Dabigatran oder Rivaroxaban bei Vorhofflimmern?
Fragestellung
Vitamin-K-Antagonisten sind die älteste Behandlung zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern (VHF). Ihr Preis ist ein erhöhtes Risiko für intra- und extrakranielle Blutungen. Zudem kann es schwierig sein, die Patienten im therapeutisch wirksamen Bereich zu halten. Später kamen die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) auf den Markt. Dabigatran (D) ist ein direkter Thrombin-Inhibitor und Rivaroxaban (R) ein Faktor-Xa-Inhibitor. Mehrere Studien haben entweder die Über- oder die Nichtunterlegenheit der NOAK in der Schlaganfallprävention bei nicht-valvulärem VHF im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten gezeigt. Bei den NOAK besteht ebenfalls ein Blutungsrisiko, das sich jedoch zwischen D und R zu unterscheiden scheint. Diese Daten stammen aus der RE-LY und der ROCKET-AF-Studie. Dabei handelte es sich jedoch nur um einen indirekten Vergleich. Daher war ein direkter Vergleich des Blutungsrisikos von D und R erforderlich, was in der nachfolgend zusammengefassten Studie geschehen ist.
Methode
In die Studie wurden Patienten >65 Jahre eingeschlossen, die bei der amerikanischen Versicherungsgesellschaft Medicare versichert waren. Sie wurden zwischen Ende 2012 und Juni 2014 rekrutiert. Ihr Einschluss erfolgte ab der Verschreibung von 2 × täglich 150 mg Dabigatran oder 20 mg Rivaroxaban/Tag und sie wurden bis zum Ende oder der Nichterneuerung der Verschreibung innerhalb von 3 Tagen nachbeobachtet. Primäre Endpunkte waren ein thromboembolischer Schlaganfall, eine intrakranielle Blutung, eine schwere extrakranielle Blutung oder Tod.
Resultate
Es wurden etwa 120 000 Patienten eingeschlossen. Dabei wurden statistische Anpassungen vorgenommen, um die D- und R-Gruppe vergleichen zu können. ~52 000 Patienten erhielten D und ~66 000 R. R wies ein deutlich erhöhtes Risiko für intrakranielle, HR 1,65 und schwere extrakranielle Blutungen, HR 1,48, auf, jedoch ohne höhere Sterblichkeit. Bezüglich der Prävention von Schlaganfällen und anderen embolischen Ereignissen waren beide Medikamente gleich wirksam.
Probleme
Das Follow-up ist mit durchschnittlich 4 Monaten kurz, einige Patienten wurden jedoch bis zu 300 Tage nachbeobachtet. Bei der Studie handelt es sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie, obgleich unerkannte Störfaktoren möglich sind. Es wurden lediglich Patienten >65 Jahre (Mindestalter für die Versicherung bei Medicare) eingeschlossen und es ist unbekannt, ob der festgestellte Unterschied auch auf jüngere Patienten zutrifft.
Kommentar
Diese Studie ist sehr wichtig. Der Grund für den Anstieg des Blutungsrisikos unter Rivaroxaban ist unbekannt. Eventuell spielt die Pharmakokinetik eine Rolle: Rivaroxaban wird 1 ×, Dabigatran 2 × täglich verabreicht. Die Halbwertszeiten sind in etwa vergleichbar. Möglicherweise ist die Wirkspitze der Antikoagulation bei R ausgeprägter als bei D. Dessen Antikoagulationswirkung ist stabiler, wodurch auch das Blutungsrisiko geringer ausfällt. Einer der Pluspunkte der Studie besteht darin, dass die Daten unter Alltagsbedingungen erfasst wurden, da die Patienten ambulant behandelt und von ihrem Arzt betreut wurden. Daher sollte, wie auch ein Editorialist schreibt, in dieser Population Dabigatran der Vorzug vor Rivaroxaban gegeben werden.
Graham DJ, et al. JAMA Int Med. 2016;
176:1662–71.
Myokardinfarkt: ein tatsächlicher Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Noch immer ist unklar, ob die höhere Myokardinfarktrate bei Männern durch die «klassischen» Risikofaktoren (Blutfettwerte, BD, Tabakkonsum usw.) bedingt ist oder ein tatsächlicher geschlechtsspezifischer Unterschied besteht. Eine norwegische Studie scheint diese Frage nun geklärt zu haben. 3000 Patienten mit Myokardinfarkt (⅓ Frauen) wurden prospektiv analysiert. Nach der Bereinigung um die üblichen Risikofaktoren schienen Männer im Laufe ihres Lebens ein doppelt so hohes Infarktrisiko zu haben wie Frauen. Die Risikoerhöhung nimmt mit steigendem Alter ab. Die Natur ist ungerecht …
Albrektsen G, et al. JAMA Int Med. 2016;176:1673–9.
Asthmaanfall: Azithromycin?
Die Richtlinien empfehlen bei einem Asthmaanfall keine AB-Behandlung. Eine Studie hat jedoch den Nutzen der Gabe von Telithromycin (abgewandelte Form von Erythromycin) gezeigt. Ist Azithromycin (A) bei einem Asthmaanfall von Nutzen? 199 Patienten mit Asthmaanfall wurden doppelt verblindet randomisiert und erhielten 3 Tage 500 mg A oder Plazebo. Resultat: kein Nutzen gemäss Symptomskalen nach der Behandlung. Übrigens konnte nur jeder zehnte Patient in die Studie eingeschlossen werden, da die neun anderen trotz Richtlinien bereits Antibiotika erhalten hatten. Wenn man in der Wüste predigt …
Johnston SL, et al. AMA Int Med. 2016:176;1630–7.
Rezidivierende colchicinresistente Perikarditis: Lösung?
Colchicin (C) ist eine anerkannte Therapie bei rezidivierender Perikarditis. Dennoch leiden manche Pat. an C-resistenten Perikarditisformen und sind steroidabhängig. Eine kleine italienische Studie hat die Wirkung von Anakinra, einem Interleukin-1-Rezeptorantagonisten, untersucht. Dieser wurde 11 Pat. 2 Monate lang verabreicht, während 10 ein Plazebo erhielten. Alle waren kortikoidabhängig und C-resistent. Ein Rezidiv trat bei 9/10 Pat. der Plazebo- und 2/11 der Anakinragr. auf. Interessant, aber es braucht grössere Studien …
Brucato A, et al. JAMA. 2016;316:1906–12.
Helicobacter pylori: welches ist die beste Eradikationstherapie?
Die beste Eradikationstherapie bei H. pylori ist unbekannt. In einer taiwanesischen Studie wurden mehrere Behandlungen verglichen: (1.) Eine 10-tägige Quadrupel-Therapie ohne Wismut. (2.) Eine 10-tägige Quadrupel-Therapie mit 4 × tägl. 300 mg Wismut-Trikalium-Dicitrat, 2 × tägl. 30 mg Lansoprazol, 4 × tägl. 500 mg Tetracyclin und 3 × tägl. 500 mg Metronidazol. (3.) Eine 14-tägige Triple-Therapie ohne Wismut. Die Therapie mit Wismut hatte mit 90% die höchste Eradikationsrate. Die anderen Behandlungen kamen auf 84–85%. Übrigens wird H. pylori gegenüber Tetracyclin nicht resistent. Alle o.g. Behandlungen sind jedoch sehr belastend …
Liou JM, et al. Lancet. 2016;388:2355–65.
Veröffentlicht unter der Copyright-Lizenz.
"Attribution - Non-Commercial - NoDerivatives 4.0"
Keine kommerzielle Weiterverwendung ohne Genehmigung.
See: emh.ch/en/emh/rights-and-licences/