Atemnot bei Menschen mit nicht heilbaren und fortschreitenden Erkrankungen
Dogmen im Wandel?
Peer-review

Atemnot bei Menschen mit nicht heilbaren und fortschreitenden Erkrankungen

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2024/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2024.1317389502
Swiss Med Forum. 2024;24(01-02):4-7

Affiliations
a Palliativzentrum Hildegard, Basel
b Forschungsgruppe Palliative Care, Department Klinische Forschung, Universität Basel, Basel
c Clinica di Cure Palliative e di Supporto, Ente Ospedaliero Cantonale (EOC), Bellinzona e Lugano
d Servizio di Medicina interna, Ospedale Regionale di Lugano, EOC, Lugano
e Département de Réadaptation et Gériatrie, Université de Genève, Genève

Publiziert am 10.01.2024

Das ärztliche Verständnis des Symptoms «Atemnot» befindet sich im Wandel. Der Artikel gibt einen Überblick über die aktuelle Best Practice bei Menschen mit nicht heilbaren und fortschreitenden Erkrankungen, die palliativmedizinische Bedürfnisse haben, beleuchtet aber auch aktuelle Diskussionen mit Blick auf Implikationen für die klinische Praxis.

Veränderte Definition und Synonyme

Atemnot (Synonyme: Luftnot, Dyspnoe) wird definiert als das «subjektive Erleben von erschwerter Atmung» [1], häufig in Form von Atemnotepisoden, beispielsweise im Rahmen körperlicher Belastung [2].
Bis vor Kurzem sprach man von «refraktärer Atemnot», wenn diese trotz optimaler Behandlung der Grunderkrankung weiterbestand. Mit der neuen Klassifikation der «International Classification of Diseases» (ICD-11) hat sich dies geändert, auch um einem fatalistischen Verständnis und Umgang mit dem Leid der Betroffenen vorzubeugen. Der Ausdruck «refraktär» wurde durch «chronisch» ersetzt, und die ICD-11 unterscheidet jetzt zwischen «akuter» (Stunden oder Tage anhaltend), «subakuter» (3–8 Wochen) und «chronischer» (>8 Wochen) Atemnot [3].

Relevanz für Patientinnen und Patienten

Für viele Menschen ist Atemnot nicht nur eine «erschwerte Atmung», sondern vielmehr eine existentielle Belastung. Sie wird häufig mit dem Gefühl von «Ersticken» oder aber «kompletter Erschöpfung» beschrieben und geht oft mit starker Angst und Demoralisation (Gefühl der Hoffnungslosigkeit, Resignation) einher [4]. Daher ist die chronische Atemnot ein häufiger Grund für einen starken Todeswunsch [5]. Da Atemnot aber eine rein subjektive Erfahrung der Betroffenen ist und daher nicht durch sogenannte «objektive», physiologische Parameter gemessen werden kann, wird sie von ärztlicher Seite oft nicht wahrgenommen, sodass die mögliche Unterstützung der Patientinnen und Patienten unterbleibt und die Atemnot als «unsichtbares Symptom» bezeichnet wird [4, 6, 7].

Epidemiologie: Atemnot als prognostischer Faktor

In westlichen Ländern sind die häufigsten Ursachen für chronische Atemnot eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), eine chronische Herzinsuffizienz, Adipositas, Tumorerkrankungen und die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) [8]. Die Prävalenz der Atemnot nimmt in aller Regel im Verlauf der Erkrankung zu und ist am höchsten bei kardiorespiratorischen Erkrankungen und ALS [9]. Für kardiorespiratorische Erkrankungen ist das Auftreten von Atemnot ein wichtiger Prognosefaktor hinsichtlich einer limitierten Lebenszeit der Betroffenen und anderen gemessenen Parametern wie Lungenfunktionstests überlegen [10].

Pathophysiologie

Die Pathophysiologie der Atemnot ist komplex und immer noch nicht vollständig geklärt. Sicher ist, dass verschiedene Strukturen an ihrer Entstehung beteiligt sind, jedoch nicht immer sein müssen [11]. Dies sind unter anderem Mechanorezeptoren der Brustwand, C-Fasern der oberen Atemwege («flow sensors»), Hirnstamm-Nuclei, der Thalamus, pulmonale C-Fasern (J-Rezeptoren), Opioidrezeptoren, Barorezeptoren – beispielsweise in den Vorhöfen (Herzinsuffizienz) – sowie Chemorezeptoren, unter anderem des Glomus caroticum [12].

Diagnostik

Chronische Atemnot

Bei der chronischen Atemnot beschränkt sich die notwendige Diagnostik meist auf eine ausführliche Anamnese unter Berücksichtigung der symptomatischen und psychosozialen Belastung der Erkrankten. Als Minimalanforderung sollten die Intensität der Atemnot- und Luftnotepisoden auf einer numerischen Rating-Skala (NRS) von 0 bis 10 erfasst werden (0 = gar keine Atemnot; 10 = maximal vorstellbare Atemnot). Andere Skalen zur Erfassung der Atemnot, zum Beispiel die Borg-Skala, können das Symptom noch ausführlicher charakterisieren. Die Borg-Skala bewertet den subjektiven Schweregrad der Atemnot einer betroffenen Person [13]. Auch Häufigkeit, Dauer und mögliche Trigger von Atemnotepisoden (Attacken) im Rahmen einer multidimensionalen Erfassung sind Bestandteil der Anamnese, ebenso wie die Frage, wie lange das Symptom schon bestehe, oder ob es sich in der letzten Zeit oder sogar ganz akut verschlechtert habe (Ausschluss akuter, potentiell behandelbarer Ursachen!). Insbesondere bei seit langer Zeit (Jahren?) bestehender Atemnot sind schwer beeinträchtigte, oft gar tachypnoeische Menschen mit einem sehr angestrengten Atemmuster an das Symptom gewohnt und durch Coping adaptiert. Bei diesen Patientinnen und Patienten lohnt sich neben der oben genannten Frage nach der Intensität der Atemnot auch die Frage danach, wie stark sie sich durch das Symptom belastet fühlen (NRS 0–10). Gelegentlich werden hier von Menschen mit chronischer COPD oder Herzinsuffizienz erstaunlich niedrige Werte angegeben [14].

Akute Atemnot, akut-auf-chronische Atemnot und Atemnotkrisen

In diesen Fällen sollten potentiell behandelbare Mitverursacher oder -verstärker der Atemnot ausgeschlossen werden, wie ein respiratorischer Infekt, eine Lungenembolie oder ein Pneumothorax, etwa bei Personen mit Emphysem. Klassische reversible oder linderbare Atemnotursachen sind bei an Tumoren Erkrankten unter anderem ein ausgeprägter Pleuraerguss oder Aszites, die Immuntherapie-bedingte Pneumonitis oder eine durch die Thrombogenität mancher Tumorerkrankungen provozierte Lungenembolie. Bei Personen, die keine entsprechende Anamnese aufweisen, ist das erstmalige Auftreten einer kardialen Dekompensation oder eines Bronchospasmus im Rahmen einer anderen zum Tode führenden Erkrankung eine Rarität [15]. Bei der Abwägung der notwendigen Diagnostik sollten insbesondere bei weit fortgeschrittenen Erkrankungen mit geringer Lebenserwartung die therapeutischen Konsequenzen und die Angemessenheit jeder apparativen Untersuchung hinterfragt werden. Neben der Anamnese ist die klinische, symptomorientierte Untersuchung mit Inspektion, Auskultation und Perkussion jedoch immer indiziert. Ob die Messung der Sauerstoffsättigung im Blut (SpO2) bei negativer Inspektion (nicht hypoxisch wirkende Person) indiziert ist, wird unterschiedlich beurteilt. Der Autor und die Autorin selbst sind in der eigenen klinischen Praxis diesbezüglich zurückhaltend (zum Thema Sauerstoffgabe nachfolgend mehr). Sollte sich das behandelnde ärztliche Team bei einer ausgeprägten Atemnotkrise, insbesondere mit grosser Angst der Betroffenen, trotz weit fortgeschrittener Erkrankung zur weiteren apparativen Diagnostik entscheiden, sollten die an Atemnot Leidenden dennoch vorher medikamentöse Hilfe erhalten (dazu mehr im Folgenden), um während der Zeit der Diagnostik und des Wartens Erleichterung zu erfahren.

Nicht medikamentöse Therapie

Besonders bei Atemnotkrisen sind grundlegende Prinzipien der Lagerung (wie Hochlagern des Oberkörpers, Entfernung beengender Decken und Kleidung) und Frischluftzufuhr durch Öffnen von Fenstern oder Ventilatoreinsatz (Stand- oder Handventilator) ebenso geboten wie das ruhige und beruhigende Einwirken auf die Betroffenen mit der Versicherung, dass sie Hilfe und Linderung erfahren werden.
Im weiteren Verlauf bedarf es des Gesprächs darüber, wie die Anpassung des Tagesrhythmus hinsichtlich einer Balance aus Ruhe und Aktivität erreicht und die Belastung effizient gestaltet werden kann (zum Beispiel durch Gehpausen am Rollator). Insbesondere bei Atemnot aufgrund von chronisch fortschreitenden kardiorespiratorischen Erkrankungen sind Gehhilfen zur Reduktion des Energieverbrauchs, aber auch die neuromuskuläre elektrische Muskelstimulation (NEMS) des Musculus quadriceps zur Erhaltung oder Erweiterung der Gehstrecke und Reduktion der Atemnot evidenzbasierte Massnahmen [16].
Auch das Einnehmen der Mahlzeiten kann zu Atemnot führen: hier ist es wichtig, mit den Betroffenen ihren Tagesablauf zu evaluieren und eine Umverteilung der Mahlzeiten (häufigere Einnahme kleinerer Portionen) anzuregen, die energiesparend wirkt. Zur Einübung von Ritualen, die den Betroffenen im Falle einer Atemnotattacke und zur Kontrolle der Atmung zur Verfügung stehen, ist es hilfreich, spezialisierte, nicht ärztliche Berufsgruppen aus den Bereichen Psychologie, Musik- und Physiotherapie einzubeziehen. Viele Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen schätzen frei zugängliches Informationsmaterial zum Selbstmanagement, etwa von der Lungenliga, aber auch von palliativmedizinischen Atemnotambulanzen [17]. Selbsthilfegruppen sind hilfreich, da die Betroffenen und ihre Angehörigen hier Erfahrungen teilen können. Eine Zusammenfassung der nicht medikamentösen Massnahmen findet sich in Tabelle 1.

Medikamentöse Therapie

Opioide bei Atemnot durch Tumorerkrankungen und ALS: State of the Art

Opioide sind Mittel der Wahl bei der Behandlung der tumorbedingten Atemnot in palliativen Behandlungssituationen und bei der ALS [18]. Es gelten die gleichen Regeln, Dosierungen und Umrechnungsfaktoren wie bei der Opioidtherapie des Tumorschmerzes mit der Kombination aus Dauer- und Reserve-/Bedarfsmedikation. Letztere sollte unbedingt auch antizipatorisch gegeben werden, wenn die Patienten und Patientinnen die Atemnotepisode absehen können, beispielsweise bei geplanter Körperpflege oder dem Gang aus dem Haus. Dabei sollte die Dauer bis zum Eintritt der Wirkung bedacht werden. Bei unretardierten Tabletten oder Lösungen beträgt diese in der Regel 20–30 Minuten. Falls ein schnellerer Wirkeintritt gewünscht ist, können die sogenannten «schnellen Fentanyle», wie etwa das bukkal oder sublingual gegebene Fentanyl oder das in Apotheken herstellbare entsprechende Nasenspray, indiziert sein [19, 20]. Der schnelle Wirkeintritt bedingt ein hohes Abhängigkeitspotential durch psychotrope, als angenehm empfundene Nebenwirkungen («Kick»), sodass bei Menschen mit einer Lebenserwartung von über einem Jahr Vorsicht geboten ist. Es wird geraten, mit der jeweils kleinsten Dosis zu beginnen und diese dann titrierend zu steigern. Da entgegen älteren Annahmen nicht nur Morphin, sondern auch andere starke Opioide gegen die Atemnot bei an Tumoren Erkrankten wirken [19, 21], steht bei Niereninsuffizienz dem Vorziehen von Hydromorphon nichts entgegen.

Opioide bei kardiorespiratorischen Erkrankungen: Dogmen im Wandel

Viele palliativmedizinische Lehrbücher und Leitlinien empfehlen immer noch die Gabe von Opioiden bei kardiorespiratorischen Erkrankungen, auch wenn eine aktuelle Metaanalyse zur Atemnot bei Herzinsuffizienz und eine randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) bei an COPD Erkrankten keine Wirksamkeit, wohl aber eine hohe Nebenwirkungsinzidenz feststellen konnten [22, 23]. Dies entspricht den Ergebnissen aus Studien mit nationalen Kohorten, die eine dosisabhängig erhöhte Mortalität dieser Personengruppen unter Benzodiazepinen (Näheres hierzu im Folgenden) und Opioiden ergaben. Die Ergebnisse dieser drei Studien müssen jedoch im Kontext betrachtet werden. In der Metaanalyse der Daten von Personen mit Herzinsuffizienz konnte die Subgruppe der schwerst Betroffenen mit Stadium IV gemäss Klassifikation der «New York Heart Association» (NYHA) nicht isoliert betrachtet werden, da aufgrund fehlender Informationen eine Metaanalyse von «individual participant data» (IPD) nicht möglich war [22]. In einer Nachuntersuchung des RCT mit an COPD Erkrankten konnten trotz allgemeiner Unwirksamkeit einige wenige «Super-Responder» identifiziert werden, die massiv von der Opioidtherapie profitiert hatten [24]. In der genannten Kohortenstudie konnte für niedrige Opioid- und Benzodiazepindosen keine erhöhte Mortalität festgestellt werden, ausserdem könnte die Dosisabhängigkeit der Mortalität Confounder-bedingt sein (ein nahes Lebensende bedeutet eine höhere Symptomlast und daher notwendigerweise höhere Dosierungen) [25]. Eine weitere Studie bei Personen mit COPD in den Stadien 3–4 der «modified Medical Research Council Dyspnea Scale» (mMRC) zeigte, dass tiefe Opioiddosen über einen Zeitraum von vier Wochen die schlimmste wahrgenommene Atemnot verbesserten, ohne Veränderung des Kohlendioxidpartialdrucks (paCO2) und ohne erhöhte Nebenwirkungsinzidenz [26]. Fragen bezüglich der Wirksamkeit von Opioiden der Darreichungsformen «rapid release» versus «extended release» bei an COPD Erkrankten mit Atemnot sind ungeklärt. Der Autor und die Autorin dieses Artikels schlagen das folgende pragmatische, aus den oben genannten Überlegungen hergeleitete Vorgehen vor: Bis zum Vorliegen einer IPD-Metaanalyse sollte sich die Gabe von Opioiden bei Personen mit Herzinsuffizienz auf diejenigen im Stadium NYHA IV oder besser nur im terminalen Erkrankungsstadium beschränken. Bei der COPD kann ein vorsichtiges Opioid-Trial indiziert sein, um allfällige Super-Responder zu identifizieren. Dabei ist aber grosse Vorsicht bei den Dosierungen geboten. Der Beginn mit tiefen Dosen Morphin (zum Beispiel 0,5–3 mg alle 6–8 Stunden oder nur in Reserve als Prophylaxe) kann eine völlig ausreichende Startdosis darstellen. Weitere Dosiseskalationen sollten sehr vorsichtig erfolgen, da bei dieser speziellen Population das Risiko für eine Atemdepression sehr hoch ist [26].

Benzodiazepine, andere Anxiolytika und Antidepressiva: ja, aber …

Die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Benzodiazepinen wird aufgrund der vagen Evidenzlage unterschiedlich beurteilt [27, 28]. Generell besteht ein Teufelskreis aus Angst und Atemnot. Daher empfehlen der Autor und die Autorin dieses Artikels, Personen mit einer akuten Atemnotkrise in den allermeisten Fällen eine Benzodiazepintherapie zukommen zu lassen (beispielsweise mit Midazolam; Startdosis: 1,0–2,5 mg subkutan oder intravenös). Bei der Dauertherapie ist aufgrund des Abhängigkeitspotentials und des Risikos für eine Atemdepression bei an COPD Erkrankten Vorsicht geboten und sie sollte sich daher auf Schwerstbetroffene mit einer sehr eingeschränkten Lebenserwartung reduzieren.
Pregabalin ist ein potentes Anxiolytikum, zu dem für die Atemnottherapie noch keine Fallberichte vorliegen. Allerdings hat es sich in der persönlichen Praxis des Erstautors dieses Artikels bei einigen Patienten und Patientinnen auch in der Dauertherapie als wirksam erwiesen. Es scheinen vor allem Personen zu profitieren, die stärkste, unkontrollierte Atemnotattacken «aus dem Nichts», also von einer Sekunde auf die andere, mit gleichzeitig stark ausgeprägter Panik erleiden [29].
Die Evidenzlage bezüglich der Gabe verschiedener Antidepressiva zur Atemnottherapie ist trotz diverser vorliegender RCTs uneinheitlich und nicht abschliessend bewertbar. Der Autor und die Autorin dieses Artikels empfehlen, dass im Falle des gleichzeitigen Vorliegens von Atemnot und Depression ein Therapieversuch immer angeboten werden sollte. Trotzdem erscheint es besonders bei den chronisch Eingeschränkten mit kardiorespiratorischen Erkrankungen wichtig, die häufig vorliegende Demoralisation (Hoffnungslosigkeit) nicht als Depression fehlzuinterpretieren, zumal diese Personen häufig polymediziert sind.

Sauerstoff: selten nötig, dann aber unabdingbar

Verkürzt betrachtet kann die Evidenzlage zur Sauerstofftherapie wie folgt zusammengefasst werden: Nicht hypoxische Personen profitieren nicht von einer Sauerstofftherapie und diese sollte dann aufgrund potentieller Nebenwirkungen (Verschlechterung der Atemfunktion, beispielsweise durch Resorptionsatelektasen, Schlafstörungen, Delir, nasale Ulzera) auch nicht probatorisch begonnen werden. Bei hypoxischen Personen jedweder Grunderkrankung ist der umgehende Versuch einer Sauerstofftherapie indiziert, bei der COPD mit der aufgrund der Pathophysiologie gebotenen Vorsicht bei der Eindosierung.
Es häufen sich RCTs aus US-amerikanischen Palliativeinrichtungen, die vom erfolgreichen Einsatz von High-Flow-Geräten (bis zu 60 l/min Sauerstoff) bei gleichzeitig hoher Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten berichten [30]. Die Folgen eines möglichen Trends sind noch nicht absehbar, werden aber vom Autorenteam aufgrund schwieriger ethischer und logistischer Fragen mit Skepsis betrachtet.

Weitere Entwicklungen

In angelsächsischen Ländern haben sich «Breathlessness Services» an grossen Kliniken etabliert. Hier werden auch – selbst im Home-Care- und Hospiz-Bereich – bei an Herzinsuffizienz Erkrankten Ionotropika (Dobutamin, Phosphodiesterase-3-[PD3-]Inhibitoren) ohne Monitoring mit gutem Erfolg eingesetzt [31]. Selbstverständlich sollte es eigentlich auch schon in der Schweiz sein, schwerst Herzinsuffizienzkranke zumindest mit Diuretika (Furosemid) per Dauerinfusion respektive Pumpe in der Häuslichkeit und Langzeitpflege unter Einbezug der spezialisierten palliativen Home Care zu behandeln.

Spezialisierte Palliative Care: früh einbeziehen!

Die Empfehlungen der entsprechenden Fachgesellschaften sind eindeutig: Bei den hier besprochenen Patienten und Patientinnen ist eine frühzeitige Einbeziehung von Strukturen der spezialisierten Palliative Care indiziert [32–34]. Dabei sollte sich die spezialisierte Palliative Care als beratender Part und als «on-top» statt «anstelle von» verstehen (One-Voice-Prinzip, Verhinderung von Desintegration respektive Fragmentierung der Patientenbetreuung). Durch den Einbezug der spezialisierten Palliative Care verlieren die Betroffenen Berührungsängste beim Erstkontakt, erreichen in späteren Krankheitsphasen schneller das nötige Netzwerk und die primär zuständigen Organ-Spezialistinnen und -spezialisten, und Hausärzte und Hausärztinnen können zum Wohle der Behandelten auf das volle Potential des multiprofessionellen Teams zurückgreifen. Die Patientinnen und Patienten verstehen so die Rolle der spezialisierten Palliative Care als Unterstützung für eine optimale Symptomkontrolle und als Hilfe zur Entscheidungsfindung, im Gegensatz zu den Interventionen des spezialisierten Palliative-Care-Teams in der terminalen Phase, wie die Diskussion und Durchführung einer palliativen Sedierung. Auf eine solche sollte ohne Einbezug spezialisierter palliativmedizinischer Expertise verzichtet werden, um keine Optionen zu übersehen, wie das Leid der Betroffenen anderweitig gelindert werden könnte.

Ausblick

Die wichtigste, nicht gänzlich geklärte Frage ist der Stellenwert der Opioide bei Personen mit kardiorespiratorischen Erkrankungen. Allerdings sollte der Einsatz, wenn überhaupt, viel zurückhaltender erfolgen als in der Palliative Care derzeit noch üblich. Die Durchführung von IPD-Metaanalysen und die Identifikation allfälliger Super-Responder stehen noch aus. Bei an Herzinsuffizienz Erkrankten sollten Strukturen geschaffen werden, um den Einsatz von Ionotropika auch in der Home Care und Langzeitpflege zu ermöglichen und wissenschaftlich evaluieren zu können [33]. Die wichtigste ausstehende Massnahme bleibt jedoch eine flächendeckende, engere, frühzeitige Integration der spezialisierten Palliative Care (Konsiliardienste, Home Care, Stationen) in die Behandlung der Patientinnen und Patienten, denen aufgrund ihres immensen Leidensdrucks alle hilfreichen Ressourcen zur Verfügung stehen sollten. Um die Situation zu verbessern, könnten die Entwicklung strukturierter, interdisziplinärer Programme und deren notwendige Zertifizierung hilfreich sein [35].

Das Wichtigste für die Praxis

  • An Tumoren Erkrankte mit Atemnot benötigen nach Ausschluss reversibler Ursachen eine dauerhafte Opioidtherapie.
  • Der Einsatz von Opioiden bei Personen mit kardiorespiratorischen Erkrankungen sollte insbesondere in nicht terminalen Situationen nur wohlüberlegt und zurückhaltend erfolgen, bei Menschen in der letzten Lebensphase bleiben sie ebenso wie Benzodiazepine eine der wichtigsten medikamentösen Optionen zur Symptomkontrolle, bis neue Erkenntnisse aus Untersuchungen vorliegen.
  • Menschen in Atemnotkrisen benötigen kurzfristig Benzodiazepine in ausreichender Dosierung, um den Teufelskreis aus Angst und Atemnot zu durchbrechen.
  • Sauerstoff ist nur bei hypoxischen Personen indiziert.
  • Der frühzeitige, routinemässige Einbezug der spezialisierten Palliative Care (Konsiliardienste, Ambulanzen, Stationen, Home Care) ist imperativ, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen und das Leid der Betroffenen zu mildern.
Prof. Dr. med. Jan Gärtner Palliativzentrum Hildegard, Basel, und Department Klinische Forschung, Universität Basel, Basel
PD Dr. med. Tanja Fusi-Schmidhauser Clinica di Cure Palliative e di Supporto, Ente Ospedaliero Cantonale (EOC), Bellinzona e Lugano
Prof. Dr. med. Jan Gärtner
Palliativzentrum Hildegard
Department Klinische Forschung, Universität Basel
St. Alban Ring 151
CH-4002 Basel
jan.gaertner[at]pzhi.ch
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Verdankung
Die Autorin und der Autor bedanken sich bei Dr. Constanze Remi, Universität München.
Conflict of Interest Statement
Die Autorin und der Autor haben deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.

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