Kardioneuroablation: Chance bei Synkopen?
Schlaglicht: Kardiologie

Kardioneuroablation: Chance bei Synkopen?

Medizinisches Schlaglicht
Ausgabe
2024/1314
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2024.1397762374
Swiss Med Forum. 2024;24(13-14):178-179

Affiliations
Cardiopuls Medical Center, Luzern

Publiziert am 27.03.2024

Vasovagale Synkopen sind häufig und können die Lebenqualität deutlich beeinträchtigen. Als Therapie stehen Lifestyle- und pharmakologische Massnahmen, physikalische Manöver sowie die Schrittmachertherapie zur Verfügung. Welche Rolle kommt der vielversprechenden Kardioneuroablation zu?

Hintergrund

Die vasovagale Synkope stellt die häufigste Form der reflexbedingten Synkope dar. Obwohl vasovagale Synkopen im Allgemeinen als benigne gelten, können sie bei einigen Patientinnen und Patienten dennoch zu Verletzungen führen oder durch ihre Häufigkeit die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Bei der vasovagalen Synkope kommt es zu einer Überaktivierung des parasympathischen Nervensystems.
Im Prinzip unterscheiden wir drei Formen:
  1. Bei der vasodepressorischen Form kommt es zu einer übermässigen Vasodilatation und einem daraus resultierenden Blutdruckabfall.
  2. Bei der kardioinhibitorischen Form führt der übermässige Vagusnervtonus zu einer erhöhten Freisetzung von Acetylcholin und konsekutiv kann es zur Bradykardie bis zur Asystolie kommen.
  3. Bei der gemischten Form treten sowohl vasodepressorische als auch kardioinhibitorische Mechanismen auf.
Aufklärung und Lebensstilmassnahmen stellen aktuell die Basistherapie dar und sind auch Klasse-I-Empfehlungen in den aktuellen Guidelines der «European Society of Cardiology» (ESC) [1]. Hingegen sind die übrigen in den Leitlinien erwähnten Therapien Klasse-IIa- oder -IIb-Empfehlungen, so das physikalische Gegendruckmanöver (IIa), das Tilt-Training (IIb) und bei orthostatischer Form der vasovagalen Synkope die Fludrokortisontherapie (bei jungen Patientinnen und Patienten) oder die Gabe von Midodrin (beide IIb) [1]. Gemäss den aktuellen ESC-Guidelines wird bei Patientinnen und Patienten über 40 Jahren mit häufigen rezidivierenden Synkopen und dokumentierter Asystolie eine Schrittmachertherapie empfohlen (IIa) [1]. Bei unter 40-Jährigen gibt es jedoch keine eindeutigen Belege für den Nutzen einer Herzschrittmachertherapie. Die Kardioneuroablation hat sich als vielversprechende Behandlungsstrategie für Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Vagustonus mit vasovagalen Synkopen, funktionellem atrioventrikulärem (AV-)Block und Sinusknotendysfunktion etabliert. Obwohl diese Therapie hauptsächlich in nicht randomisierten Studien untersucht wurde, scheint sie eine vielversprechende Option bei diesen Zuständen (die kardioinhibitorische und gemischte Form) zu sein [2].

Grundlagen für Kardioneuroablation

Das menschliche kardiovaskuläre autonome Nervensystem besteht aus einem komplexen Netzwerk von Nerven und Neuronen, die im Ganglienplexus zusammenkommen, der in Fettgewebspolstern auf der äusseren Oberfläche des Herzens eingebettet ist. Die präganglionären parasympathischen Axone des Vagusnervs haben Synapsen mit den postganglionären parasympathischen Neuronen im Ganglienplexus. Diese Ganglien spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulation der autonomen Innervation des Sinus- und des AV-Knotens.
Die Kardioneuroablation ist ein invasiver Eingriff, der bei wiederkehrenden oder schweren vasovagalen Synkopen angewendet werden kann, insbesondere bei der kardioinhibitorischen Form (Abb. 1).
Abbildung 1: Elektrokardiogramm einer jungen Patientin mit rezidivierenden Synkopen und funktionellem atrioventrikulärem Block.
Die Ablation zielt darauf ab, die übermässige Aktivität des Vagusnervs zu reduzieren und somit die Anzahl und Schwere der Synkopenepisoden zu verringern.
Das Rationale für die Kardioneuroablation beruht auf der Annahme, dass die übermässige Aktivität des Vagusnervs eine wesentliche Rolle bei der Pathophysiologie der vasovagalen Synkope spielt. Durch die gezielte Unterbrechung der Nervenfasern, die den Vagusnerven mit dem Herzen verbinden, wird versucht, die übermässige vagale Stimulation zu reduzieren.
Die autonomen Ganglienplexus, die Ziel der Ablation sind, werden folgendermassen klassifiziert (Abb. 2) [3]:
  1. superiorer rechter Vorhof-Ganglienplexus (der untere Teil der Vena-cava-aortalen Ganglien):
  2. superiorer linker Vorhof-Ganglienplexus;
  3. posteriorer rechter Vorhof-Ganglienplexus;
  4. posteromedialer linker Vorhof-Ganglienplexus;
  5. interatrialer septaler Ganglienplexus;
  6. posterolateraler linker Vorhof-Ganglienplexus.
Abbildung 2: Schematische Ansicht der Ganglienplexus (superiorer rechter Vorhof-GP und posteromedialer linker Vorhof-GP nicht dargestellt). A) Sicht von hinten auf den linken Vorhof und den rechten Vorhof. B) Sicht auf den rechten Vorhof und den linken Vorhof von anterior. Die rosaroten Punkte entsprechen Ablationspunkten der abladierten Ganglien.
GP: Ganglienplexus; LA: linker Vorhof; RA: rechter Vorhof; LUPV: linke obere Lungenvene; LIPV: linke untere Lungenvene; RSPV: rechte obere Lungenvene; RIPV: rechte untere Lungenvene; TA: Trikuspidalannulus; RAA: rechtes Vorhofohr; SVC: superiore Vena cava.
* superiorer linker Vorhof-GP
** posterolateraler linker Vorhof-GP
*** interatrialer septaler GP
**** posteriorer rechter Vorhof-GP

Studienlage

In bisher publizierten Open-Label-Kohortenstudien blieben Patientinnen und Patienten mit vasovagaler Synkope nach einer Kardioneuroablation in über 90% der Fälle frei von Rezidiven. Die erste randomisierte, kontrollierte Studie schloss 48 Personen mit kardioinhibitorischer oder gemischter vasovagaler Synkope zu Kardioneuroablation oder optimaler nicht pharmakologischer Therapie ein [4]. Ablationsendpunkte waren eine Sinusfrequenzbeschleunigung ≥25% und die Beseitigung von fragmentierten intrakardialen Elektrogrammen in den abladierten Bereichen. Nach einer 2-jährigen Nachbeobachtung war das Wiederauftreten von Synkopen im Kardioneuroablation-Arm signifikant geringer (8% vs. 54%, p = 0,0004). Es wurden keine Komplikationen im Zusammenhang mit der Kardioneuroablation berichtet. Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse umfasste 465 Patientinnen und Patienten (Durchschnittsalter 39,8 ± 4 Jahre) mit vasovagaler Synkope aus 14 Studien [5]. Bei 92% von ihnen wurde Freiheit von Synkopen berichtet. Die gezielte Ablation nur im rechten Vorhof zeigte jedoch im Vergleich zur alleinigen linksatrialen oder biatrialen Ablation schlechtere klinische Ergebnisse.
Die Kardioneuroablation ist ein relativ sicheres Verfahren und in den bisher veröffentlichten Studien werden sehr niedrige Komplikationsraten berichtet [6–12]. Als invasives elektrophysiologisches Verfahren sollten Risiken für vaskuläre, perikardiale und thrombotische Komplikationen berücksichtigt werden. Eine gelegentlich auftretende Sinustachykardie nach dem Eingriff kann effektiv mit Ivabradin oder Betablockern behandelt werden.

Konklusion

Die Kardioneuroablation ist eine vielversprechende Therapie der vasovagalen Synkope; sie führt zu einer Verringerung des Wiederauftretens von Synkopen und einer verbesserten Lebensqualität. Basierend auf der aktuellen Studienlage kann man bei Patientinnen und Patienten unter 40 Jahren mit kardioinhibitorischem oder gemischtem Typ der vasovagale Synkopen, die weiterhin häufige und belastende Synkopenepisoden erleben, die Durchführung einer Kardioneuroablation evaluieren und als mögliche Therapiealternative anbieten. Dabei soll aber auch in Betracht gezogen werden, dass Personen mit vasovagaler Synkope anfällig für Placeboeffekte sind. Daher braucht es sicher weitere randomisierte, Sham-kontrollierte Studien, um die Rolle der Kardioneuroablation bei der Behandlung der vasovagalen Synkope zu etablieren und den sichersten und effektivsten Ansatz zu bestimmen.
Prof. Dr. med. Richard Kobza Cardiopuls Medical Center, Luzern
PD Dr. med. Benjamin Berte Cardiopuls Medical Center, Luzern
Prof. Dr. med. Richard Kobza
Cardiopuls Medical Center
Zentralstrasse 1
CH-6003 Luzern
richard.kobza[at]cardiopuls.ch
1 Brignole M, Moya A, de Lange FJ, Deharo JC, Elliott PM, Fanciulli A, et al.; ESC Scientific Document Group. 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J. 2018;39(21):1883–948.
2 Kulakowski P, Baran J, Sikorska A, Krynski T, Niedzwiedz M, Soszynska M, Piotrowski R. Cardioneuroablation for reflex asystolic syncope – mid-term safety, efficacy and patient's acceptance. Heart Rhythm. 2023:S1547-5271(23)02972-7.
3 Aksu T, Po SS. How to perform cardioneuroablation for vasovagal syncope and functional bradycardia. Heart Rhythm. 2023:S1547-5271(23)02769-8.
4 Piotrowski R, Baran J, Sikorska A, Krynski T, Kulakowski P. Cardioneuroablation for Reflex Syncope: Efficacy and Effects on Autonomic Cardiac Regulation-A Prospective Randomized Trial. JACC Clin Electrophysiol. 2023;9(1):85–95.
5 Vandenberk B, Lei LY, Ballantyne B, Vickers D, Liang Z, Sheldon RS, et al. Cardioneuroablation for vasovagal syncope: A systematic review and meta-analysis. Heart Rhythm. 2022;19(11):1804–12.
6 Pachon JC, Pachon EI, Aksu T, Gopinathannair R, Kautzner J, Yao Y, Kusumoto F. Cardioneuroablation: Where are we at? Heart Rhythm O2. 2023;4(6):401–13.
7 Aksu T, De Potter T, John L, Osorio J, Singh D, Alyesh D, et al. Procedural and short-term results of electroanatomic-mapping-guided ganglionated plexus ablation by first-time operators: A multicenter study. J Cardiovasc Electrophysiol. 2022;33(1):117–122.
8 Traykov V, Shalganov T. Cardioneuroablation for the Treatment of Vasovagal Syncope: Current Status and Impact on Quality of Life. Curr Cardiol Rep. 2023; 25(12):1839–49.
9 Francia P, Viveros D, Falasconi G, Penela D, Soto-Iglesias D, Martí-Almor J, et al. Clinical impact of aging on outcomes of cardioneuroablation for reflex syncope or functional bradycardia: Results from the cardionEuroabLation: patiEnt selection, imaGe integrAtioN and outComEs-The ELEGANCE multicenter study. Heart Rhythm. 2023;20(9):1279–286.
10 Candemir B, Baskovski E, Beton O, Shanableh N, Akbulut İM, Kozluca V, et al. Procedural Characteristics, Safety, and Follow-up of Modified Right-Sided Approach for Cardioneuroablation. Anatol J Cardiol. 2022;26(8):629–36.
11 Aksu T, Padmanabhan D, Shenthar J, Yalin K, Gautam S, Valappil SP, et al. The benefit of cardioneuroablation to reduce syncope recurrence in vasovagal syncope patients: a case-control study. J Interv Card Electrophysiol. 2022;63(1):77–86.
12 Huang X, Chen Y, Huang Y, Zhao H, He L, Tan Z, et al. Comparative effects of intensive ganglionated plexus ablation in treating paroxysmal atrial fibrillation and vasovagal syncope. Clin Cardiol. 2020;43(11):1326–33.
Conflict of Interest Statement
RK erhielt institutionelle Grants von Abbott, Biotronik, Biosense Webster, Boston Scientific, Medtronic und Sis-Medical zuhanden des Luzerner Kantonsspitals und war als wissenschaftlicher Berater für Biosense-Webster, Biotronik, Heart Force und Medtronic tätig. BB erhielt ein EHRA-Stipendium sowie Reisestipendien, Vortragshonorare und Consultancy Fees von Biosense Webster.
Author Contributions Statement
Alle Autoren haben einen wesentlichen Beitrag zu diesem Artikel geleistet.