Weekly Briefing

Pyurie und Harnwegsinfektion

Prädiktiver diagnostischer Wert

Die Diagnose einer Harnwegsinfektion kann schwierig sein – vor allem bei älteren Patientinnen mit kognitiver Einschränkung, Inkontinenz und häufigem Vorliegen einer asymptomatischen Bakteriurie. Eine Fallkontrollstudie hat in diesem Kontext den Prädiktionswert von Leukozyten im Urin bei Frauen mit neuer Symptomatik (Pollakisurie, Harndrang, Dysurie) und kulturell nachgewiesenem Uropathogen analysiert: Diese zeigten signifikant höhere Leukozytenzahlen als die asymptomatischen Kontrollen (900 vs. 26/μl in der automatischen Messung). Das quantitative Ausmass der Leukozyturie ist diagnostisch entscheidend: Die positive Likelihood Ratio bei einem Cut-off von 10 Zellen/μl lag bei 1,6 – sie verbesserte sich bei 400/μl auf 9,5!
Clin Infect Dis. 2023, doi.org/10.1093/cid/ciad099.
Verfasst am 15.10.23_HU

Transientes Vorhofflimmern

Hohe Rezidivrate von 30%

Ein Drittel der Patientinnen und Patienten, bei denen im Rahmen einer Hospitalisation neu ein transientes Vorhofflimmern (tVHF) auftritt (d.h. sie verlassen das Spital im Sinusrhythmus), hat innerhalb eines Jahres ein Rezidiv. In einer Kohortenstudie (je 139 Patientinnen/Patienten und Kontrollen, mittleres Alter 71, 59% Männer) wurde ein erneutes VHF bei 33 vs. 5% der Kontrollen dokumentiert (relatives Risiko 6,6). Personen, bei denen im Rahmen einer Hospitalisation erstmals ein tVHF nachgewiesen wird, haben offenbar eine geringere Schwelle für weitere Episoden im Verlauf. Rechtfertigt dies schon eine Antikoagulation? Immerhin lag der mittlere CHADS-VASC-Score bei 3. Eine randomisierte Studie ist dazu unterwegs.
Ann Intern Med. 2023, doi.org/10.7326/M23-1411.
Verfasst am 15.10.23_HU

Vintage Corner

COPD und Clubbing? Think cancer!

Untersucht wurde die Prävalenz von Trommelschlegelfingern – Definition: Verhältnis von distalem zu interphalangealem Durchmesser >1,05 – bei 109 Personen mit bekanntem Lungenkrebs, 55 mit COPD (chronisch obstruktiver Lungenerkrankung) und 54 Kontrollen. In der Kontrollgruppe fand sich kein Clubbing. Drei Personen mit COPD und 30 mit Lungenkrebs hatten Trommelschlegelfinger. Signifikante Unterschiede in der Prävalenz des Clubbings zwischen verschiedenen Karzinom-(Ca-)Subtypen fanden sich nicht. Wichtig: Das Fehlen von Clubbing schliesst ein Lungen-Ca nicht aus. Clubbing im Rahmen einer COPD ist untypisch und erfordert einen Tumorausschluss: Die Likelihood Ratio für ein Lungen-Ca ist bei Trommelschlegelfingern erhöht (3,9).
Clin Exp Rheumatol. 1998, PMID: 9543557.
Verfasst am 16.10.23_HU
CME

Labordiagnostik bei Diabetes mellitus

Zu Diagnose und Management von Personen mit Diabetes mellitus (DM) stehen verschiedene Labortests zur Verfügung. Ein Expertenkomitee hat die wichtigsten Empfehlungen zusammengestellt:
  • Screening (bei hohem Risiko für DM): HbA1c, Nüchternglukose oder oraler Glukosetoleranztest. Bei normalen Werten (<5,7%, <5,6 mmol/l bzw. <7,8 mmol/l) Wiederholung alle drei Jahre.
  • Glukose: Das Verlaufsmonitoring (Therapieeinstellung) erfolgt nicht über die Messung der Plasmaglukose. Die Uringlukose hat keinen Stellenwert in der Routinediagnostik.
  • Kontinuierliche Glukosemessung: Primär bei Typ-1-DM in Betracht ziehen, wenn die glykämischen Zielwerte nicht erreicht werden oder häufige Hypoglykämie-Episoden bestehen.
  • Gestationsdiabetes: Alle Schwangeren sollten auf einen DM getestet werden – bei entsprechenden Risikofaktoren im Rahmen der ersten pränatalen Visite, alle anderen in Woche 24–28.
  • Ketonkörper (β-Hydroxybutyrat im Blut): Messen bei Risikofaktoren (Typ 1, stattgehabte diabetische Ketoazidose, Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren) und Vorliegen unklarer Hyperglykämien oder symptomatischer Ketose (Bauchschmerzen, Übelkeit).
  • HbA1c: Werte ≥6,5% sind diagnostisch für einen DM (5,7–6,4%: Prädiabetes); Kontrollen alle drei Monate bis zum Erreichen der individuellen Zielwerte, dann mindestens alle sechs Monate. Cave Störfaktoren (Erythrozyten-Turnover, Hämoglobinopathie). Therapieziel: <7,0%, höhere Werte bei Kindern, Adoleszenten und geriatrischen Patientinnen und Patienten.
  • Inselzell-Antikörper: bei unsicherer DM-Klassifikation mit phänotypischer Überlappung von Typ 1 und 2.
  • Urin-Albumin: jährlich mittels Albumin/Kreatinin-Quotient im Spoturin (erster Morgenurin), Beginn fünf Jahre nach Diagnosestellung bei Typ 1 bzw. unmittelbar bei Typ 2.
Diabetes Care. 2023, doi.org/10.2337/dci23-0048.
Verfasst am 15.10.23_HU

Hepatitis C in der Schwangerschaft

Vertikale Transmission

Eine Hepatitis-C-Virus-Infektion (HCV-Infektion) ist kein Grund, einer Frau von einer Schwangerschaft abzuraten. Es besteht aber ein gewisses Risiko einer vertikalen Transmission (VT), weshalb eine HCV-Eradikationstherapie vor einer Schwangerschaft empfohlen wird. Mit den direkt antiviral wirkenden Medikamenten ist die Therapie heute sowohl gut verträglich und als auch sehr wirksam.
Wäre es sinnvoll, eine HCV-Infektion sogar während einer Schwangerschaft zu behandeln, um eine Übertragung auf das Kind zu verhindern? Basierend auf Daten aus drei prospektiven europäischen Kohorten wird in zwei Publikationen dazu Stellung genommen [1, 2]. Bei den Kindern von 1749 Müttern mit chronischer HCV-Infektion wurde analysiert, wie häufig eine VT stattfindet [1]. Ein Neugeborenes galt als infiziert, wenn nach 18 Monaten Anti-HCV-Antikörper nachweisbar waren und in dieser Zeitspanne zwei positive HCV-RNS-Resultate gemessen wurden. Bei Müttern ohne HIV-Infektion betrug die Häufigkeit einer VT 7,2%, bei Müttern mit HIV-Co-Infektion 12,1%. Berücksichtigt man, dass bei >50% der infizierten Kinder innerhalb von fünf Jahren eine spontane Heilung stattfindet, so resultiert eine deutlich kleinere Zahl von HCV-infizierten Kindern. Die korrigierte, effektive Rate von VT beträgt nur noch 2,4% (statt 7,2%) und 4,1% (statt 12,1%). Diese niedrige Rate rechtfertigt eine HCV-Therapie während der Schwangerschaft nicht.
Bei 179 HCV-infizierten Neugeborenen wurden noch weitere Daten erhoben [2]. Die Höhe der HCV-RNS kurz nach der Geburt liess eine Schätzung zu, wann die VT stattfand: bei 24,8% in der Frühschwangerschaft, bei 66% in der Spätschwangerschaft und bei 9,2% bei der Geburt. Die spontane Heilungsrate ist im ersten Jahr sehr hoch, nach drei Jahren finden Heilungen nur noch gelegentlich statt. Nach fünf Jahren sind 65,9% ohne Therapie von HCV geheilt. Wenn man berechnet, wie häufig man Kinder unnötig mit einer Anti-HCV-Therapie behandelt hätte, so sind es bei Therapie im Alter von sechs Monaten 59%, im Alter von 18 Monaten 40% und im Alter von drei Jahren 21%. Eine Anti-HCV-Therapie der HCV-infizierten Kinder ist deshalb vor dem dritten Geburtstag kaum zu rechtfertigen.
1 Clin Infect Dis. 2023, doi.org/10.1093/cid/ciac270.
2 Clin Infect Dis. 2023, doi.org/10.1093/cid/ciac255.
Verfasst am 18.10.23_MK
Überraschung
Tendinitis calcarea Schultergelenk mit kräftigem, scholligem Depot im Ansatzbereich der Supraspinatussehne.
Hellerhoff,CC BY-SA 4.0,via Wikimedia Commons.

Tendinitis calcarea

Die Tendinitis calcarea (Tc) ist eine schmerzhafte Schultererkrankung, die durch Ablagerung von Calciumhydroxylapatit in den Sehnen der Rotatorenmanschette charakterisiert ist. Im Anfangsstadium lindern Kühlung, nichtsteroidale Antirheumatika und Physiotherapie die Schmerzen. Der Verlauf ist selbstlimitierend, gelegentlich sogar mit spontaner Resorption der Kalkdeposits. Manchmal ist der Verlauf aber schleppend und chronisch. Dann werden intraartikuläre (i.a.) Manipulationen, extrakorporale Schockwellen und/oder operative Methoden bevorzugt. Die beliebteste i.a. Manipulation ist die ultraschallgesteuerte Punktion der Kalkablagerungen, worauf das Gelenk mit Kochsalzlösung ausgewaschen wird, bis die Spülflüssigkeit klar ist. Abschliessend erfolgt eine i.a. Injektion eines Kortikosteroids. Der Eingriff erfolgt ambulant.
In einer norwegischen Studie wurde bei 220 Patientinnen und Patienten evaluiert, ob die Lavage des Kalks und i.a. Steroide einen therapeutischen Effekt zeigen. Dies wurde in drei Gruppen untersucht. In der ersten Gruppe (n = 73) erfolgten beide Interventionsschritte: Lavage, anschliessend 20 mg Triamcinolon + 90 mg Lidocain i.a. In der zweiten Gruppe (n = 74) wurde eine Pseudolavage durchgeführt (= Sham-Lavage), gefolgt von 20 mg Triamcinolon + 90 mg Lidocain i.a. In der dritten «Nicht-Interventions»-Gruppe (n = 73) wurde nach der Sham-Lavage nur Lidocain i.a. verabreicht. Nach vier Monaten wurden anhand des «Oxford Shoulder Score», des QuickDASH-Tests und von Schmerzskalen bei Nacht, Tag und Aktivität die Resultate miteinander verglichen. Gegenüber der «Nicht-Interventions»-Gruppe zeigte weder die Lavage/Steroid-Gruppe noch die Sham-Lavage/Steroid-Gruppe signifikante Unterschiede. Die Resultate, die auch noch nach 8,12 und 24 Monaten erfasst wurden, zeigten keine Vorteile der Interventionen.
Es überrascht, dass weder Lavage + Steroidinjektion noch Sham-Lavage + Steroidinjektion besser sind als eine Sham-Lavage. Bisherige Berichte waren positiv für beide Interventionen, allerdings ohne Vorliegen von grösseren Fallzahlen oder randomisierten Studien. Für Richtlinien dürften diese Studie bedeutend sein. Einschränkend ist festzuhalten, dass keine echte Placebogruppe eingeschlossen wurde, bei der keine i.a. Manipulationen erfolgten. Der Placeboeffekt von Sham-Prozeduren ist nicht zu unterschätzen.
BMJ. 2023, doi.org/10.1136/bmj-2023-076447.
Verfasst am 16.10.23_MK