Women in Neurology
Themenheft

Women in Neurology

Kommentar
Ausgabe
2024/08
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2024.1581193724
Swiss Med Forum. 2024;24:1581193724

Affiliations
a Département des neurosciences cliniques, Hôpitaux universitaires de Genève, Genève
b Service de neurologie, Réseau Hospitalier Neuchâtelois, Neuchâtel

Publiziert am 26.08.2024

Offiziell existiert die Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG) seit dem 13. März 1909, sodass sie 2020 ihr 111-jähriges Jubiläum feiern konnte. Historisch gesehen hat sie sich von der Inneren Medizin gelöst und ist ein eigenständiges Fach geworden – zu Recht, denn die vielfältigen neurologischen Erkrankungen erfordern spezialisierte Kenntnisse. Anlässlich des Geburtstages gab es im Swiss Medical Forum (SMF) eine Sonderausgabe Neurologie. Im Editorial der fünf Direktoren der Universitätskliniken wurde unterstrichen, dass sich die Neurologie im Wandel von einer beobachtenden zu einer therapeutischen Disziplin befindet, die neue Ansätze der Diagnostik und Therapie der verschiedensten neurologischen Erkrankungen erforscht und anwendet. Und das ist sicher die grösste Veränderung der Neurologie, innerhalb von nur ein bis zwei Generationen!
In einer Studie aus dem Jahr 2013 wurden die Kosten der neuro-psychiatrischen Erkrankungen auf 14,5 Milliarden Euro in einem Jahr geschätzt, wobei etwa die Hälfte auf die neurologischen und neurochirurgischen Erkrankungen fällt [1]. Das ist enorm, und als Neurologinnen und Neurologen haben wir die Aufgabe, die Forschung und Klinik weiterzuentwickeln, um diese Kosten für die Gesellschaft so weit wie möglich zu senken und effizientere Diagnostiken und Therapien anzubieten. Dazu brauchen wir ambitionierte Kolleginnen und Kollegen.
Die Sondernummer 2020 wurde mehrheitlich von unseren männlichen Kollegen gestaltet, was nicht die klinische Wirklichkeit im 21. Jahrhundert widerspiegelt. Unter den auszubildenden Neurologinnen und Neurologen sind 60% weiblich, wobei sich dieser Anteil mit steigendem Kadergrad verringert. In diesem Heft, sowie in zwei weiteren Artikeln, die zu einem späteren Zeitpunkt erscheinen, möchten wir das Sonderheft von 2020 um weitere Themen ergänzen, die eine moderne und effiziente neurologische Versorgung gewährleisten und die Arbeit von Klinikerinnen und Forscherinnen in der Schweiz ins Zentrum stellen:
In der Parkinson-Erkrankung (PE) konnte gezeigt werden, dass die Darmflora eine wichtige Rolle für die Entstehung und Progression der PE darstellt. Um diese zu verbessern und eine «schlechte» Flora zu neutralisieren, gibt es mehrere Studien, die die Wirkung der Transplantation von fäkalen Mikrobiota von gesunden Spendern untersuchen. Die Ergebnisse sind sehr ermutigend, zusammengefasst im Artikel von D’Esneval et al. [2], wenngleich eine kürzliche randomisierte Studie keine klaren klinischen Verbesserungen zeigen konnte [3]. Weitere Studien sind notwendig, um den Einfluss der Darmflora der spendenden Person noch besser zu erforschen. Auch die amyotrophe Lateralsklerose, eine bis heute schwere, unausweichlich tödliche Erkrankung, profitiert von neueren gentechnischen und immunologischen Studien (siehe Übersicht von Lascano et al. [4]). Eine kurative Therapie gibt es leider immer noch nicht, aber es wurden signifikante Erkenntnisse in Bezug auf die Krankheitsmechanismen gemacht – die sich hoffentlich bald in Therapieoptionen niederschlagen. Auch gibt es Neuerungen in der Epileptologie: der diagnostische und therapeutische Weg nach einem Erstanfall oder anfallsähnlichem Event ist oft langwierig und wird auch oft nicht von neurologischen oder epileptologischen Fachpersonen durchgeführt. Daten und Vorschläge, wie ein umfassender und rascher Work-up Zeit und Geld sparen kann und auch die Prognose verbessert, beschreiben De Stefano et al. [5]. Zu einem späteren Zeitpunkt werden noch zwei weitere Artikel zum neusten therapeutischen Prozedere bei Schlaganfall und Multipler Sklerose erscheinen.
Die Kluft in der Visibilität zwischen männlichen und weiblichen Kolleginnen wurde von vielen Neurologinnen erkannt und bedauert, sodass wir «Women in Neurology» (WIN) gegründet haben [6]. Zwischen 2013 und 2023 wurden beispielweise nur zwei von 13 SNG-Preisen an Frauen vergeben [7]. Auch die SNG hat diese Diskrepanz mittlerweile erkannt: der klinische Auftrag im 21. Jahrhundert ist ohne Kolleginnen nicht mehr durchführbar, sodass WIN ein fester Bestandteil der SNG geworden ist.
Prof. Dr. med. Margitta Seeck Département des neurosciences cliniques, Hôpitaux universitaires Genève, Genève
PD Dr. med. Susanne Renaud Service de neurologie, Réseau Hospitalier Neuchâtelois, Neuchâtel
Prof. Dr. med. Margitta Seeck
Département des neurosciences cliniques
Hôpitaux universitaire Genève
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4
1205 Genève
margitta.seeck[at]hug.ch
1 Maercker A, Perkonigg A, Preisig M, Schaller K, Weller M, Cost of Disorders of the Brain in Europe Study Group. The costs of disorders of the brain in Switzerland: an update from the European Brain Council Study for 2010. Swiss Med Wkly. 2013;143:w13751.
2 d’Esneval M, Castro M, Debove I, Aybek S, Fleury V. Fäkale Mikrobiota-Transplantation bei Morbus Parkinson. Swiss Med Forum. 2024;24:10.4414/smf.2024.1157578842.
3 Scheperjans F, Levo R, Bosch B, Lääperi M, Pereira PAB, Smolander OP et al. Fecal Microbiota Transplantation for Treatment of Parkinson Disease: A Randomized Clinical Trial. JAMA Neurol. Published online July 29, 2024. doi:10.1001/jamaneurol.2024.2305
4 Lascano AM, Renaud S, Humm A, Hübers A, Sukockienėa E. Amyotrophe Lateralsklerose. Swiss Med Forum. 2024;24:10.4414/smf.2024.1174071777.
5 De Stefano P, Flügel D, Agazzi P, Picard F, Seeck M. Erster epileptischer Anfall: Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung. Swiss Med Forum. 2024;24:10.4414/smf.2024.1166740574.
6 Tettenborn B, Humm A. Women in Neurology: Förderung der Chancengleichheit. Schweiz Ärzteztg. 2021;102(24):805-806.
7 Schweizerische Neurologische Gesellschaft [Internet]. Basel: SNG Preis. [cited 31.07.2024]. Available from: https://www.swissneuro.ch/awards/sng-preis
Conflict of Interest Statement
SR ist Vizepräsidentin, MS ist Zuständige für ”Academic Development” im Vorstand der ”Women in Neurology”.

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