtwege, teilweise mit prekären hygienischen Bedingungen, begünstigen die Verbreitung von Skabies [6]. Aber auch abseits dieser Risikogruppe sollte Skabies als mögliche Ursache von Pruritus – etwa bei Ausbrüchen in Alters- und Pflegeheimen, Kinderkrippen oder Schulen – nicht vergessen werden.
Die folgenden Fallvignetten veranschaulichen verschiedene Situationen und deren Herausforderungen bei Skabies-Infestationen Asylsuchender.

Vignette 1: Therapieversagen

Ein 19-jähriger Asylsuchender aus dem Irak stellte sich in der dermatologischen Klinik aufgrund eines anhaltenden Pruritus vor. Vier Wochen zuvor hatte er zusammen mit einigen seiner Familienangehörigen bei Verdacht auf Skabies eine lokale und systemische Behandlung mit Permethrin-Creme und Ivermectin (0,2 mg/kg Körpergewicht per os) erhalten, die zweimal durchgeführt worden war (Tag 0 und Tag 8). Bei der erneuten Untersuchung wurden mithilfe eines Dermatoskops lebende Milben an den Händen nachgewiesen (Delta- und Contrail-Zeichen positiv [Abb. 1, Definition siehe Abschnitt «Diagnose»]).
Abbildung 1: Dermatoskopischer Befund mit Nachweis von Milben mit Delta-Zeichen und Contrail-Zeichen.
Der Patient, seine Mutter, seine Geschwister und enge Kontaktpersonen wurden erneut topisch und systemisch behandelt. Bei der Nachkontrolle vier Wochen später war der Patient fast beschwerdefrei und es wurden keine Milben mehr nachgewiesen.
Dieser Fall verdeutlicht, dass Reinfestationen von Skabies, insbesondere in überfüllten Institutionen wie Asylzentren, vorkommen können. Oft bleibt jedoch unklar, ob es sich um eine Reinfestation durch unbehandelte, enge Kontaktpersonen handelt oder ob eine anhaltende Episode aufgrund mangelnder Compliance vorliegt.

Vignette 2: Postskabiöse Hautveränderungen

Ein 18-jähriger Asylsuchender aus Afghanistan klagte seit einigen Wochen über starken Juckreiz und Hautausschläge. Obwohl er bereits mehrmals gemeinsam mit seinen engen Kontaktpersonen im Heim gegen Skabies behandelt worden war, persistierten die Beschwerden. Daraufhin überwies ihn der Hausarzt zur dermatologischen Abklärung bei Verdacht auf eine therapieresistente Skabies. Die dermatologische Untersuchung ergab jedoch keinen Nachweis einer aktiven Skabies-Infestation, es zeigte sich eine postskabiöse Dermatitis begleitet von einer Follikulitis (Abb. 2).
Abbildung 2: Klinisches Bild mit Follikulitis und post-skabiöser Dermatitis an Oberkörper, Hals und Gesicht in der Übersicht (A) und in Nahaufnahme (B). Ein schriftlicher Informed Consent zur Publikation liegt vor.
Nach Verschreibung einer topischen Steroidtherapie sowie einer symptomatischen Therapie mit Antihistaminika kam es zu einer deutlichen Rückbildung der Beschwerden.
Dies verdeutlicht, dass eine persistierende Symptomatik nicht immer auf eine neue oder persistierende Infektion zurückzuführen ist. Häufig handelt es sich um eine postskabiöse irritative Dermatitis, verursacht durch verbleibende immunogene Milbenpartikel und Exkremente, die selbst nach der Elimination von Sarcoptes scabiei bis zur vollständigen epithelialen Erneuerung der Haut nach etwa 4–6 Wochen in der Haut fortbestehen können [7, 8]. Wenn die Symptome trotz gesicherter Medikamenteneinnahme über den Zeitraum von sechs Wochen bestehen bleiben, empfiehlt sich eine dermatologische Abklärung hinsichtlich anderer pruritischer Dermatosen.

Vignette 3: Häufung von Skabies in Asylunterkünften

Die beiden geschilderten Fälle sind keinesfalls Einzelfälle. Im Februar 2023 wurde an verschiedenen Anlaufstellen (Kantonsarztamt, Kliniken Infektiologie und Dermatologie des Kantonsspitals St. Gallen) eine Häufung von Skabies-Fällen in verschiedenen Asylzentren im Kanton St. Gallen festgestellt.
Angesichts dieser Häufung wurde in enger Zusammenarbeit mit den Zentrumsverwaltungen und dem Kantonsarztamt des Kantons St. Gallen ein Ausbruchteam zusammengestellt, bestehend aus Vertretenden der Asylzentren, dem Kantonsarztamt des Kantons St. Gallen, dem Staatssekretariat für Migration (SEM) sowie der Infektiologie des Kantonsspitals St. Gallen, mit dem Ziel, (Neu-)Infektionen in allen Einrichtungen für Asylsuchende auf kantonaler und kommunaler Ebene zu reduzieren.
Zur Erfassung der aktuellen Lage wurde im März 2023 eine Umfrage bei der medizinischen Leitung im kantonalen Bundesasylzentrum sowie bei vier kommunalen Zentren durchgeführt und eine monatliche Surveillance aller neuen Skabies-Fälle etabliert. Die Anfang März 2023 erfassten Daten (Abb. 3) verdeutlichen, dass im Februar 2023 besonders in zwei kommunalen Zentren eine hohe Skabies-Punktprävalenz von 30,9% (26 von 84 Personen) und 31,8% (21 von 66) bestand. Im Gegensatz dazu war die Prävalenz in den übrigen drei Zentren deutlich niedriger, bei 2,9% (6 von 204), 5,4% (3 von 55) und 10,5% (6 von 57). In allen Zentren waren Minderjährige am stärksten betroffen, und die am häufigsten vertretene Patientenpopulation bestand aus Flüchtlingen aus Afghanistan, die die grösste Migrationsgruppe in allen Zentren ausmachten.
Abbildung 3: Grafische Darstellung der zeitlichen Entwicklung der neuen Skabies-Fälle in den betroffenen Asylzentren im Kanton St. Gallen. Der Beginn der Intervention ist durch einen Pfeil auf der Zeitachse markiert.
Die Resultate des Fragebogens zeigten eine grosse Heterogenität zwischen den Zentren in Bezug auf Diagnostik und Behandlung (Tab. 1).
Die Diagnose der Skabies war in drei von fünf Zentren von behandelnden Ärzten und Ärztinnen gestellt worden, in den übrigen zwei Zentren waren Pflegefachpersonen zuständig gewesen. In keinem der Zentren war eine routinemässige Untersuchung auf Skabies erfolgt. Die Behandlung war in drei von fünf Zentren als kombinierte Therapie (topisch und systemisch) erfolgt, während in zwei Zentren eine ausschliesslich systemische Therapie durchgeführt worden war. Keines der Zentren hatte eine systematische Behandlung der engen Kontaktpersonen durchgeführt. Die vorgesehenen Umgebungsmassnahmen (v.a. das Waschen von Bettwäsche und anderen Textilien der betroffenen Personen) waren sehr unterschiedlich (zum Teil täglich über 8–10 Tage) durchgeführt worden. Insbesondere bei gehäuften Fällen war die konsequente Umsetzung und Kontrolle dieser Massnahmen über einen so langen Zeitraum kaum zu bewältigen gewesen.
Basierend auf den Erkenntnissen aus unserer Umfrage konnten wir eine Reihe von Risikofaktoren für Übertragungen und Reinfektionen identifizieren, die als Grundlage für das Einleiten von Massnahmen dienten (Abb. 4).
Abbildung 4: Schematische Darstellung von Faktoren, die zu einer hohen Prävalenz von Skabies in Asylzentren führen.
Dieses Massnahmenbündel umfasste verschiedene Komponenten, darunter die Sensibilisierung der Bewohner und des Personals, auch mithilfe von mehrsprachigen Informationsmaterialien mit Bildern, ein einheitliches Therapiemanagement mit systemischer Therapie und Zusatzmassnahmen für Indexfälle sowie deren Kontaktpersonen sowie die rasche Überweisung aller komplizierten Fälle. Nach der Implementierung eines entsprechenden Massnahmenbündels konnte in der monatlichen Surveillance eine signifikante Verringerung von Erkrankungen mit Skabies in den Zentren mit hoher Prävalenz verzeichnet werden (Abb. 3).

Allgemeine Aspekte und Management

Übertragung

Die Übertragung von Skabies erfolgt durch direkten und prolongierten Hautkontakt, begünstigt durch enge räumliche Verhältnisse [9]. Ausserhalb des menschlichen Körpers können die Milben unter Temperaturbedingungen von 21 °C und 40–80% relativer Luftfeuchtigkeit für maximal 24–36 Stunden überleben. Höhere relative Luftfeuchtigkeitswerte und niedrigere Temperaturen begünstigten das Überleben, während höhere Temperaturen und niedrigere Luftfeuchtigkeit zum vorzeitigen Tod der Milben führen [10]. Die Fähigkeit, einen Wirt zu befallen, nimmt ab, je mehr Zeit ausserhalb des Wirts verstreicht [10]. Das Infestationsrisiko steigt mit der Anzahl der Milben auf der Hautoberfläche der Betroffenen und die Inkubationszeit beträgt bei einer Erstmanifestation 2–5 Wochen, bei einer Reinfestation jedoch nur 1–4 Tage [11].
Die Übertragung von Skabies-Milben über Textilien wie Kleidung und Bettwäsche ist theoretisch möglich, in der Praxis jedoch selten, es sei denn, es liegen hohe Milbenzahlen vor, wie bei Scabies crustosa [12]. Bereits in den 1940er-Jahren wurde durch experimentelle Versuche gezeigt, dass die epidemiologisch relevanteste Übertragungsweise der direkte körperliche Kontakt ist [13]. Dies ist auf das rasche Abnehmen der Infektiosität ausserhalb der Haut, die geringe Anzahl von Milben bei immunkompetenten Menschen und die langsame Fortbewegung der Milben zurückzuführen [14]. Personen, die sich bei einem Menschen mit gewöhnlicher Skabies anstecken, sind im Regelfall Mitglieder einer Familie oder Wohngemeinschaft, zum Beispiel Paare, enge Vertraute, Geschwister und Eltern mit Kleinkindern.

Pathophysiologie und Klinik

Die Skabies-Milben graben charakteristische Gänge in die oberste Hautschicht des Wirtes, hauptsächlich in Hautarealen mit dünnerer Hornschicht wie Interdigitalräumen, Handgelenken, Ellbogen, Axillen und Genitalbereich, in der sie ihre Eier ablegen. Diese Gänge sind als feine gerötete Linien oder Tunnel auf der Haut sichtbar. Der Pruritus zeigt Charakteristika sowohl von Typ-I- (unmittelbaren) als auch von Typ-IV- (verzögerten) Überempfindlichkeitsreaktionen [15] auf Bestandteile der Milben, vor allem deren Speichel. Der Juckreiz ist vor allem nachts und auch nach einer heissen Dusche besonders intensiv. Durch das Kratzen können Hautverletzungen entstehen, die zu sekundären bakteriellen Infektionen (insbesondere mit Streptokokken der Gruppe A oder Staphylococcus aureus) der Hautläsionen führen. Das Risiko für bakterielle Superinfektionen ist nicht nur wegen der Hautläsionen erhöht: Skabies-Milben produzieren zudem Enzyme, die das Immunsystem hemmen und die Abwehr gegen Bakterien schwächen [16, 17].
Selten kann es zu einer Hyperinfektion mit sehr hoher Milbenzahl kommen, die zu einer Scabies crustosa (ehemals Scabies norvegica) führt. Klinisch äussert sich die Scabies crustosa als hyperkeratotische Dermatose, die Handflächen und Fusssohlen betrifft und von tiefen Hautrissen begleitet wird. Scabies crustosa kann durchaus ganze Gliedmassen und selten auch den gesamten Körper betreffen [18]. Eosinophilie und ein erhöhter IgE-Titer sind häufig [19]. Risikofaktoren hierfür sind schwere Formen der Immunsuppression, vor allem T-Zell-Defekte (z.B. fortgeschrittene Infektionen mit dem Humanen Immundefizienz-Virus [HIV] [20–23] oder dem Humanen T-lymphotropen Virus 1 [HTLV-1] [18] und Status nach Organtransplantation [24]). Die Virulenz der Skabies-Milbe spielt keine bedeutende Rolle bei der Entwicklung von Scabies crustosa. Auch bei alten, immobilen Menschen kann sich verkrustete Skabies entwickeln, was als potentielles Übertragungsrisiko betrachtet werden sollte.

Diagnose

Obwohl die Diagnose der Skabies in der Regel klinisch gestellt wird, sollte insbesondere im Falle eines möglichen Therapieversagens oder, wenn die ursprüngliche Diagnose nicht sicher feststeht, eine präzise Untersuchung mit einem Dermatoskop erfolgen, mit dem die geschwungenen, schuppigen Gänge besser sichtbar gemacht werden [25]. Im Falle eines Ausbruchs wird dies mindestens bei einer Person empfohlen. Am Ende des Skabies-Gangs kann ein markantes dunkles Dreieck erkannt werden, das den vorderen Teil der Milbe (Kopf, Mund und Vorderbeine) repräsentiert. Dieses wird als «Delta»-Zeichen oder «Deltaflügel-Jet-mit-Contrail»-Zeichen bezeichnet, aufgrund der Ähnlichkeit mit der Form eines Deltaflügel-Jetflugzeugs [25]. Ein zusätzlicher «Burrow Ink Test» kann ebenfalls eingesetzt werden, um die Hautgänge schnell und kostengünstig zu visualisieren [26]. Gelegentlich können auch Eier und Skybala durch mikroskopische Untersuchung einer tangentialen Biopsie der oberen Epidermis erkannt werden (Mineralölfixierung). Bei korrekter Entnahme ist diese Biopsie schmerzlos und ohne Lokalanästhesie durchführbar. Wenn nur eine klinische Begutachtung erfolgt, sollten gegebenenfalls die entsprechenden Kriterien berücksichtigt werden [27].

Therapie

Unkomplizierte Skabies kann mit Permethrin (5% Creme topisch; skabizid und ovizid) oder Ivermectin (systemisch; nur skabizid) behandelt werden. Beide zeigen eine äquivalente Wirksamkeit bei optimaler Compliance. Die Standarddosis von Ivermectin beträgt 200 μg/kg Körpergewicht per os. Die Einnahme soll nüchtern erfolgen [28]. Da Ivermectin keine ovizide Wirkung aufweist, soll eine zweite Dosis nach sieben Tagen eingenommen werden, um sicherzustellen, dass in der Zwischenzeit frisch geschlüpfte Milben ebenfalls abgetötet werden.
In der Schweiz wurde Ivermectin im Mai 2023 in die Liste der Arzneimittel mit Tarif (ALT) aufgenommen. Damit sind Apotheken berechtigt, Ivermectin in Form von Kapseln und Suspensionen gemäss individuellen ärztlichen Verordnungen herzustellen und die Kosten über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) abzurechnen. Die Aufnahme in die ALT ist jedoch auf die Behandlung von Skabies beschränkt.
Ivermectin ist unter verschiedenen Handelsnamen erhältlich:
  • Subvectin® (3 mg), das seit dem 8. Mai 2023 zugelassen ist (Liste B und nicht kassenzulässig).
  • Stromectol® oder Scabioral®, die weder zugelassen noch kassenzulässig sind und von medizinischem Fachpersonal für spezifische Patientenimporte aus dem Ausland importiert werden müssen.
Die Therapie mit 5%iger Permethrin-Creme topisch muss am gesamten Körper appliziert werden (vom Kopf bis zu den Zehen), wobei Kontakt mit Schleimhäuten (Augen, Nase und Mundbereich) vermieden werden soll. Bei Personen über 60 oder unter 3 Jahren sollten insbesondere Nacken, Wangen, Ohren, behaarter Kopf und Kopfhaut bei der Behandlung nicht vergessen werden, da sie in diesen Altersgruppen häufige betroffen sind. Finger- und Zehennägel sollen vor dem Auftragen kurz geschnitten werden. Das Permethrin sollte über Nacht oder mindestens 8–12 Stunden auf der Haut verbleiben, bevor es abgewaschen wird. Falls die Hände während der achtstündigen Permethrin-Phase gewaschen werden (z.B. bei Toilettenbesuch/Abwasch), müssen die Hände erneut mit Permethrin 5% eingecremt werden. Viele Fälle von «resistenten» Skabies-Infektionen lassen sich wahrscheinlich auf eine fehlerhafte Anwendung der topischen Behandlung zurückführen [29], was durch eine Wiederholung der Behandlung nach sieben Tagen korrigiert werden kann [30]. Permethrin ist die bevorzugte Therapieoption bei schwangeren Frauen und – gewichtsadaptiert – bei Kindern unter 15 kg, da die Sicherheitsdaten für die Anwendung von Ivermectin in diesen Bevölkerungsgruppen begrenzt sind [31, 32]. Bei Schwangeren sollte jedoch beachtet werden, dass die Zeit der Applikation auf zwei Stunden begrenzt werden sollte [33].
In Einrichtungen wie Asylunterkünften empfiehlt sich eine zweimalige systemische Therapie, da eine topische Behandlung aufgrund von Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung und damit einhergehenden Compliance-Problemen häufig schwierig ist [29].
Für die Therapie der klassischen Skabies reicht eine sorgfältige topische oder systemische Monotherapie aus, während für die Behandlung der Scabies crustosa eine Kombination aus Permethrin und Ivermectin empfohlen wird, ebenso wie häufigere Gaben [8, 19, 34].

Umgebungsmassnahmen

Der Effekt der Umgebungsmassnahmen ist begrenzt, soll aber nicht vernachlässigt werden. Diese Massnahmen erfolgen immer parallel zur medikamentösen Therapie der betroffenen Personen und der engen Kontaktpersonen (Familienmitglieder und Personen mit engem Körperkontakt) und werden nach einer Woche zusammen mit der medikamentösen Therapie wiederholt. Kleidung und Bettwäsche, Handtücher, Bettplüschtiere und weitere Textilien, die in den letzten 2–3 Tagen vor Beginn der Therapie Kontakt mit den Betroffenen hatten, werden in der Waschmaschine bei mindestens 60 °C gewaschen. Alternativ können die Materialien (auch nicht waschbare Textilien) in einem luftdicht verschlossenen Plastikbeutel für mindestens 72 Stunden oder im Gefrierfach für mindestens 24 Stunden aufbewahrt werden. Matratzen und Sofas sollen (nur im Fall von Scabies crustosa) für mindestens 72 Stunden nicht benutzt werden, um ebenfalls dekontaminiert zu werden [7, 12].

Herausforderung beim Management in Asylzentren

Aufgrund unserer Erhebung und unserer Erfahrungen in den Asylzentren sind bei Häufungen in Asylzentren folgende Punkte entscheidend für die Reduktion von Erkrankungen und Übertragungen:

Erhöhung der Awareness

Die Steigerung des Bewusstseins für Skabies bei den Asylsuchenden und dem medizinischen Betreuungspersonal ist entscheidend. Aufklärung über Symptome, Übertragungswege und präventive Massnahmen kann involvierte Personen dazu befähigen, proaktive Schritte zu unternehmen und mögliche Hemmungen zur Mitteilung (z.B. bei Juckreiz im Genitalbereich) zu reduzieren. Entsprechend soll Informationsmaterial über Skabies personengerecht und in den notwendigen Sprachen (z.B. Farsi, Paschtu und Türkisch) zur Verfügung stehen (Beispiel unter https://kssg.guidelines.ch/guideline/4452 Guidelines.ch). Bei Bedarf sollen Schulungen für haus- und heimärztliches Personal und das Gesundheitspersonal der Institutionen für Asylsuchende durchgeführt werden.

Surveillance

Eine Surveillance der Skabies-Fälle in den Institutionen und übergeordnet auf kantonaler Ebene ermöglicht es, rasch adäquate Massnahmen zu ergreifen (Fallvignette 3; Abb. 3).

Frühe Diagnose und Behandlung

Da Skabies meist auf den langen Fluchtrouten akquiriert wird, sind eine rasche Diagnosestellung und Behandlung bei Ankunft der Asylsuchenden entscheidend, um die Ausbreitung von Skabies innerhalb der Institutionen zu verhindern. Insbesondere bei unbegleiteten Minderjährigen sowie Flüchtlingen aus Ländern mit bekannt hoher Skabies-Prävalenz sollte gezielt nach möglichen Symptomen gefragt und eine körperliche Untersuchung durchgeführt werden. Können die Asylsuchenden aus personellen Gründen nicht sofort untersucht werden, sollen sowohl die betroffenen Personen als auch die nachfolgende betreuende Stelle informiert werden und die Untersuchung baldmöglichst nachgeholt werden.

Einheitliche Richtlinien mit klaren Therapiekonzepten

Eine möglichst niederschwellige und evidenzbasierte, möglichst ressourcenschonende Behandlung der betroffenen Personen in allen Einrichtungen ist wichtig, um die längerfristige Umsetzung zu gewährleisten. Wir empfehlen daher eine Befähigung des Pflegepersonals zur eigenständigen Diagnostik und Therapieinitiierung, ohne Abhängigkeit von ärztlichen Visiten. Sowohl die Behandlung mittels systemischer Therapie, einschliesslich der von engen Kontaktpersonen – sprich all derer im gleichen Raum –, als auch die Umgebungsmassnahmen sollen vereinfacht und vereinheitlicht werden. Anstelle von täglichem Waschen von Textilien und Bettwäsche für 7–10 Tage nach jeder Therapie, kann dies auf einmalige Massnahmen nach jeder Therapie beschränkt werden.

Überweisung aller komplizierten oder unklaren Fälle

Komplizierte, unklare oder schwierig behandelbare Fälle sollen schnellstmöglich an eine dermatologische oder infektiologische Sprechstunde überwiesen werden, um eine angemessene Therapie zeitnah einzuleiten.

Vorgehen bei Ausbrüchen

Im Falle eines starken Anstiegs der Fälle (ab einem Drittel erkrankter Personen unter allen Bewohnerinnen und Bewohnern) soll eine universelle Behandlung aller Asylsuchenden der Institution evaluiert werden. Eine Behandlung von asymptomatischen Mitarbeitenden ist nicht notwendig. Dieses Vorgehensmuster stützt sich auf Daten aus populationsbasierten Studien sowohl in endemischen als auch in nicht endemischen Regionen einschliesslich Asyleinrichtungen in den Niederlanden [35].

Ausblick

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei der Bekämpfung der Skabies als übertragbarer Krankheit in Einrichtungen wie Asylzentren als multifaktoriell betrachtet werden kann. Eine zentrale Komponente hierbei ist die unverzichtbare Rolle einer orchestrierten Zusammenarbeit aller involvierten Personen aus den Institutionen und Gesundheitsbehörden sowie Fachexpertinnen und -experten, insbesondere während Ausbruchsituationen. Diese Kooperation ermöglicht die Umsetzung effektiver Kontrollmassnahmen zum Schutz der Gesundheit der vulnerablen Menschen in diesen Einrichtungen.

Das Wichtigste für die Praxis

  • Skabies ist die häufigste infektiöse dermatologische Erkrankung in der Flüchtlingspopulation in Europa [6] und führt zu einem hohen Leidensdruck für die Betroffenen (Pruritus, Risiko von Superinfektionen, Stigmatisierung).
  • Aufgrund der aktuell hohen Migrationsrate muss mit einer steigenden Anzahl von Skabies-Fällen gerechnet werden.
  • Gemeinsame Anstrengungen und standardisierte präventive und therapeutische Massnahmen, inklusive Schulungen von Mitarbeitenden und Sensibilisierung der Betroffenen, können helfen, die Skabies-Prävalenz in betroffenen Personengruppen und Asylzentren wirksam zu reduzieren und damit Übertragungen zu verhindern. Wir empfehlen eine niederschwellige Therapieinitiierung bereits bei klinischem Verdacht sowie eine empirische Behandlung mit Ivermectin, das sich aufgrund der einfachen oralen Gabe anbietet.
Dr. med. Marco Seneghini Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen
Dr. med. Domenica Flury
Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene
Departement Innere Medizin
Kantonsspital St. Gallen
CH-9007 St. Gallen
Domenica.flury[a]kssg.ch
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Ethics Statement
Schriftliche Informed Consents zur Publikation liegen vor.
Conflict of Interest Statement
SH gibt an, vom Trägerverein Integrationsprojekte St. Gallen (TISG) Arbeitszeit als Fachleitung Gesundheitsdienste zum Erstellen des vorliegenden Manuskriptes erhalten zu haben. Die anderen Autorinnen und Autoren haben deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
Author Contributions
Konzept, Methodologie und Schreiben: MS, DF und MS, Überprüfen: alle. Alle Autorinnen und Autoren haben das eingereichte Manuskript gelesen und sind für alle Aspekte des Werkes mitverantwortlich.