Weekly Briefing

Pneumonie

Eosinopenie als Prognosefaktor

Retrospektiv wurden Patientinnen und Patienten mit Pneumonie in eine Gruppe mit normaler Eosinophilenzahl und in eine eosinopene Gruppe (<0,05 G/l) eingeteilt – gemessen in den ersten 24 Stunden nach Spitaleintritt. In der eosinopenen Gruppe war die Mortalität im Spital respektive bis 30 Tage nach Entlassung signifikant erhöht, ebenso das Risiko für eine mechanische Beatmung oder das Entwickeln einer Sepsis. Eine Eosinopenie ist prognostisch also ungünstig. Unklar ist, ob in der untersuchten Kohorte wirklich immer eine Pneumonie vorlag (retrospektive Daten, Fehldiagnosen!) oder ob in manchen Fällen Steroide verabreicht wurden. Auch wurde keine quantitative Abstufung der Eosinopenie vorgenommen und der Cutoff für eine «Eosinopenie» ist eher tief angesetzt.
Chest. 2024, doi.org/10.1016/j.chest.2024.05.041.
Verfasst am 23.7.2024_HU

SLE

Hydroxychloroquin und Komplement

Das Antimalarikum Hydroxychloroquin (HCQ) ist günstig, sicher und es reduziert die Mortalität bei systemischem Lupus erythematodes (SLE). Engrammatisch gilt: «Jeder und jedem Lupuserkrankten ein Antimalarikum». Wie wirkt es? Offenbar über die Normalisierung von Komplementfaktoren, wobei die Effekte vor allem bei C4, weniger bei C3 beobachtet werden. Die Daten dazu wurden aus einer grossen Lupuskohorte (>3000 Erkrankte, 93% Frauen, mittleres Alter 39 Jahre) extrahiert – nach Neubeginn von HCQ und mit konsekutiven Spiegelmessungen. Signifikant war die Komplementerhöhung ab HCQ-Spiegeln >50 ng/ml. Pathophysiologisch scheint sich die klinische Verbesserung unter HCQ (Arthritis, Hauteffloreszenzen) in einem geringeren Komplementverbrauch zu reflektieren.
Arthritis Care Res. 2024, doi.org/10.1002/acr.25381.
Verfasst am 25.7.24_HU

Vintage Corner

Leberwerte bei biliärer Pankreatitis

Die Diagnose einer biliären Pankreatitis kann eine Herausforderung sein, besonders wenn im Ultraschall kein Steinnachweis gelingt oder Komorbiditäten vorliegen (beispielsweise schädlicher Alkoholkonsum, Triglyzeridämie). Wie diese Metaanalyse mit 8 Studien und 557 Patientinnen und Patienten zeigt, kann hier als einfache und kostengünstige Modalität die Bestimmung der Serumtransaminasen diagnostisch hilfreich sein, insbesondere die Alaninaminotransferase (ALT): Je höher die ALT, desto besser die Spezifität und der positive Prädiktionswert. Bei einer ALT-Erhöhung >150 U/L liegt die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer biliär bedingten akuten Pankreatitis bei 95%. Alkalische Phosphatase und Bilirubin sind in diesem Setting hingegen ohne diagnostischen Stellenwert.
Am J Gastroenterol. 1994, PMID:7942684.
Verfasst am 24.7.24_HU
CME

Haut und Diabetes

  • Diabetes kann sich auch auf der Haut manifestieren: als Ausdruck eines (noch) nichtdiagnostizierten oder eines ungenügend eingestellten Diabetes mellitus. Die amerikanische Akademie für Dermatologie hat dazu verschiedene Warnzeichen zusammengestellt. Diese gehen über gehäufte mukokutane Infekte (oraler Soor, intertriginöse und genitale Candidiasis) und schlecht heilende Wunden (diabetisches Ulkus) hinaus.
  • Diabetische Dermatopathie: meist über den Unterschenkeln lokalisierte, münzenförmige, indolente und nichtjuckende braunrötliche Veränderungen («shin spots», «spotted leg syndrome»). Bilden sich unter guter Blutzuckerkontrolle zurück.
  • Acanthosis nigricans: ein dunkles, samtartiges Band in Nacken, Axilla, Leiste. Kann Erstmanifestation eines Diabetes sein.
  • Sklerödem: flächenhaft verhärtete oder wachsartig verdickte Haut, meist in der oberen Rückenpartie, aber nie an Händen und Füssen. Schmerzlos. Ein Sklerödem kann sich auch bei gut eingestelltem Diabetes entwickeln.
  • Eruptive Xanthome: gelbliche, meist juckende Hauterhebungen, die sich plötzlich bilden können. Prädilektion am Gesäss, Oberschenkel, Ellbogen respektive als Xanthelasma an den Augenlidern. Ausdruck einer schlechten Blutzuckerkontrolle mit konsekutiv stark erhöhten Triglyzeriden.
  • Weiche Fibrome (Akrochordon): kleine Hautanhängsel, die sich überall – aber vor allem zervikal, axillär, inguinal – bilden können und meistens keinen pathogenen Stellenwert haben. Bei Vorliegen sehr vieler weicher Fibrome sollte ein Diabetes mellitus ausgeschlossen werden.
  • Granuloma anulare disseminatum: Aggregation von kleinen Papeln und Knötchen, die in der disseminierten Form vor allem am Körperstamm auftreten. Gehäuft findet sich die Assoziation mit einem Diabetes.
  • Necrobiosis lipoidica: plattenartige Infiltration mit zentralen Teleangiektasien und lividrötlichem Rand, meist symmetrisch über den Schienbeinen. Kommt in 1–3% bei Diabetes vor. Umgekehrt liegt bei >50% im Rahmen einer Necrobiosis lipoidica ein Diabetes vor.
American Academy of Dermatology Association [Internet]. Des Plaines, IL, USA: Diabetes: 10 warning signs that can appear on your skin. [cited 2024 August 05]. Available from: www.aad.org/public/diseases/a-z/diabetes-warning-signs.
Verfasst am 22.7.24_HU

Blutkulturen

Erreger und Resistenz in 13 Stunden

Bei einer bakteriellen Sepsis ist die rasche und gezielte Antibiotikatherapie für den Behandlungserfolg entscheidend. Da die Menge Blut, das zur Identifikation entnommen wird, meist nur wenige Bakterien enthält, ist eine Anreicherung über eine Kultur für die Weiterverarbeitung unumgänglich. Die Zeit, die verstreicht, bis Bakterien aus dem Blut kultiviert, identifiziert und bezüglich antibiotischer Resistenz geprüft sind, beträgt üblicherweise mehrere Tage. Zur Überbrückung dieser Zeit werden Breitbandantibiotika eingesetzt.
Eine «ultra-rapid» Methode aus Südkorea verkürzt diese Zeit relevant, indem der Kulturschritt übergangen wird: Ein synthetisches, mit magnetischen Nonapartikeln verbundenes β2-Glykoprotein-I wird in das entnommene Blut beigegeben. An diesem Protein bleiben alle pathogenen Bakterien haften. Nach einer Stunde werden die Bakterien mit einem Magnet aus dem Blut entzogen. Mittels Genomanalyse erfolgt darauf die Spezies-Identifikation. Die Antibiotika-Resistenztestung findet schliesslich mittels Anreicherung in einem niedrig-Inoculum-Chip statt.
In einer ersten klinischen Testung wurden bei 190 Patientinnen und Patienten Blut entnommen, das sowohl standartmässig kultiviert, als auch «ultra-kurz» weiterverarbeitet wurde. Es fand sich eine 100%-ige Überstimmung der kultivierten Bakterienspezies (8 positive Fälle). Die Resistenztestung zeigte eine Übereinstimmung in 94%. Die Zeit betrug 13 Stunden, also 40–60 Stunden weniger als üblich.
Diese Methode revolutioniert die bisherigen Zeiten. Noch sind verschiedene Verbesserungen notwendig, bis die Methode klinisch verwendet werden kann. Sie beherbergt jedenfalls das Potential, innerhalb der ersten 24 Stunden das richtige, zielgerichtete Antibiotikum zu verwenden. Nebst optimierter Therapie könnte die Reduktion der Breitspektrumantibiotika-Zeit sich positiv auf Nebenwirkungen, Resistenzentwicklung und Mikrobiom-Erhaltung auswirken.
Nature. 2024, doi.org/10.1038/s41586-024-07725-1.
Verfasst am 29.7.24_MK
Urtikaria
Urtikaria (A) und Angioödeme (B) entstehen bei aktivierten Mastzellen der Haut.
© konmesa / iStock; Christefme / Dreamstime

Personalisierte Therapie

Urtikaria ist eine entzündliche Hauterkrankung, die rund 20% der Bevölkerung im Verlaufe des Lebens betrifft. Sie entsteht durch die Aktivierung der Mastzellen der Haut, die in der Folge lokal Histamin und andere Mediatoren ausschütten. Es entwickeln sich stark juckende Quaddeln und/oder Angioödeme. Ein Schub wird beispielsweise durch Kälte, Hitze oder mechanischen Druck ausgelöst (induzierbare Urtikaria) oder tritt ohne ersichtlichen Auslöser auf (spontane Urtikaria). Die meisten Schübe flauen innerhalb einer Woche wieder ab. In 5–40% aber entsteht eine chronische Urtikaria, die durch >6 Wochen Dauer definiert ist. Der chronische Verlauf ist sehr belastend und häufig von psychiatrischen und autoimmunen Erkrankungen begleitet. Verschiedene Unterformen werden differenziert.
Als Richtlinie wurde vor zwei Jahren empfohlen, die Therapie mit einem Antihistaminikum einzuleiten, dessen Dosis auf die vierfache Standartdosis erhöht werden kann. Bei ungenügender Symptomkontrolle soll der Immunglobulin E IgE-Antikörper Omalizumab ergänzt werden, dessen Dosis ebenfalls erhöht oder das Dosis-Intervall verkürzen werden kann.
Bei chronischer Urtikaria zeigen rund 30% kein Ansprechen auf Antihistaminika und auch nach zusätzlichem Omalizumab gibt es zahlreiche Non-Responder, sodass rund 25% an einer unkontrollierten Urtikaria leiden. In dieser Arbeit werden zusätzliche Optionen zur Therapie der chronischen Urtikaria diskutiert. Ihre Wirkung scheint nicht nur symptomatisch, sondern auch krankheitsmodifizierend zu sein.
Ciclosporin wird empfohlen, wenn Omalizumab unwirksam ist und eine IgG-vermittelte «autoimmune chronische spontane Urtikaria» vorliegt.
Dupilumab = Antikörper gegen Interleukin IL-4Rα. Da Eosinophile diesen Rezeptor besitzen, ist der Einsatz bei der IgE-vermittelten «autoallergischen chronischen spontanen Urtikaria» oder bei Komorbiditäten wie Asthma und atopischer Dermatitis sinnvoll.
Remibrutinib = oraler Hemmer der Bruton-Tyrosinkinase, die von B-Lymphozyten und Mastzellen produziert wird. Ist bei allen Formen von «chronisch spontaner Urtikaria» wirksam.
Barzolvolimab = ein Hemmer der Mastzellaktivierung. Seine Aktion an der «Basiszelle» erklärt, weshalb er bei allen chronischen Urtikariaformen – spontan oder induzierbar – wirksam ist.
Zusätzliche Therapeutika zur chronischen Urtikaria sind äusserst wertvoll. Ihre Wahl wird zunehmend von den zugrunde liegenden Unterformen beeinflusst.
Lancet. 2024, doi.org/10.1016/S0140-6736(24)00852-3.
Verfasst am 28.7.24_MK

@ Caroline Murphy

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