Weekly Briefing

Asymptomatische Bakteriurie

Interaktion Mikrobiologielabor

Eine asymptomatische Bakteriurie (aB) sollte nicht antibiotisch behandelt werden. Dennoch wird dies bei hospitalisierten Personen oft gemacht. Grundsätzlich lässt sich eine Antibiotikatherapie bei aB steuern, indem man jede Bakteriurietherapie überprüft. Einfacher scheint es, wenn bei aB schon die Verordnung für Urinkultur mit Antibiogramm im Mikrobiologielabor überwacht wird. In 46 Spitälern wurde dies bei 14 572 Personen mit positiver Urinkultur gezeigt. Innerhalb von 3 Jahren nahm die Anzahl verordneter Urinkulturen bei aB relevant ab. Dadurch wurden absolut 590 unnötige Therapien und 3540 Antibiotikatage verhindert. Eine Überwachung des diagnostischen Prozesses und die stete Interaktion mit dem Mikrobiologielabor scheinen lohnenswert.
JAMA Intern Med. 2023, doi.org/10.1001/jamainternmed.2023.2749.
Verfasst am 12.12.23_MK

Weniger ist besser

Akute Cholangitis und Antibiotika

Gallen-Drainage und Antibiotika sind die zwei wichtigsten Pfeiler in der Therapie einer akuten Cholangitis. Wie lange man antibiotisch behandeln muss, ist unklar. In einer Studie mit 120 Patientinnen und Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Cholangitis wurde nebst Drainage randomisiert entweder über 4 oder 8 Tage mit Antibiotika intravenös behandelt. Waren die Patientinnen und Patienten danach noch klinisch instabil, wurde die Dauer verlängert. Die Häufigkeit von Heilung, Spitalaufenthaltdauer und Letalität war in beiden Gruppen gleich. Auch wenn diese Studie nur von einem Zentrum stammt, scheint bei akuter Cholangitis eine kurze Antibiotikatherapie über 4 Tage zu genügen, vorausgesetzt, dass sich klinisch dabei eine stabile Situation einstellt.
Am J Gastroenterol. 2023, doi.org/10.14309/ajg.0000000000002499.
Verfasst am 18.12.23_MK

Bis zur Endoskopie …

Keine Cola bei Bolusobstruktion

Eine ösophageale Bolusobstruktion tritt durch hastiges Essen auf. Dieser Notfall erfordert eine rasche endoskopische Entfernung. Da bis dann etwas Zeit verstreicht, wird zwischenzeitlich versucht, die Mobilität des Bolus medikamentös zu fördern. Aufgrund kleiner Studien wird das Schlucken von Cola empfohlen. Es wird vermutet, dass das CO2 die Ösophagusmotilität verbessert. 51 Personen mit kompletter Bolusobstruktion wurden randomisiert, entweder Cola zu schlucken (28) oder zu warten (23). Cola wurde in Portionen zu 25 ml bis total 200 ml verabreicht. Die Erfolgsrate war in beiden Gruppen gleich schlecht, je 61% der Untersuchten zeigten keine Verbesserung der Symptome. 6 Personen in der Cola-Gruppe erlebten das Cola-Schlucken sehr unangenehm.
BMJ. 2023, doi.org/10.1136/bmj-2023-077294.
Verfasst am 14.12.23_MK
CME

Plantarfaszitis (Fersensporn)

  • Die Plantarfaszitis ist eine Entzündung der Sehnenplatte an der Fussunterseite. Sie ist eine sehr häufige Schmerzursache im Fussbereich.
  • Sie wird auch als Fersensporn bezeichnet, wobei die knöcherne Ausziehung am Tuber calcanei Folge und nicht Ursache der Entzündung ist.
  • Der bedeutendste Risikofaktor ist das Übergewicht. Starke Überbeanspruchungen spielen eine Rolle, etwa intensive Wanderung ohne vorhergehendes Training oder Ausübung von ungewohnten sportlichen Tätigkeiten.
  • Die Diagnose erfolgt durch die sorgfältige klinische Untersuchung der Fusssohle. Der radiologische Nachweis eines Calcaneussporns ist nicht hilfreich. 50% der Erkrankten haben keinen Sporn und 20% mit Sporn sind symptomlos.
  • Bei Unsicherheiten können ein Ultraschall der Faszie (Verdickungen?) oder eine Magnetresonanztomographie hilfreich sein.
  • Zur Schmerzlinderung sind antientzündliche Analgetika sinnvoll. Elastisches Taping und Einlagesohlen sind meist sehr effektiv. Nachtlagerungsschienen für 1–3 Monate verhindern beim Schlafen das Verkürzen der dorsalen Kette.
  • Die Dehnung der Wadenmuskulatur ist ein wichtiges Therapieelement in der Subakutphase. Da eine Wadenverkürzung eine chronische Fasziendehnung unterhält, müssen Wadendehnungsübungen weitergeführt werden.
  • Spezialinterventionen wie Steroidinjektionen, Stosswellentherapie, Botulinumtoxin, Elektrotherapie, Eigenbluttherapie und Needling haben unterschiedliche Wirksamkeit, meist wenig studienunterstützte Evidenz und werden in den Richtlinien unterschiedlich gewertet.
  • Mit konservativen Massnahmen sind >90% der Betroffenen nach einem Jahr wieder schmerzfrei. Chirurgische Interventionen (Faszienspaltung) sind frühestens nach sechs Monaten bei fehlendem Erfolg angezeigt.
J Orthop Sports Phys Ther. 2023, doi.org/10.2519/jospt.2023.0303.
Verfasst am 18.12.23_MK

Glukokortikoide

Neue Aspekte und Erkenntnisse

Keine andere Substanz hat die Behandlung entzündlicher Erkrankungen stärker revolutioniert: die antiinflammatorischen Effekte von Kortison wurde 1949 von Forschenden an der Mayo Clinik publiziert – bereits zwei Jahre später wurden sie dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Kortikosteroide (KS) zählen auch heute zu den wichtigsten Eckpfeilern einer antiinflammatorischen Therapie – etwa eine von drei Personen mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung wird mit KS behandelt. Umgekehrt ist die Diskussion über das Nutzen-Risiko-Profil so alt wie die Therapie selbst. Von Interesse sind deshalb neuere Arbeiten zu Wirkmechanismen und klinischen Endpunkten: KS regulieren rund 20% der gesamten Genomexpression, daneben haben sie eine Vielzahl nicht genomischer Effekte. Bei den unerwünschten Wirkungen – insbesondere was Effekte von KS auf die Mortalität betrifft – ist ein Indikationsbias zu berücksichtigen: es sind in der Regel die Kränksten, die Steroide erhalten! Relevante unerwünschte Wirkungen von KS sind kardiovaskuläre Ereignisse, Osteoporose, Infekte. Ein Risiko für grössere kardiovaskuläre Ereignisse wird in epidemiologischen Studien konsistent ab einer Prednisondosis >5 mg/d beobachtet. Dosen <5 mg scheinen mit Ausnahme von Patientinnen und Patienten mit bereits hohem kardiovaskulären Risiko aber «sicher» zu sein. Bei diesen niedrigen Dosen wurden auch keine negativen Effekte auf die Knochendichte beobachtet – ausser die KS werden kombiniert mit Protonenpumpenhemmern gegeben! Das Risiko für Infektionen schliesslich nimmt ab einer Dosis >15 mg/d und einer Dauer von >3 Monaten zu: vor Therapie auf latente Tuberkulose, HIV, Hepatitis B und C testen! Und bei höheren Dosen – oder in Kombination mit anderen Immunsuppressiva – eine Prophylaxe gegen Pneumocystis jirovecii erwägen. Der therapeutische Einsatz von KS bei Virusinfektionen ist kontrovers: Studien im Zusammenhang mit dem «Middle East respiratory syndrome coronavirus» und Influenza haben ein schlechteres Outcome gezeigt (Evidenzlage dünn!). Bei der schweren COVID-Pneumonie mit Zytokinsturm hingegen verkürzte sich die Hospitalisationsdauer unter KS signifikant, die Notwendigkeit einer invasiven Beatmung nahm ab und die Mortalität war deutlich tiefer.
Ann Rheum Dis. 2023, doi.org/10.1136/ard-2023-224847.
Verfasst am 15.12.23_HU
Ahead the curve
Molecule,Of,Dna,,Double,Helix,,3d,Illustration.,Genetic,Mutation,And
Den LDL-Cholesterinspiegel dauerhaft senken? Eine DNA-Basen-modifizierende Therapie mit Lipidnanopartikeln soll es möglich machen.
© Kateryna Kon / shutterstock

Welche klinischen Studien werden die Medizin 2024 prägen?

«Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.» Dieses Zitat – es wird den Literaten Karl Valentin oder Mark Twain, dem Physiker Niels Bohr, bisweilen auch Winston Churchill zugeschrieben – macht auch bei der Biomedizin keine Ausnahme. Aufschlussreich sind die entsprechenden Einschätzungen aber alleweil. Im Nature Medicine stellen 11 Expertinnen und Experten potentielle «game changers» vor. Wenig überraschend werden diese bei onkologischen Therapien und in der Prävention verortet. Auch das Potential künstlicher Intelligenz (KI) darf natürlich nicht fehlen.
Eine Auswahl dieser Studien wird hier kurz umrissen: 1. Im HEART-1-Trial wird eine DNA-Basen-modifizierende Therapie angewendet, womit eine einzige intravenöse Infusion von Lipidnanopartikeln das PCSK9*-Gen in der Leber dauerhaft inaktivieren soll. Wenn es funktioniert – es handelt sich um die erste In-vivo-Studie beim Menschen – kann der LDL-Cholesterinspiegel permanent gesenkt werden. 2. Bei der STEM-PD-Studie werden dopaminerge Neurone aus humanen embryonalen Stammzellen ins Hirnparenchym von Parkinsonbetroffenen implantiert. Der Fokus liegt dabei bei eher jüngeren Patientinnen und Patienten in einer frühen Krankheitsphase – in der Annahme, dass hier die Behandlung am meisten Effekte erzielt. 3. Die Identifikation von Patientinnen und Patienten mit einem hohen Risiko für Verschlechterung und Tod kann im Akutsetting schwierig sein. Zur Unterstützung wurde ein KI-basierter Score («RISKINDEX») entwickelt und anhand einer riesigen Kohorte (4 Spitäler, eine ¼ Million Patientinnen und Patienten, >7 Millionen Labordaten) validiert. Retrospektiv schnitt das KI-Tool besser ab als die Internistinnen und Internisten auf der Notfallstation. Die MARS-ED-Studie soll diesen klinischen Nutzen jetzt in einem prospektiven Setting quantifizieren. 4. Die Entwicklung einer Malaria-Impfung hat >100 Jahre in Anspruch genommen – 40 Impfstoffe wurden klinisch erprobt, 2 waren wirksam: RTS,S und R21. Die Wirksamkeit ist allerdings durch eine relativ kurze Immunantwort limitiert. In den Endemiegebieten von Burkina Faso, Kenia und Tanzania wird untersucht, ob R21/Matrix-M – injiziert als Nanopartikelvektor mit sehr hoher Antigendichte – eine längere Wirksamkeit erzielt. Lebenslang im besten Szenario, so wie es bei der HPV**-Impfung mit der identischen Technologie bereits der Fall ist.
* PCSK9: Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9
** HPV: humane Papillomaviren
Nat Med. 2023, doi.org/10.1038/s41591-023-02699-5.
Verfasst am 15.12.23_HU

@ Caroline Murphy

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