Die Rolle der Ketone in der Schwangerschaft
Pathophysiologie und klinische Relevanz

Die Rolle der Ketone in der Schwangerschaft

Übersichtsartikel
Ausgabe
2022/38
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.09105
Swiss Med Forum. 2022;22(38):624-628

Affiliations
Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV); a Service d’Endocrinologie, Diabétologie et Métabolisme, Département de Médecine; b Service d’Obstétrique, Département femme-mère-enfant

Publiziert am 21.09.2022

In der Schwangerschaft ist die mässige Zunahme der Ketonämie und -urie physiologisch, sie kann aber durch einige Faktoren verstärkt werden. Worauf gilt es zu achten?

Einleitung

Ketonkörper sind während der Schwangerschaft ein alternatives Substrat zu Glukose, die als Energiequelle für den Stoffwechsel von Mutter und Fötus dienen. Es handelt sich um einen wichtigen Anpassungsmechanismus, doch eine erhöhte respektive längere Exposition kann sich negativ auf Schwangerschaft und Baby auswirken.
In diesem Artikel beleuchten wir die pathophysiologischen Mechanismen und die Wirkungen von Ketonkörpern während der Schwangerschaft, zudem schlagen wir praktische Anwendungen für die Praxis vor.

Pathophysiologie

Es gibt drei Arten von Ketonkörpern: Acetoacetat (AcAc), β-Hydroxybutyrat (BHB) und Aceton. AcAc entsteht physiologisch mit dem Abbau von Fettsäuren unter bestimmten Bedingungen (Glukosemangel, Insulinmangel, längeres Fasten, Sport); BHB entsteht durch Reduktion von AcAc in den Mitochondrien. Aceton ist für den charakteristischen Geruch nach überreifen Äpfeln im Atem bekannt und entsteht durch Decarboxylierung aus AcAc. In Zeiten von Glukosemangel spielen die Ketonkörper eine Schlüsselrolle für den Erhalt der Glukoseverwertung und die Verminderung der Proteolyse. Es werden verschiedene Ketosegrade definiert: Ein Wert von unter 0,6 mmol/l weist darauf hin, dass die Konzentration von Ketonkörpern im Blut nicht signifikant erhöht ist (etwa während des Fastens), ab einem Wert von 1,0 mmol/l spricht man von einer signifikanter Ketonämie, und ein Wert von über 3,0 mmol/l bedeutet eine starke Ketose oder – je nach Auswirkung auf den Säure-Basen-Haushalt – eine Ketoazidose [1]. Unter bestimmten Bedingungen, etwa bei sportlicher Betätigung über einen längeren Zeitraum, unzureichender Nähstoffzufuhr während der Schwangerschaft oder ketogener Diät, kann der Ketonkörperspiegel steigen. Der Anstieg resultiert aus einer unzureichenden Verfügbarkeit von Glukose, die zu einem erhöhten Abbau von Triglyzeriden in Fettsäuren resultiert. Diese können in der Leber zu Ketonkörper oxidiert werden.
In der Schwangerschaft kommt es zu vielfältigen Veränderungen des Glukosestoffwechsels, etwa zu einer erhöhten Insulinresistenz, einer erhöhten Ausscheidung und Verwertung von Glukose, einer erhöhten hepatischen Glukoneogenese im dritten Trimenon der Schwangerschaft und einer beschleunigten Lipolyse. Dies trägt zum physiologischen Anstieg von Ketonämie und Ketonurie während der Schwangerschaft bei. Diese Situation kann sich bei Fasten, insbesondere zu Beginn der Schwangerschaft im Zusammenhang mit Übelkeit und Erbrechen, sowie bei absolutem oder relativem Insulinmangel, der zu einer Erhöhung der Lipolyse führt, weiter verschärfen. Beim Schwangerschaftsdiabetes scheinen die Ketonkörperspiegel selbst bei adäquater Blutzuckerregulation höher zu sein als bei Frauen ohne Schwangerschaftsdiabetes. Ketonkörper können die Plazentaschranke durch passive Diffusion von der Mutter zum Fötus passieren. Ihre Plasmakonzentration ist bei der Mutter doppelt so hoch wie beim Fötus, wodurch ein Konzentrationsgradient entsteht, der die Passage ermöglicht [1].

Epidemiologie

Während der Schwangerschaft liegt die Inzidenz von Schwangerschaftsdiabetes in der Schweiz bei rund 10,9%. Weltweit beträgt diese Inzidenz für jeden Diabetestyp je nach Studie zwischen 6 und 25%, in 90% der Fälle handelt es sich dabei um Schwangerschaftsdiabetes.
Unter bestimmten Umständen ist eine leichte Ketose physiologisch, gleichwohl liegen in der Fachliteratur sehr wenige Daten über die klinischen Auswirkungen einer Ketonämie während der Schwangerschaft vor. Die negativen Folgen der Extremsituation einer ketoazidotischen Dekompensation sind dagegen bekannt. Der Unterschied zwischen starker Ketose und Ketoazidose ist nicht eindeutig definiert, die Vermeidung jedes begünstigenden Faktors ist darum wichtig.
Das Auftreten von diabetischer Ketoazidose bei Schwangeren ist je nach Literaturquelle unterschiedlich, wobei eine Inzidenz zwischen 0,5 und 10% der diabetischen Frauen während der Schwangerschaft angegeben wird. Diabetische Ketoazidose galt bisher als typische Komplikation vom Typ-1-Diabetes, es werden aber auch Fälle bei Frauen mit Typ-2- oder Schwangerschaftsdiabetes gemeldet. Bei Frauen mit Typ-1-Diabetes kompliziert der teilweise oder vollständige Mangel an endogenem Insulin die Schwangerschaftsphysiologie. In der Schwangerschaft ist einerseits das Risiko einer diabetischen Ketoazidose während einer Hungerperiode erhöht («accelerated starvation»), andererseits besteht zu Beginn ein anaboler und gegen Ende der Schwangerschaft ein kataboler Zustand. Dies fördert den Fettabbau und macht die Schwangere anfälliger für eine Ketoazidose. Im Falle von Typ-2-Diabetes führt der Anstieg der Insulinresistenz bei Frauen, bei denen bereits zuvor eine Resistenz bestand, zu erhöhtem Insulinbedarf, um einer Entwicklung zur Ketoazidose vorzubeugen [2].
Wenngleich sehr selten (0,8–1,1% der Fälle von diabetischer Ketoazidose), wurden bei Schwangeren (mit vorbestehendem Diabetes und auch mit Schwangerschaftsdiabetes) Fälle von euglykämischer Ketoazidose beschrieben. Die Mechanismen sind nicht immer klar, die Hypothesen basieren aber auf der Kombination mehrerer Faktoren, die die Synthese von Ketonkörpern während der Schwangerschaft begünstigen: beschleunigte Lipolyse, mögliche Steigerung der Glukoseausscheidung über die Niere (Erhöhung der renalen Filtration in der Schwangerschaft), erhöhte mütterliche Glukoseverwertung (induziert durch den Einfluss von Hormonen wie Östrogen und Progesteron) sowie Blutverdünnung während der Schwangerschaft. Andere, nicht schwangerschaftsabhängige Faktoren sind eine allfällige Begleitinfektion oder längeres Fasten wie beispielsweise während des Ramadans (Tab. 1) [2].
Tabelle 1: Faktoren, die die Bildung von Ketonkörpern begünstigen
Längeres Fasten
Ungeeignete oder ketogene Ernährung
Wiederholtes Erbrechen
Gastroparese
Sport über längeren Zeitraum
Schlecht eingestellter Diabetes und/oder vergessene Injektionen
Funktionsstörung der Insulinpumpe
Nicht diagnostizierter Diabetes
Glukokortikoide zur Lungenreifung

Klinisches Bild

Die Symptome einer diabetischen Ketoazidose treten tendenziell früher auf, unterscheiden sich aber nicht von denen ausserhalb der Schwangerschaft: Die Betroffenen stellen sich in der Regel mit allgemeinem Unwohlsein, Acetongeruch der Atemluft (der Atem riecht nach überreifen Äpfeln), Übelkeit, Erbrechen, Polyurie, Polydipsie, Schwäche, Tachypnoe und Anzeichen von Dehydratation vor. Bauchschmerzen können mit Uteruskontraktionen einhergehen. In schweren Fällen können eine Kussmaul-Atmung, Lethargie sowie Anzeichen einer Beteiligung des Zentralnervensystems wie Desorientierung, Benommenheit und Koma aufgrund eines Hirnödems auftreten [2].

Behandlung

Die diabetische Ketoazidose ist ein medizinischer und geburtshilflicher Notfall, der eine spezialisierte Behandlung erfordert. Die Grundsätze der Behandlung der diabetischen Ketoazidose sind nicht abhängig davon, ob eine Schwangerschaft vorliegt oder nicht. Sie bestehen in einer ausreichenden intravenösen Flüssigkeitszufuhr je nach klinischer Situation, der Gabe von intravenösem Insulin und der Korrektur der Azidose und der Elektrolytstörungen. Angesichts der möglichen Auswirkungen auf den Fötus ist die strenge Überwachung von Mutter und Fötus unverzichtbar [2].

Messung der Ketonkörper

Zur Messung der Ketonkörper stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Durch Urinteststreifen oder durch Blutteststreifen (mittels Kapillarblut). Die Urinteststreifen (z.B. KETO-DIABUR-TEST® 5000, Combur®, Ketostix®) messen vor allem oder ausschliesslich AcAc (und im geringen Ausmass Aceton), die Ergebnisse sind je nach Farbe semiquantitativ auf der Grundlage einer Farbskala und reichen von «Spuren» bis +, ++ und +++. Die beiden letztgenannten Zonen entsprechen einer mittelstarken respektive schweren Ketonurie. Die Kapillarblut-Teststreifen messen BHB, den Ketonkörper, der hauptsächlich für die diabetische Ketoazidose verantwortlich ist. In der Schweiz kann man Ketonkörper im Kapillarblut derzeit mit den Messgeräten FreeStyle Libre® 1 und 2 sowie FreeStyle Neo® von Abbott messen. FreeStyle Libre® 1 und FreeStyle Neo® werden als Lesegeräte zur Blutzuckermessung im Kapillarblut vertrieben und können unter Angabe der entsprechenden MiGeL-Position (21.02.01.00.1) problemlos verschrieben werden. Sie sind in Apotheken und bei einigen Diabetes-Verbänden wie den kantonalen Diabetes-Gesellschaften erhältlich. FreeStyle Libre® 2 kann dagegen nur über die Firma Abbott bezogen werden, wo es als kontinuierliches Blutzuckermessgerät vermarktet wird.
Nur wenige Studien haben die Korrelation der Konzentration der mit Urinteststreifen und jener mit direktem BHB-Serumwert untersucht. In einer Kohorte von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes war die Prävalenz positiver Ketonkörper-Messergebnisse im Urin weit höher als im Serum (36% gegenüber 5%, p <0,001), und bei vielen Frauen mit mittleren und hohen Konzentrationen (++ respektive +++) waren die Ketonkörper-Messwerte im Serum normal. Die renale Ausscheidung der Ketonkörper ist nicht linear, da sie in den Nieren absorbiert und ausgeschieden werden, der Harn vor der Ausscheidung stundenlang in der Blase bleibt und die Urinmesswerte auch durch allfällige Dehydratation beeinflusst werden. Bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes und gut eingestelltem Blutzucker und ohne sonstige Erkrankung wurde bei 22% eine Ketonurie festgestellt, wovon ein Drittel zu einem anderen Zeitpunkt als im morgendlichen Nüchternzustand beobachtet wurde. Mit den Kapillarblut-Teststreifen werden zudem oftmals vor dem Abendessen höhere Ketonkörperwerte festgestellt als im morgendlichen Nüchternzustand.
Angesichts dieser Schwankungen empfehlen wir, die Ketonkörper im Kapillarblut zu messen. Bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes ist die Ketonämie etwas höher als bei Schwangeren ohne Schwangerschaftsdiabetes, der Unterschied ist höchstwahrscheinlich nicht klinisch relevant.
Bei Frauen ohne Diabetes liegen die Werte während der Schwangerschaft im Allgemeinen zwischen 0,1 und 0,2 mmol/l. Man diskutiert, ebenso wie ausserhalb der Schwangerschaft Werte von bis zu 0,5 oder 0,6 mmol/l nach einer Nacht ohne Nahrungsaufnahme zu akzeptieren.

Auswirkungen auf den Fötus

Ausserhalb der Schwangerschaft sind Ketonkörper ein wichtiges Energiesubstrat für das Gehirn, in der Schwangerschaft jedoch kann die Exposition gegenüber ketonkörperreichen Umgebungen die neurologische Entwicklung des Fötus beeinflussen. Der genaue Grenzwert und die Dauer der maximalen Exposition sind jedoch noch unklar.

Fehlbildungen

Zu den am besten untersuchten Auswirkungen zählen die Folgen der Ketonämie auf die Entwicklung des Neuralrohrs. Bereits 1983 zeigten Horton et al., dass sich Ketonkörper negativ auf die Entwicklung von Mäuseembryos auswirken, vor allem am Neuralrohr. Die Wirkungen waren dosis- und gestationsalterabhängig, wobei die Auswirkungen auf die jüngeren Embryos am stärksten waren. Die am häufigsten festgestellte Fehlbildung war der fehlende oder verzögerte Verschluss des Neuralrohrs.
Im Jahr 2013 wiesen Radiologie-Bilder von neugeborenen Mäusen, deren Mütter vor und in der Schwangerschaft mit einer Standard- respektive einer ketogenen Diät ernährt wurden, auf einen Unterschied der Entwicklung bestimmter Hirnstrukturen hin. Das Gehirn von Mäusen von Müttern mit ketogener Diät zeigte eine beidseitige Verringerung von Grosshirnrinde, Hippocampus, Corpus callosum, Fimbria und Seitenventrikeln, aber eine relative Vergrösserung von Hypothalamus und Medulla.
Beim Menschen wurden weitere mögliche Fehlbildungen mit erhöhter Ketonämie in Verbindung gebracht wie Gaumenspalten, Lippenspalten sowie Fehlbildungen des kardiovaskulären Systems, des zentralen Nervensystems (Anenzephalie oder Spina bifida) und des Verdauungstrakts.
Am Herzen kann eine diabetische Ketoazidose bei Schwangeren zu fötaler Tachykardie führen, gefolgt von tardiven und starken Dezelerationen. Bei Mäusen kann die längere Exposition gegenüber einer Ketose die Glukoseaufnahme in die Kardiomyozyten verringern, was die Glukoseverwertung des Herzens beeinträchtigt. Der damit verbundene Anstieg des oxidativen Stresses kann auch den Glukosetransport zur Plazenta stören.
Im Hinblick auf ein weiteres lebenswichtiges Organ, die Niere, zeigten In-vitro-Studien eine Auswirkung der Ketonkörper auf das Zellwachstum und die Kollagenproduktion in den Nierenzellen, dazu liegen aber keine In-vivo-Studien vor.
Einige vaskuläre Entzündungsmarker scheinen durch die Ketonämie beeinflusst zu werden und es wurde eine positive Korrelation zwischen dem BHB-Wert der Mutter in der 34.–36. Schwangerschaftswoche und einer Polyzythämie beim Neugeborenen beschrieben [3].

Neurokognitive Entwicklung

Es gibt Hinweise darauf, dass die Exposition des Gehirns gegenüber erhöhten Dosen von Ketonkörpern während der Fötalphase Auswirkungen auf die neurokognitive und psychomotorische Entwicklung des Kindes nach der Geburt haben kann. Rizzo et al. untersuchten 196 Kinder von Müttern mit Diabetes. Neurokognitive und psychomotorische Tests (auf der Grundlage von «Bayley Scales of Infant and Toddler Development» und «Bruininks-Oseretsky Test of Motor Proficiency») mit Kindern im Alter von 2, 6 und 9 Jahren zeigten, dass die Ergebnisse in umgekehrter Korrelation zum BHB-Wert der Mutter in der Schwangerschaft und nach der Geburt standen. Eine ähnliche Studie auf der Grundlage der «Neonatal Behavioral Assessment Scale» und des «Stanford-Binet»-Tests ergab, dass der Intelligenzquotient der Kinder in umgekehrter Korrelation mit dem BHB-Wert der Mutter im zweiten Trimenon stand [3].
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Auswirkunungen der Ketoazidose auf den Fötus.
Abbildung 1: Auswirkungen einer Ketoazidose auf den Fötus [5]. (Die Abbildung wurde unter Verwendung von Bildern von Servier Medical Art von Servier erstellt, die unter einer Creative Commons Attribution 3.0 unported license [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0] lizenziert sind: https://smart.servier.com .)

Perinatale Komplikationen

Im Jahr 2018 überwachte Huang 570 Schwangere mit Diabetes, die je nach Ketonkörperwert im Urin in drei Gruppen eingeteilt wurden (negativ: −/±, mittel: +/++ und hoch: +++/++++). Die verschiedenen Gruppen wurden im Hinblick auf peripartale Komplikationen verglichen: Es zeigte sich eine Korrelation zwischen der Ketonurie und wiederkehrenden Dezelerationen oder fötaler Bradykardie (fötales Herzfrequenzmuster III), stark mekoniumhaltigem Fruchtwasser und postpartaler Hämorrhagie. Bei Frauen mit höherer Ketonurie war die Eröffnungsphase länger und es kam häufiger zu einer vaginal-operativen Entbindung.
Hinsichtlich des Geburtsgewichts des Kindes erinnern wir daran, dass einer der Risikofaktoren von Makrosomie (Gewicht des Neugeborenen ≥4000 g) mit Hyperinsulinämie und Hyperglykämie in der Schwangerschaft verbunden ist. In einer retrospektiven Studie mit 1981 Diabetespatientinnen mit makrosomem Kind wurden diverse Risikofaktoren wie Ketonkörper, High-Density-Lipoproteine und Triglyzeride analysiert. Ein Zusammenhang mit den Ketonkörpern ist wahrscheinlich, die zugrunde liegenden Mechanismen sind allerdings nicht bekannt [3].

Prävention und Aufklärung

Eine Aufklärung über diabetische Ketoazidose ist unbedingt nötig: Patientinnen mit Diabetes sollten vor der Schwangerschaft über das Risiko einer diabetischen Ketoazidose, die begünstigenden Faktoren und die erforderliche Überwachung informiert und aufgeklärt werden. Insbesondere sollte man sie auf die wesentliche Bedeutung von Ernährungsvorschriften, der körperlichen Betätigung und der strikten Kontrolle der Blutzuckerwerte hinweisen.
Die Patientinnen sollten die auslösenden Faktoren, Anzeichen und Symptome von diabetischer Ketoazidose erkennen können. Sie sollten in der Messung der Ketonkörper im Kapillarblut im Falle starker Hyperglykämie (über 15 mmol/l), längeren Fastens und in Risikosituationen (Gastroenteritis, Fieber) geschult werden und bei positivem Ergebnis wissen, dass sie umgehend ärztlichen Rat suchen müssen (Tab. 2).
Tabelle 2: Behandlungsempfehlungen
Ketonämie im Kapillarblut >0,6 mmol/l ohne DiabetesUrsache behandeln.
In 90% der Fälle muss die Kohlenhydratzufuhr oral oder intravenös erhöht werden.
Ketonämie im Kapillarblut >0,6 mmol/l mit DiabetesÄrztin bzw. Arzt kontaktieren, auf Azidose prüfen:
falls Azidose: Behandlung laut Ketoazidose-Protokoll
falls keine Azidose: Kohlenhydrat- und Insulinzufuhr erhöhen
Wir empfehlen, bei Vorliegen begünstigender Faktoren die Ketonkörper ein- bis zweimal täglich zu messen (bei Diabetes häufiger, besonders bei Typ-1-Diabetes), und zwar idealerweise mit Kapillarblut-Teststreifen.
In der Fachliteratur gibt es nur wenige Studien, in denen die pro Tag empfohlene Kohlenhydratzufuhr für Schwangere untersucht und quantifiziert wird. Die meisten Empfehlungen geben einen Prozentanteil der täglichen Nahrungszufuhr an und schlagen so rund 45% der Gesamtenergiezufuhr vor. Die Fachgesellschaften empfehlen im Allgemeinen, mindestens 35% der Gesamtenergiezufuhr in Form von Kohlenhydraten aufzunehmen. Einige Gesellschaften («International Federation of Gynecology and Obstetrics», «Academy of Nutrition and Dietetics» oder «American Diabetes Association») beziffern die Mindestmenge an Kohlenhydraten, die pro Tag aufgenommen werden sollte, mit mindestens 175 g. Der Evidenzgrad ist jedoch gering [4].

Perspektiven

Angesichts der geringen Zahl von Studien, die sich mit dem Grenzwert für die Messung von Ketonkörpern im Kapillarblut oder Urin während der Schwangerschaft befassen, scheint es sinnvoll, diese Messungen zu systematisieren, um Argumente und Hinweise für die klinische Praxis zu gewinnen. Besonders wichtig wären Antworten in zweifelhaften Situationen, etwa im Falle kohlenhydratarmer Ernährung (unter 145 bis 150 g in der Schwangerschaft), deren ketogenes Potential im Falle einer Kohlenhydratzufuhr von unter 100 g/Tag bekannt ist. Derzeit empfehlen wir die Messung der Ketone, wenn die Kohlenhydratzufuhr unter 100 g/Tag liegt, insbesondere falls die Zufuhr nicht angemessen über den Tag verteilt ist, und eindeutig im Falle einer Zufuhr von unter 50 g/Tag. Aufgrund einiger Fallberichte in der Fachliteratur ist ein teratogener Effekt einer fettreichen ketogenen Diät (HFKD), die durch Beschränkung der Kohlenhydrate auf höchstens 50 g/Tag und beliebige Zufuhr von Fett und Kalorien geprägt ist, in Betracht zu ziehen. Ebenso gilt es, die Auswirkungen der erhöhten Ketonämie auf den menschlichen Fötus zu klären, da die verfügbaren Daten vor allem auf In-vitro- oder Mäuse-Studien beruhen. Besonders über die Sonderfälle einer Ketose ohne Azidose und euglykämischen Ketoazidose stehen nicht genug Daten zur Verfügung.

Das Wichtigste für die Praxis

In der Schwangerschaft ist die mässige Zunahme der Ketonämie und -urie physiologisch, sie kann aber durch einige Faktoren verstärkt werden, die man kennen sollte, um die Patientinnen aufklären zu können.
Die diabetische Ketoazidose ist eine verhältnismässig seltene Schwangerschaftskomplikation, die verfügbaren Studien zeigen indes, dass die Auswirkungen auf die Schwangerschaft, Fötalentwicklung und Entbindung gravierend sein können.
Die euglykämische Ketoazidose ist eine seltene, aber mögliche Entität, die in der Schwangerschaft auftreten kann und nach der aktiv Ausschau gehalten werden muss.
Die Aufklärung der Diabetespatientinnen über Anzeichen, Symptome und begünstigende Faktoren ist eine Voraussetzung für die wirksame Prävention.
Dr. med. Sara De Giorgi
Service d’Endocrinologie, Diabétologie et Métabolisme, Département de Médecine, CHUV, Lausanne
Wir danken Dr. Daniela Sofra, niedergelassene Diabetologin in Lausanne, für die Durchsicht des Manuskriptes.
Dr. med. Sara De Giorgi
Consultation Diabète Gestationnel
Service d’Endocrinologie, Diabétologie et Métabolisme
Département de Médecine
Centre hospitalier universitaire vaudois
CH-1011 Lausanne
1 Laffel L. Ketone bodies: a review of physiology, pathophysiology and application of monitoring to diabetes. Diabetes Metab Res Rev. 1999;15:412–26.
2 Dalfrà MG, Burlina S, Sartore G, Lapolla A. Ketoacidosis in diabetic pregnancy. J Matern Fetal Neonatal Med. 2016;29:2889–95.
3 Qian M, Wu N, Li L, Yu W, Ouyang H, Liu X, et al. Effect of Elevated Ketone Body on Maternal and Infant Outcome of Pregnant Women with Abnormal Glucose Metabolism During Pregnancy. Diabetes Metab Syndr Obes. 2020;13:4581–8.
4 Tanner HL, Dekker Nitert M, Callaway LK, Barrett HL. Ketones in Pregnancy: Why Is It Considered Necessary to Avoid Them and What Is the Evidence Behind Their Perceived Risk? Diabetes Care. 2021;44:280–9.
5 Smart.servier.com [Internet]. SERVIER MEDICAL ART [cited 2022 Aug 30]. Available from: https:// smart.servier.com.