a Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital, Universitätsspital Bern; b Universität Bern; c Universitäres Herzzentrum, Universitätsspital Zürich (USZ), Zürich; d Klinik für Kardiologie, USZ, Zürich; e Universität Zürich; f Medizinische Poliklinik, Universitätsspital Basel (USB), Basel; g Universitäres Herzzentrum Basel, USB, Basel
Ein Rauchstopp kann die Lebenserwartung verlängern und die Lebensqualität erhöhen. Da Nikotin eine starke Abhängigkeit verursacht, kann das für die meisten Patientinnen und Patienten ein sehr schwieriger Prozess sein. Evidenzbasierte Pharmakotherapie kann in dieser Situation zu einer Erhöhung der Abstinenzraten beitragen.
Einleitung
Das Rauchen von Tabakzigaretten ist nach wie vor ein schwerwiegendes Problem der öffentlichen Gesundheit und verursacht jedes Jahr mehr als 9000 Todesfälle in der Schweiz [1]. Obwohl es die wichtigste vermeidbare Ursache von Krankheiten und vorzeitigem Tod darstellt [2–4], rauchen in der Schweiz weiterhin circa 30% der Bevölkerung und diese Zahlen sind in den letzten Jahren unverändert geblieben [1]. Die Mehrheit der Raucherinnen und Raucher wünscht sich, mit dem Rauchen aufzuhören, doch sind die durch das Nikotin verursachte Abhängigkeit sowie die oft langjährigen Routinen, die zum fortgesetzten Konsum von Zigaretten führen, sehr schwer zu überwinden und anhaltende Abstinenzraten sind vor allem ohne medikamentöse Unterstützung sehr niedrig (2–5%) [5–7]. Neben nichtpharmakologischen Massnahmen wie zum Beispiel kognitiver Verhaltenstherapie und Motivationsgesprächen [3, 6] kann eine pharmakologische Unterstützung den Nikotinentzug erleichtern und die Chancen für einen erfolgreichen Rauchstopp signifikant erhöhen. In diesem Artikel werden die Grundlagen der medikamentösen Unterstützung bei Tabakentwöhnung zusammengestellt.
Zugelassene medikamentöse Optionen zur Unterstützung des Rauchstopps
Zu den aktuell in der Schweiz zugelassenen und evidenzbasierten Pharmakotherapien gehören die Nikotinersatzprodukte, der partielle nikotinerge Acetylcholin-(nACh-)α4β2-Rezeptor-Agonist Vareniclin und der Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Bupropion [8] (Tab. 1).
Tabelle 1: Übersicht der aktuell in der Schweiz zugelassenen medikamentösen Unterstützungsmöglichkeiten bei Rauchstopp [8, 9]1
Vorsicht bei Situationen wie schweren kardiovaskulären Erkrankungen, schwerer Arrhythmie, instabiler Angina, frischem Myokardinfarkt, Schlaganfall, systemischen Hauterkrankungen (Pflaster), Schwangerschaft/Stillzeit (Nikotinersatz erwägen, wenn andere Methoden nicht erfolgreich [fortgeführter Zigarettenkonsum als Alternative schädlicher]), kurzwirksame Produkte vorziehen)
Tag 1–3: 1 × 0,5 mg, Tag 4–7: 2 × 0,5 mg, dann 2 × 1 mg für 11 Wochen Rauchstopp 7–14 Tage nach Therapiebeginn Niereninsuffizienz (GFR<30ml/min): maximal 1 mg/Tag
Vorsicht u.a. bei psychiatrischen Erkrankungen, Schwangerschaft/Stillzeit Dosisanpassung bei schwerer Niereninsuffizienz Kann Schwindel/Schläfrigkeit verursachen (Cave: Fahrtauglichkeit, Bedienung von Maschinen)
1 Tbl. (150 mg/Tag) für 6 Tage, dann 2 Tbl./Tag (Abstand mindestens 8 Stunden) für 7–11 Wochen, Rauchstopp in der 2. Behandlungswoche Nieren-/Leberinsuffizienz: Vorsicht, empfohlene Dosis 150 mg/Tag
Kontraindikationen: Epilepsie bzw. erhöhtes Risiko für Epilepsieanfälle, schwere Leberzirrhose, bipolare Störung, Kombination mit MAO-Hemmern. Vorsicht u.a. bei Schwangerschaft (Nutzen-Risiken abwägen)
1 Für eine vollständige Auflistung von unerwünschten Wirkungen, Kontraindikationen und Interaktionen ist die offizielle Fachinformation [8] zu konsultieren.CYP: Cytochrom P450; GFR: glomeruläre Filtrationsrate; MAO: Monoaminooxidase; OCT: organischer Kationentransporter; Tbl.: Tablette.
Nikotinersatztherapie
Nikotinersatzprodukte ermöglichen eine Substitution der Nikotinaufnahme ohne die toxischen Beiprodukte des Tabakrauchs [5]. In der Schweiz verfügbar sind Nikotinpflaster, -kaugummis, -inhalator, -mundspray, -lutsch- und -sublingualtabletten [8]. Alle sind in der Schweiz ohne Rezept erhältlich, die Kosten werden von der Krankenkasse grundsätzlich nicht übernommen (einzelne Zusatzversicherungen als mögliche Ausnahme). Obwohl diese Produkte eine Substitution von Nikotin ohne Inhalation der durch die Tabakverbrennung erzeugten karzinogenen und anderweitig toxischen Stoffe ermöglichen, sind die damit erreichten maximalen Nikotinplasmakonzentrationen niedriger und das Anfluten von Nikotin ist langsamer als beim Rauchen, was zum niedrigeren Abhängigkeitspotential dieser Produkte beiträgt [3]. Nikotinersatzprodukte können auch im Rahmen einer Hospitalisation zur Dämpfung von Entzugssymptomen eingesetzt werden [10] (Nikotinpflaster wurden in Studien auch bei Patientinnen und Patienten mit akutem Myokardsyndrom verwendet [11]). Als Hilfe für die Auswahl einer ausreichenden Dosierung können die Anzahl Zigaretten pro Tag und die Zeit bis zur ersten Zigarette am Morgen dienen [5, 6, 9, 12]. Pflaster sind zur Verwendung über 24 Stunden (Wechsel jeden Morgen) oder 16 Stunden (Entfernung in der Nacht, um die Nikotinpause während des Schlafens zu simulieren) verfügbar. Beide Präparate (16- und 24-Stunden-Pflaster) scheinen ähnlich wirksam zu sein [6], die Auswahl zwischen den zwei kann abhängig davon sein, ob man auch nachts aufsteht, um zu rauchen, oder ob das Pflaster nachts Schlafprobleme verursacht [5, 6]. Nikotinpflaster sind in drei Stärken erhältlich, zu Beginn der Behandlung kann die hohe Dosis ausgewählt werden, mit einer schrittweisen Reduktion respektive einem Ausschleichen im Verlauf. Beim Pflaster handelt es sich um ein langwirksames Produkt, die maximalen Konzentrationen werden erst Stunden nach Applikation erreicht und es ist keine Anpassung der Dosis möglich, falls ein starkes Verlangen nach Rauchen tagsüber auftritt [7, 8, 13]. Deswegen ist vor allem bei starker Abhängigkeit (>20 Zigaretten/Tag oder erste Zigarette innert 30 Minuten nach dem Aufstehen) eine Kombinationstherapie empfohlen, mit Pflaster als Basis kombiniert mit einem kurzwirksamen Produkt (Kaugummi, Inhaler, Spray oder Lutschtabletten) für Nikotinkonzentration-«Peaks» (mit den meisten kurzwirksamen Produkten innert 20–30 Minuten erreicht) bei Bedarf tagsüber. Die Kombinationstherapie ist auch bei mittelschwerer Abhängigkeit sinnvoll, da sie einer Monotherapie überlegen ist [3]. Kurzwirksame Produkte können am Anfang der Rauchentwöhnung auch fix alle 1–2 Stunden verwendet werden, mit Ausschleichen der Dosis im Verlauf [6, 8]. Die Nikotinersatztherapie kann gemäss Metaanalysen die Erfolgsraten beim Rauchstopp mehr als verdoppeln [9, 14, 15], mit höheren Abstinenzraten bei Kombinationstherapie verglichen zu einem Präparat allein [3, 6, 15, 16]. Empfohlen wird eine Substitutionsdauer von 8–12 Wochen [6, 8, 9], obwohl manche Raucherinnen und Raucher von einer längeren Behandlungsdauer profitieren könnten [5–8]. Der Rauchstopp wird meistens gleichzeitig mit dem Beginn der Behandlung empfohlen, was aber nicht zwingend erforderlich ist. Zum Teil wurden positive Resultate in Studien mit Verwendung von Pflastern vor dem Rauchstoppdatum zum sogenannten «Pretreatment» analog zum Vorgehen bei Vareniclin oder Bupropion gezeigt [17]. Nikotinersatzprodukte sind in der Regel gut verträglich, die häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen sind lokale Reizungen (enoral oder dermal) durch das Nikotin; die Applikationsstelle des Pflasters sollte aus diesem Grund jeden Tag gewechselt werden [6, 8]. Da Nikotin eine basische Substanz ist, sollte der Konsum von sauren Getränken (Kaffee, Säfte) kurz vor der Verwendung oraler Nikotinersatzpräparate vermieden werden (Verminderung der Nikotinabsorption) [6]. Des Weiteren ist auf eine richtige Anwendung zu achten: Bei den Kaugummis zum Beispie ist die «park and chew»-Technik zu beachten (langsam kauen über 10–15 Sekunden, anschliessend zwischen Zahnfleisch und Wange deponieren und ruhen lassen, bis der Geschmack nachlässt, Wiederholung während 20–30 Minuten) [9] und beim Mundspray das Sprühen in Richtung Wange statt Rachen, um einen zu starken Geschmack und gastritische Beschwerden zu vermeiden.
Neben nichtpharmakologischen Massnahmen kann eine pharmakologische Unterstützung den Nikotinentzug erleichtern.
Vareniclin (in der Schweiz vermarktet als Champix®) ist ein partieller Agonist am nACh-α4β2-Rezeptor, der ursächlich an der Nikotinabhängikeit beteiligt ist. Vareniclin kann die Erfolgsraten beim Rauchstopp mehr als zweimal erhöhen (Abstinenzraten in Studien circa 40% nach drei Monaten, jedoch niedriger [22–25%] nach sechs oder zwölf Monaten) [8, 12, 18, 19]. Höhere Abstinenzraten nach drei Monaten (60%) wurden in einer kürzlich publizierten Studie aus Basel berichtet, unter jedoch engmaschiger Betreuung mit wöchentlichen Kontrollen (Vareniclin zusätzlich zu Placebo oder einem Glucagon-like-Peptide-[GLP-]1-Analogon gegeben, ähnliche Abstinenzraten in beiden Gruppen) [20]. Durch seinen Wirkmechanismus kann Vareniclin die Entzugssymptome lindern, aber auch die positiven Effekte im Falle einer erneuten Exposition gegenüber Nikotin respektive Tabakzigaretten entkoppeln. Im Vergleich zu den anderen Behandlungsmethoden scheint Vareniclin wirksamer als Bupropion oder ein Nikotinersatzprodukt allein und ähnlich wirksam wie eine Nikotinersatz-Kombinationstherapie zu sein [5, 7, 16, 19, 21]. Auch bei Patientinnen und Patienten mit mässiger Motivation zum Rauchstopp, die einverstanden waren, Vareniclin ergebnisoffen, das heisst ohne vereinbartes Stoppdatum, einzunehmen, konnten Abstinenzraten von bis zu 30–40% erreicht werden [22]. Gemäss Studien, welche die gleichzeitige Behandlung mit Vareniclin und Nikotinersatztherapie (Pflaster) evaluiert haben, könnte die Kombination einen Vorteil bezüglich Abstinenzrate haben, bei jedoch gegebenenfalls vermehrten unerwünschten Wirkungen [23].
Vareniclin ist ein Derivat des Cytisins, eines natürlichen Alkaloides von Cytisum laburnum («Goldregen»), und aktiviert als partieller Agonist die nACh-α4β2-Rezeptoren mit einer maximalen Wirkung von circa 50% im Vergleich zu Nikotin [6]. Die Dosierung erfolgt nach Schema (Tag 1–3: 1 × 0,5mg, Tag 4–7: 2 × 0,5 mg, dann 2 × 1 mg für drei Monate), der Rauchstopp sollte idealerweise in der zweiten Behandlungswoche stattfinden [8]. Eine häufige unerwünschte Wirkung ist Übelkeit (~30%) [8], dagegen kann die Einnahme mit zwei Gläsern Wasser oder einer Mahlzeit oder eine Dosisreduktion [6, 21] helfen. Weiter berichtet werden Kopfschmerzen, ungewöhnliche Träume/Schlaflosigkeit und neuropsychologische Störungen [8]. Frühere Berichte über Depression bis zu Suizidalität unter der Anwendung von Vareniclin, die zu einer Black-Box-Warnung der amerikanischen «Food and Drug Administration» (FDA) von 2009 bis 2016 geführt hatten, wurden in späteren Analysen nicht bestätigt beziehungsweise diese zeigten, dass der Nutzen allfällige Risiken überwiegt [5–7, 21, 24]. Dennoch sind weiterhin vor allem bei anamnestischen Hinweisen für solche Symptome und Erkrankungen eine Risikoabwägung und eine engmaschige Kontrolle auf neuropsychiatrische Symptome während der Therapie empfohlen [8]. Bezüglich der kardiovaskulären Sicherheit zeigten sich in grossen Studien keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko unter Vareniclin im Vergleich zu anderen Behandlungen [25] und es wurde auch bei Patientinnen und Patienten direkt nach einem akuten Koronarsyndrom untersucht [26]. Vareniclin wird vorwiegend renal eliminiert (>90% unverändert via den organischen Kationentransporter [OCT] 2), somit sind keine klinisch relevanten pharmakokinetischen Interaktionen mit anderen Substanzen zu erwarten, bei Niereninsuffizienz ist jedoch eine Dosisreduktion indiziert (maximal 1 mg/Tag bei glomerulärer Filtrationsrate (GFR) <30 ml/min) [8]. Vareniclin ist in der Schweiz als «B+» gelistet und kann auch von Pharmazeutinnen und Pharmazeuten abgegeben werden, jedoch mit entsprechender Dokumentation und Nachkontrolle [27]. Mit ärztlichem Rezept können die Behandlungskosten von der Krankenkasse einmal in einem Zeitraum von 18 Monaten übernommen werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Diese Kriterien beinhalten das Vorliegen einer Nikotinabhängigkeit nach dem «Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders» (DSM-IV) oder der «International Classification of Diseases» (ICD-10) (drei oder mehr Kriterien sollten gleichzeitig vorhanden sein) und einen Score von ≥6 beim Fagerström-Test oder eine tabakinduzierte Pathologie [28]. Seit 2021 ist Champix® aufgrund eines Rückrufs aller Produkte wegen eines Produktionsproblems (Verunreinigung mit Nitrosaminen) nicht erhältlich [29], was zu einer Lücke bei der Versorgung von Raucherinnen und Rauchern geführt hat. Ein genaues Datum, wann es in der Schweiz wieder erhältlich sein wird, ist nicht bekannt, gemäss letzter Anfrage bei der Firma erst 2024 (Stand der Information: Juni 2023). Neu sind Generika wie das APO-Varenicline® aus Kanada erhältlich (längere Lieferungszeiten bei Bestellung vom Ausland). Eine weitere Alternative stellen Cytisin-Präparate dar, die nicht in der Schweiz, jedoch in anderen europäischen Ländern durch die «European Medical Agency» (EMA) zugelassen sind (zum Beispiel als Desmoxan®/Asmoken® oder Tabex®) und auch als Galenikum im Tessin produziert werden. Cytisin-Präparate haben sich in klinischen Studien als ähnlich wirksam wie Vareniclin bei der Tabakentwöhnung erwiesen [7, 30, 31]. Cytisin wird schon seit längerer Zeit vor allem in osteuropäischen Ländern verwendet (Tabex® 1964 zuerst in Bulgarien eingeführt, seit 2013 Desmoxan® in Polen, seit 2017 Cravv® in Kanada) [30, 32]. In Deutschland ist zusätzlich seit Ende 2020 Asmoken® erhältlich (identischer Hersteller wie Desmoxan®). Cytisin-Präparate werden gemäss Schema über insgesamt 25 Tage eingenommen, ein Rauchstopp sollte, wenn möglich, spätestens am Tag 5 angestrebt werden [30]. Das Schema lautet exemplarisch für Asmoken® wie folgt, wobei eine Tablette 1,5 mg entspricht [33]:
Tag 1–3: 1 Tablette alle 2 Stunden über die Wachphase verteilt (maximal 6 Tabletten)
Tag 4–12: 1 Tablette alle 2,5 Stunden über die Wachphase verteilt (maximal 5 Tabletten)
Tag 13–16: 1 Tablette alle 3 Stunden (maximal 4 Tabletten)
Tag 17–20: 1 Tablette alle 5 Stunden (maximal 3 Tabletten)
Tag 21–25: 1 Tablette alle 6 Stunden (2/Tag)
Die Dosierungsschemata sind für die anderen Cytisin-Präparate ähnlich, basierend auf den Resultaten der ORCA-1-Studie, die ein einfacheres Schema von 3 × 3 mg mit guten Resultaten verwendete [34], wird dieses einfachere Dosierungsschema jedoch nun in Phase-3-Studien verwendet. Bei nicht gelungenem Rauchstopp wird ein Abbruch der Behandlung empfohlen, mit einem erneuten Versuch zu einem späteren Zeitpunkt (nach 2–3 Monaten) [33].
Diese Alternativen zu Champix® können von Apotheken in der Schweiz importiert oder im Tessin organisiert werden (Cytisin auch als Magistralrezeptur erhältlich); da sie in der Schweiz jedoch nicht zugelassen sind, gilt eine Behandlung damit als «off-label use». Hierbei liegt die Verantwortung allein bei der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt, entsprechend sind unter anderem auch die Aufklärung der Patientinnen und Patienten sowie die Dokumentation wichtig. Erfahrungen bezüglich einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse sind noch limitiert respektive diese kann mit Kostengutsprachen und entsprechender Argumentation bei fehlenden zugelassenen Alternativen versucht werden.
Bupropion
Bupropion ist ein Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer, der in der Schweiz als Wellbutrin XR® für die Behandlung einer Depression und als Zyban® zur Rauchentwöhnung zugelassen ist [8]. Bei Letzterem kam es in den vergangenen Monaten ebenfalls zu Lieferengpässen, laut der Firma liegt der Lieferunterbruch an Logistikproblemen und das Präparat sollte bald wieder verfügbar sein (Stand der Information: Juni 2023). Obwohl Bupropion der Wirkstoff in Zyban® und Wellbutrin XR® ist, gibt es Unterschiede zwischen den beiden Präparaten unter anderem bezüglich der zugelassenen Indikation und des Zeitabstands zwischen den Einnahmen [8]. Bei Verwendung von Wellbutrin XR® statt Zyban® zur Rauchentwöhnung würde es sich um einen «off-label use» (s. oben) handeln, da das Erstere nicht zur Rauchentwöhnung zugelassen ist [8]. Im Rahmen der Rauchentwöhnung erfolgt die Dosierung von Zyban® nach Schema (1 Tablette à 150 mg/Tag für 6 Tage, dann 2 Tabletten/Tag für 7 Wochen), der Rauchstopp sollte wie bei Vareniclin an einem Tag in der zweiten Behandlungswoche erfolgen [8]. Bupropion kann als unerwünschte Wirkungen Schlaflosigkeit (30%), Kopfschmerzen (13%), Mundtrockenheit (12%), Übelkeit/Erbrechen (10%) und Krampfanfälle (0,1%) verursachen, Kontraindikationen sind unter anderem eine bekannte Epilepsie, bipolare Störung, schwere Leberzirrhose und die Kombination mit Monoaminooxidase-(MAO-)Hemmern [8, 12]. Bupropion ist ein Cytochrom P450(CYP)2B6-Substrat und ein CYP2D6-Inhibitor, somit kann es zu pharmakokinetischen Interaktionen mit anderen Substanzen kommen (zum Beispiel Hemmung des Abbaus von manchen Betablockern) [8]. Ausserdem sind pharmakodynamische Interaktionen bei Kombination mit Krampfschwellen-senkenden Substanzen (unter anderem Neuroleptika) möglich. Bupropion ist rezeptpflichtig, ähnlich wie für das Vareniclin können die Behandlungskosten einmal in einem Zeitraum von 18 Monaten von den Krankenkassen übernommen werden, wenn die oben erwähnten Kriterien erfüllt sind. Bupropion ist gemäss Studien weniger wirksam als Vareniclin [16, 35], kann jedoch auch in Kombination mit Nikotinersatztherapie verwendet werden (etwa um Craving-Erscheinungen zu mildern) [5, 9].
Ausblick: potentielle zukünftige Therapien und Unterstützungsmöglichkeiten
Die weiterhin niedrigen langfristigen Abstinenzraten trotz der obengenannten Unterstützungsmöglichkeiten unterstreichen die Wichtigkeit von neuen respektive alternativen Behandlungsoptionen, die bei speziellen Subpopulationen oder Versagen der aktuell etablierten Methoden versucht werden könnten. Neben dem oben erwähnten Cytisin stellen aktuell vor allem das trizyklische Antidepressivum Nortriptylin und der α2-Agonist Clonidin potentielle alternative Behandlungsoptionen dar. Beide sind für den Rauchstopp momentan nicht zugelassen, gemäss der aktuellen (jedoch noch spärlichen) Datenlage scheinen sie aber die Abstinenzraten zu erhöhen [16, 35]. Bei beiden könnten die möglichen unerwünschten Wirkungen ein Nachteil respektive eine Limitation für die Verwendung darstellen (vor allem anticholinerge Effekte bei Nortriptylin, Sedierung bei Clonidin) [16, 35]. Nikotinimpfungen mit Antikörpern, die das Nikotin in der Peripherie binden und die zentralen euphorisierenden Effekte reduzieren würden, könnten einen neuartigen Ansatz in der Therapie der Tabakentwöhnung darstellen, bis jetzt sind aber keine zugelassen [36].
Elektronische Zigaretten (E-Zigaretten, Vaporiser oder E-Dampfer genannt) sind elektronische Geräte, die eine meist nikotinhaltige Flüssigkeit («e-liquid») verdampfen und dadurch eine Nikotinaufnahme ermöglichen, weitgehend ohne krebserregende Stoffe durch Tabakverbrennung zu erzeugen. Obwohl diese eine Unterstützungsoption oder Alternative beispielsweise für Patientinnen und Patienten darstellen könnten, die die bereits etablierten Methoden (Vareniclin, Bupropion, Nikotinersatzprodukte) nicht tolerieren oder nicht akzeptieren, sind die Daten zu ihrer Wirksamkeit zum Rauchstopp und vor allem zu den langfristigen Gesundheitsrisiken noch spärlich. Somit werden diese Produkte aktuell in den offiziellen Rauchstoppempfehlungen der meisten Länder (Ausnahme: zum Beispiel Vereinigtes Königreich [UK]) nicht erwähnt respektive empfohlen. Gemäss einem Cochrane-Übersichtsartikel [37], der regelmässig aktualisiert wird, um neue Studien miteinzuschliessen, scheinen E-Zigaretten, die e-liquids mit Nikotin verwenden, besser wirksam zu sein als Nikotinersatzprodukte, ohne relevante unerwünschte Wirkungen bei sachgerechter Anwendung zu verursachen (die Fälle von Lungenschädigung im Zusammenhang mit E-Zigaretten in den Vereinigten Staaten 2019 wurden im Verlauf mit Cannabislösungen beziehungsweise Vitamin-E-Acetat-Verunreinigungen in Verbindung gebracht [37]). Mehr Studien und langfristige Daten sind aber nötig, bevor definitive Empfehlungen abgegeben werden können. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es sich bei den E-Zigaretten nicht um ein Medizinalprodukt, sondern um einen äusserst dynamischen Markt mit sehr vielen, nicht standardisierten Produkten handelt. Raucherinnen und Raucher, die einen Rauchstoppversuch mit E-Zigaretten unternehmen wollen, sollten aufgeklärt werden, dass ein «dual use» von Tabak- und E-Zigaretten zu vermeiden ist, da die Exposition gegenüber Karzinogenen dadurch praktisch unverändert bleibt [38] und das tabakassoziierte Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen nicht linear verläuft (bereits mit einer Zigarette circa 50% des Risikos von 20 Zigaretten/Tag) [39].
Praktisches Vorgehen
Ein Rauchstopp kann in jeder Altersgruppe gesundheitliche Schäden reduzieren und die Lebenserwartung und -qualität erhöhen. Es ist deswegen empfohlen, dass alle Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten fragen, ob sie rauchen, und eine klare Empfehlung zum Rauchstopp abgeben [7, 9]. Dabei kann man sich am «5A»-Modell orientieren [7, 9, 40]:
Ask: Raucherinnen und Raucher identifizieren
Assess: Evaluation der Abhängigkeit, Motivation und früherer Rauchstoppversuche
Advise: Klare Empfehlung, das Rauchen einzustellen
Assist: Unterstützung beim Rauchstopp
Arrange follow-up: Begleitung im Rahmen von Nachkontrollen
Die Abhängigkeit kann mittels des Fagerström-Fragebogens evaluiert werden [41], alternativ können lediglich die Fragen nach Anzahl Zigaretten/Tag und Zeit bis zur ersten Zigarette am Morgen gestellt werden. Obwohl Rauchstoppberatung im Prinzip eine Grundversorgerleistung ist, kann bei fehlender Zeit im klinischen Alltag oder ungenügendem Wissen über die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten zur Rauchentwöhnung auch dem «AAR»-Modell (Ask-Advise-Refer) gefolgt werden mit einer Überweisung der Patientinnen und Patienten für die weitere Behandlung [6, 7]. Entsprechende Rauchstoppsprechstunden werden in den meisten Universitäts- und Kantonsspitälern, aber auch in Regionalspitälern, Fachkliniken und Praxen angeboten, zum Teil auch mit Service für spezielle Patientengruppen wie Schwangere. Neben solchen Sprechstunden können auch die Angebote zur Rauchstoppberatung durch Gesundheitsfachpersonen der Lungen- und Krebs-Ligen, telefonische Beratungen (Rauchstopplinie: 0848 000 181) und internetbasierte Interventionen (zum Beispiel www.stop-smoking.ch) den Patientinnen und Patienten empfohlen werden. Die Kombination von Pharmakotherapie und Verhaltenstherapie kann die Abstinenzrate weiter erhöhen [42], rauchstoppwilligen Personen sollten, wenn immer möglich, beide Behandlungstrategien angeboten werden.
Das Wichtigste für die Praxis
Ein nachhaltiger Rauchstopp kann wegen der starken Nikotinabhängigkeit sehr schwierig sein, eine medikamentöse Unterstützung kann die Erfolgschance aber mehr als verdoppeln.
Anhand von Studien ist die erste Wahl Vareniclin oder kombinierter Nikotinersatz (langwirksame [Pflaster] und kurzwirksame [wie Kaugummi, Mundspray, Inhaler] Formen), alternativ (je nach Kosten, Präferenz der Betroffenen, Komorbiditäten, unerwünschten Wirkungen etc.) kommen Bupropion (Zyban®) oder ein Nikotinersatzprodukt allein infrage.
Anstelle von Champix® (aktuell Lieferprobleme) kann Cytisin oder ein Vareniclin-Generikum aus dem Ausland eingesetzt werden.
Prof. Dr. med. Evangelia Liakoni
Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital, Universitätsspital Bern, Bern
Verdankung
EL bedankt sich bei der Spitalapotheke des Inselspitals für die unermüdlichen Nachfragen bei den Firmen bezüglich Lieferbarkeit der verschiedenen Produkte.
Disclosure Statement
EL hat akademische Unterstützung für die Untersuchung der Pharmakologie und Toxikologie von E-Zigaretten wie auch Vorträge und Workshops zum Thema Rauchentwöhnung und Nikotinabgabesysteme an akademischen Veranstaltungen deklariert. EL, IS und TB haben deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel zu haben.
Korrespondenz
Prof. Dr. med. Evangelia Liakoni
Klinische Pharmakologie & Toxikologie
Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin
Universitätsspital, Inselspital Bern
CH-3010 Bern
evangelia.liakoni[at]insel.ch
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