Angiodysplasien sind eine wichtige Ursache für Dünndarmblutungen – und Rezidive nach interventioneller Versorgung häufig. In dieser randomisierten Multizenterstudie wurden 150 Personen mit bekannten Angiodysplasien und ≥4 Blutungsepisoden im Jahr zuvor mit Thalidomid über vier Monate behandelt: in der hohen Dosis (100 mg/d) konnten die Blutungsereignisse bei fast 70% der Behandelten um ≥50% reduziert werden. Der Effekt hielt auch nach Therapieende über eine Beobachtungszeit von weiteren zwölf Monaten an. Eine interessante konservative Therapieoption! Limitierend sind die unerwünschten Wirkungen (neben der bekannten Teratogenität: Schläfrigkeit, Obstipation, periphere Ödeme) und die eingeschränkte Verfügbarkeit in der Schweiz.
Die chronische Prurigo (CPG) ist charakterisiert durch chronischen Pruritus mit Kratzverhalten und pruriginösen Hautveränderungen. Eine Metaanalyse (17 Arbeiten) hat verschiedene Komorbiditäten identifiziert, die mit einer CPG assoziiert sind – diese können grob in drei Kategorien gegliedert werden: 1. Krankheiten mit chronisch inflammatorischer Komponente (atopische Diathese, Asthma); 2. Entitäten, die mit chronischem Pruritus einhergehen (Diabetes, chronische Nierenkrankheiten); 3. Krankheiten, die vorwiegend bei älteren Personen auftreten (Osteoporose, kardiovaskuläre Krankheiten). Die Kausalität dieser Assoziation bleibt offen, ebenso der Effekt einer Behandlung dieser Komorbiditäten auf den CPG-Verlauf.
Das «carcinoid heart syndrome» (siehe CME) umfasst die Trias aus sekretorisch aktivem Karzinoidtumor, Rechtsherzinsuffizienz und fibrotischen Endokardveränderungen. Der entsprechende Zusammenhang wurde durch zwei Zürcher Ärzte erkannt und 1953 in der Schweizerischen Medizinischen Wochenschrift publiziert: «Drei eigene Beobachtungen von metastasierendem Dünndarmcarcinoid mit fast identischen Herzveränderungen – chronische fibrosierende Endocarditis der Tricuspidal- und Pulmonalklappen […] werden mitgeteilt. Es scheint sich um ein eigentliches Syndrom und nicht nur um ein rein zufälliges Zusammentreffen zu handeln.» Das Eponym geht auf einen der beiden Erstbeschreiber, den Pathologen Christoph Hedinger (1917–1999) zurück.
Schweiz Med Wochenschr. 1953, PMID: 13056533.
Verfasst am 5.11.23_HU
CME
Karzinoidsyndrom
Karzinoide sind seltene, neuroendokrine Tumoren, die vorwiegend im distalen Dünndarm respektive proximalen Kolon auftreten. Sie sezernieren vasoaktive Substanzen (Serotonin!), die zur typischen Klinik führen: Flushing, Bronchospasmus, Diarrhoe, Teleangiektasien.
Symptome werden in der Regel erst bei Vorhandensein von Lebermetastasten manifest: eine funktionale Leber metabolisiert die vasoaktiven Hormone.
Als ernste Komplikation bilden sich bei rund der Hälfte der Betroffenen plaqueartige Bindegewebsablagerungen – prädilektorisch an den rechtsseitigen Herzklappen mit Fibrosierung und Verdickung von Trikuspidal- und Pulmonalklappe («carcinoid heart disease»).
Diagnostisch wird der Serotoninmetabolit 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIAA) im 24-Stunden-Urin bestimmt – er gilt als guter Surrogatmarker für die Serotoninspiegel im Serum. Wichtig: verschiedene Medikamente (Paracetamol) und Nahrungsmittel (Nüsse, Früchte, Gemüse) beeinflussen den 5-HIAA-Spiegel. Sind diese Confounders ausgeschlossen, liegt die Spezifität von erhöhter 5-HIAA im Urin für ein Karzinoidsyndrom bei annähernd 100%.
Die Bestimmung zusätzlicher Marker (Chromogranin A) wird aufgrund der tiefen Spezifität als initialer diagnostischer Test nicht empfohlen.
Der Tumor wird mittels Computertomographie (CT) von Thorax und Abdomen lokalisiert, eventuell ergänzt mit einer Magnetresonanztomographie der Leber. Die metabolische Aktivität wird mit einer speziellen PET-CT-Untersuchung («DOTATATE»)* bestätigt, die immunhistochemische Charakterisierung erfolgt mittels Gewebebiopsie.
Die chirurgische Sanierung ist die erste Therapiewahl, auch für Metastasen. Bei nicht resezierbarem Stadium kommen Somatostatinanaloga, eine Radionuklidtherapie oder das Immunsuppressivum Everolimus zum Einsatz.
* Positronen-Emissions-Tomographie mit radioaktiv markiertem Somatostatinanalogon DOTATATE
Ist nach einer Antibiotikatherapie über sieben Tage ein Erysipel abgeheilt? 247 Patientinnen und Patienten mit Erysipel des Unterschenkels wurden oral oder intravenös mit Flucloxacillin durchschnittlich sieben Tage behandelt und bis Tag 10 nachverfolgt. Während die Entzündungsparameter (C-reaktives Protein, Neutrophilie) sich rasch nach 3–5 Tagen normalisierten, waren Schwellung, Rötung, Überwärmung und Schmerzen langsamer rückläufig. Rund ein Drittel der Behandelten beklagte auch noch nach zehn Tagen lokale Symptome. Die Botschaft: Die Patientin / der Patient sollte darüber informiert werden, dass die Lokalsymptome die Antibiotikatherapie überdauern können. Die Persistenz von Lokalsymptomen >7–10 Tage sollte nicht dazu verleiten, die Antibiotikadauer zu verlängern oder das Antibiotikum zu wechseln. Die Kontrolle von Entzündungsparametern ist dabei hilfreich.
Joseph Alpert, Kardiologe und Internist aus Arizona US, der um 1970 seine ersten Assistenzjahre absolvierte, zählt zehn bemerkenswerte Fortschritte der Medizin auf, die er miterleben durfte. Hier fünf davon: 1. Kardiologie: die 1-Monats-Letalität eines Herzinfarkts ist von 30 auf 6% gefallen dank Reperfusion, Statinen und anderem mehr; 2. HIV: in den Anfängen fast immer tödlich, hat sich dank der Entwicklung antiretroviraler Therapie zu einer Erkrankung mit normaler Lebensprognose verändert; 3. chronisch entzündliche Darmerkrankungen: früher als stressbedingt oder ausgelöst durch eine gestörte Beziehung zur Mutter angesehen, heute genetisch und molekular interpretiert und mit moderner Pharmakotherapie erfolgreich kontrolliert; 4. Geriatrie: 90-jährige Patientinnen und Patienten waren eine Rarität – heute sind viele 90-Jährige fit und munter – eine Folge des gesunden Lebensstils, der Prävention und Interventionen auch im Alter; 5. Tuberkulose: damals häufig in vielen Variationen, Sanatorien blühten, heute ist die Infektion fast vergessen, wird übersehen und Sanatorien gibt es nicht mehr …
In der Behandlung des fortgeschrittenen malignen Melanoms werden grosse Erfolge durch immunmodulierende Therapien erzielt. Es geht dabei darum, die Mechanismen des Melanoms auszuschalten, mit denen es sich unserem Immunsystem entzieht. Ein gut untersuchter Mechanismus ist die Produktion von «programmed death-ligand 1» (PD-L1) durch das Melanom, das zur Folge hat, dass die Aktivität zytotoxischer T-Zellen gedämpft wird. Mit Pembrolizumab (Keytruda®) kann dieser Effekt gehemmt und die Funktion der T-Zellen wiederhergestellt werden. Pembrolizumab scheint auch bei anderen Tumoren mit hoher Mutationsrate wirksam zu sein, es wird bereits seit zehn Jahren eingesetzt.
Unser Abwehrsystem wird durch die hohe Mutationsrate des Melanoms überfordert. Um das Immunsystem zu verstärken, wurde kürzlich eine personalisierte mRNA-Impfung (mRNA-4157) entwickelt, die gegen 34 Neoantigene des Melanoms gerichtet ist. «Personalisiert» bedeutet, dass das Genom jedes Melanoms vorerst sequenziert wird, um ausschliesslich diejenigen Mutationen in die mRNA-Impfung einzubauen, die patientenspezifisch beim Melanom exprimiert werden. Von der Gewebeentnahme bis zur Verabreichung des personalisierten mRNA-4157-Impfstoffes dauert es aktuell sechs Wochen.
Wenn bei Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko für Metastasierung (Stadien III+IV) nach der Resektion Pembrolizumab mit Placebo verglichen wurde, dann betrug das 3,5-Jahres-Überleben ohne Metastasen 65,3 versus 49,4% [1].
Wurde Pembrolizumab + mRNA-4157 mit Pembrolizumab verglichen, betrug das 18-Monats-Überleben ohne Metastasen 91,8 versus 76,8% [2]. Zu den häufigsten Nebenwirkungen in der Interventionsgruppe gehörten Müdigkeit, Fieber und Schmerzen an der Injektionsstelle. Autoimmunphänomene waren mit mRNA-4157 nicht häufiger.
Basierend auf diesen ermutigenden Resultaten wurde im Juli 2023 eine Phase-3-Studie mit Pembrolizumab + mRNA-4157 mit >1000 Studienteilnehmenden eingeleitet. Eingeschlossen werden Patientinnen und Patienten mit reseziertem Melanom Stadien IIB–IV. Es werden 9× mRNA-4157 (intramuskulär) alle drei Wochen und 9× Pembrolizumab (intravenös) verabreicht. Der primäre Endpunkt ist wie bisher das metastasenfreie Überleben. Die Resultate werden 2029 erwartet.
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