Schlafprobleme im Leistungssport
So häufig wie in der Allgemeinbevölkerung

Schlafprobleme im Leistungssport

Übersichtsartikel
Ausgabe
2022/1112
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.08941
Swiss Med Forum. 2022;22(1112):198-203

Affiliations
a Schlaf-Wach-Epilepsie-Zentrum (SWEZ), Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital, Bern, und NeuroTec, Bern; b Institut für Sportwissenschaft, Universität Bern, Bern; c European Sleep Foundation, Villa Saroli, Lugano; d Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital, Bern

Publiziert am 15.03.2022

Obwohl «kerngesund», haben auch Leistungssporttreibende mit Schlafproblemen zu kämpfen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Ursachen sowie der Frage nach Behandlungsmöglichkeiten.

Einführung

Neben Ernährung und Bewegung ist Schlaf die dritte allgemeine Säule der Gesundheit (Abb. 1). Während die ersten beiden in der Vergangenheit ausgiebig zur sportlichen Optimierung genutzt wurden, bietet der Schlaf noch viel Potenzial zur sportlichen Leistungssteigerung.
Abbildung 1: Schlaf als Grundpfeiler der Gesundheit. Prozentuale Veränderung der Gesamtsterblichkeit durch die Umstellung auf eine gesunde Ernährung, Bewegung und angepasstes Schlafverhalten [6–8].
Es besteht kein Zweifel daran, dass eine gute Schlafqualität für die Regeneration, Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Sportlerinnen und Sportlern essentiell ist [1]. So mag es zunächst überraschen, dass Schlafpro­bleme im Profisport genauso verbreitet sind wie in der übrigen Bevölkerung, denn sportliche Aktivität wird durchaus als therapeutische Intervention bei Menschen mit Schlafproblemen angewendet [2]. Doch insbesondere Leistungssportlertreibende berichten von unzureichender Schlafmenge und -qualität aufgrund von Trainingsplänen und Wettkampfstress [3, 4]. Die Schlafgesundheit von Sportlerinnen und Sportlern kann durch eine systematische Untersuchung und Beratung bei Schlafproblemen, die Einbettung des Schlafs in den Trainingsplan und massgeschneiderte Schlafempfehlungen in Bezug auf Schlafroutinen, Veränderungen der Schlafumgebung, Wettkampfstressmanagement und Jetlag verbessert werden. Schlafmedizin ist somit für den Leistungssport wie für die Sportwissenschaft gleichermassen relevant [5].

Schlaf und Leistungssport – eine ­Herausforderung

Nachtschlaf hat einen herausragenden Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit am nächsten Tag [9–11]. Insbesondere kognitive Beeinträchtigungen und Stimmungsstörungen aufgrund von Schlafverlust können die Leistung in Mannschafts- und Einzelsportarten beeinflussen. In Mannschaftssportarten beeinflusst Schlaf die Fähigkeit, schnelle und genaue Entscheidungen zu treffen, genauso wie die effiziente Ausführung von Bewegungsfertigkeiten während eines Spiels [12, 13]. Während schnelle und genaue Entscheidungen über alle Sportarten hinweg von Bedeutung sind, beeinflussen psychologische Faktoren wie Stimmung und Motivation insbesondere bei Individualsportarten Übertraining und Wettkampfleistung [14]. Schlaf spielt für die Regeneration eine besondere Rolle [1]: Jugendliche Sportlerinnen und Sportler, die nur sechs statt acht Stunden schliefen, zeigten ein 1,7-mal höheres Verletzungsrisiko und trugen somit ein erhöhtes Ausfallrisiko bei anstehenden Wettkämpfen [15]. Wachstumshormone, die für die Geweberegeneration grundlegend sind, werden vor allem während des Tiefschlafs freigesetzt [16]. Schlafverlust kann zudem eine Verringerung des Muskelglykogens bewirken, die Stresswahrnehmung erhöhen und im Effekt die Sprintleistung verringern [17, 18].
Die Menge und Qualität des Schlafes bei Leistungssportlerinnen und -sportlern wird zusätzlich belastet durch folgende Faktoren:

Reisen

Nach einer simulierten 24-stündigen Flugreise zeigten (10) männliche Sportler eine verminderte Intervall-Sprint-Leistung, die vor allem auf Reisestress, Schlafunterbrechung während der Reise und eine damit verbundene erhöhte physiologische und subjektive Müdigkeit zurückzuführen ist [19]. Reisen durch Zeitzonen beeinflussen am stärksten den Schlaf [20]. Die häufigsten Probleme aufgrund von Jetlag sind: Einschlafprobleme, Müdigkeitsattacken, Fatigue, Konzentrations- und Motivationsprobleme, Magen-Darm­beschwerden und Leistungsminderung [21]. Flüge in östliche Richtung verlangen nach deutlich längeren Anpassungszeiten als in westliche Richtung. US-amerikanische Sportteams haben nach Auswärtsspielen im Westen einen gut belegten Wettkampfnachteil [22]. Der Wechsel zwischen den Zeitzonen und dem damit verbundenen Reisestress führt dazu, dass die Oststaaten-Vereine in Spielen nach Rückkehr von einer Westzonenreise häufiger unterlegen sind. Es ist zu beachten, dass jüngere Sportlerinnen und Sportler den Jetlag überraschend gut kompensieren können. Erst ab dem 30. Lebensjahr treten verstärkt Probleme aufgrund des Jetlags auf.

Wechselnde Schlafumgebung

Während Reisen zu Wettkämpfen verbringen Sportlerinnen und Sportler mitunter jede Nacht in einem neuen, für sie ungewohnten Schlafumfeld. Auch wenn dies subjektiv nicht als belastend empfunden wird, kommt hier der gut belegte «First-Night-Effekt» zum Tragen: Insbesondere während der ersten Nacht in einem neuen Schlafumfeld kommt es zu häufigerem Aufwachen und einer Verminderung des Tiefschlafanteils [23, 24]. Der Schlafkomfort ist, wenn nicht niedriger, häufig ungewohnt, was vermehrte Weckreaktionen auslösen kann. Im Gegensatz zur eigenen Wohnung wird zudem das Zimmer häufig mit Teammitgliedern geteilt. Unterschiedliche Schlafpräferenzen und Abendroutinen (Zubettgeh- und Aufstehzeiten, Dunkelheits- und Temperaturvorlieben) sowie Lärm durch Bewegungen, Toilettengänge und Schnarchen können die Schlafqualität beeinträchtigen. Hotelzimmer bieten eine veränderte Geräuschumgebung: Ungewohnte Geräusche triggern möglicherweise leichter Weckreaktionen [25].

Wettkämpfe

Ein systematisches Review zeigt, dass Athletinnen und Athleten in der Nacht vor einem Wettkampf möglicherweise stressbedingt eine Stunde weniger schlafen und damit deutlich unter dem empfohlenen Zielwert von acht Stunden [20]. Lastella et al. (2014) [26] fanden, dass Marathonläuferinnen und -läufer vor Wettkämpfen nicht nur weniger schliefen: 70% von ihnen gaben an, zusätzlich schlechter zu schlafen als üblich, vor allem aufgrund von Wettkampfangst, Lärm und Toilettengängen. Insgesamt gaben über 60% von 632 befragten deutschen sowie 283 australischen Athletinnen und Athleten unterschiedlichster Sportarten an, mindestens einmal in den vergangenen 12 Monaten vor einem Wettkampf schlechter geschlafen zu haben [27, 28].
Dennoch sind den meisten Sportlerinnen und Sportlern weder Strategien noch Techniken bekannt, um einem schlechteren Schlaf vorzubeugen. Als mögliche Ursache scheint die Wettkampfangst in den Tagen vor dem sportlichen Ereignis eine Rolle zu spielen. So konnten Ehrlenspiel et al. 2018 [29] bei Leistungssportlerinnen und -sportlern zeigen, dass die kognitive Komponente der Wettkampfangst vier Tage vor einem Wettkampf die subjektive Schlafqualität in der Nacht vor dem Wettkampf beeinträchtigt.
Mitunter ist ein angepasster, fragmentierter Schlaf Voraussetzung zur Erreichung von Wettkampfzielen. Beispiele sind Hochsegelwettbewerbe, Mehrtages-Läufe oder -Radrennen (Race Across America). Extremsporttreibende können zuweilen allein mit Powernapping und kurzen, vereinzelten Schlafperioden von kaum mehr als 60 Minuten über mehrere Tage funktionieren und dabei sportliche Höchstleitung bringen [30]. Interessanterweise scheint sich die Verteilung der Schlafphasen über 24 Stunden nach mehreren Tagen einer normalen Verteilung anzunähern. Mögliche Gesundheitskrisen aufgrund von Schlafentzug, Störung des Stoffwechselgleichgewichts, Stimmungsstörungen, oder negative Langzeitfolgen sollten jedoch nicht aus­ser Acht gelassen werden.

Intensives Training

Je nach Sportart müssen in Trainingsphasen täglich bis zu vier mehrstündige Trainingseinheiten absolviert werden [31]. Dabei scheint intensives Ausdauertraining eine höhere Erholungszeit und somit zusätzliche Schlafenszeit zu erfordern als Krafttraining [32]. Der Anteil der Tiefschlafwellenaktivität («local slow wave activity») korreliert mit der Trainingsintensität [33]. Gleichzeitig hängt die lokale Slow-Wave-Aktivität mit dem Lernerfolg nach dem Schlaf zusammen. Die Schlafqualität ist also nicht nur entscheidend für die Regeneration, sondern auch für den Lerneffekt. Übermässiges Training kann mitunter Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen verursachen [34]. Die Möglichkeit eines verlängerten Schlafs oder eines freien Tages scheint die einfachste und effektivste Strategie zu sein, um die Erholung und stressbedingte Leistungsminderung zu verbessern. Athletinnen und Athleten scheinen sich während intensiver Trainingseinheiten im Schlaf häufiger zu bewegen [35]. Ein möglicher Grund könnten (Muskel-)Schmerzen sein, die bei der Suche nach einer bequemen Schlafposition Lagewechsel triggern. Schlaf gilt schliesslich auch als essentiell für die Muskelregeneration, insbesondere im Hinblick auf die Entzündungsregulation [18].

Trainingspläne

Zwei unabhängige Studien zeigten, dass morgendliches Frühtraining um 6:00 Uhr oder 6:30 Uhr den Schlaf um mehr als eine Stunde verkürzt, da der Trainingsrhythmus dem chronobiologischen Schlafzeitfenster sowie dem Schlafbedürfnis junger Athletinnen und Athleten häufig nicht entspricht [31, 36]. Abendliche Teambesprechungen oder Wettkämpfe verkürzen die verbleibende Pufferzeit, um vor dem Schlaf zur Ruhe zu kommen: Routinen nach den Spielen, die Erhöhung von physiologischen Parametern (insbesondere Körpertemperatur, Herzschlag, Puls, erhöhte Kortisol-, Dopamin-, Noradrenalin- und Adrenalin-Werte) sowie die mentale Stimulation halten die Betroffenen potenziell vom schnellen Einschlafen nach Training und Wettkämpfen ab [37,  38].
Eine Übersicht über die schalfbezonenen Herausforderungen im Profisport ist in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2: Schlafbezogene Herausforderungen im Leistungssport.

Schlafkrankheiten

Ein- und Durchschlafstörungen

In einer Studie von Tuomilehto et al. aus 2017 [39] gab einer von fünf professionellen Eishockeyspielern an, während der Wettkampfsaison unter Schlafproblemen zu leiden. Somit scheinen Schlafstörungen bei Sportlerinnen und Sportlern ähnlich hoch verbreitet zu sein wie in der Allgemeinbevölkerung. Mehr als jeder Zehnte (11%) hatte regelmässig Probleme, innerhalb der als normal betrachteten Zeit von 30 Minuten einzuschlafen, und erfüllt somit ein zentrales Kriterium für Schlaflosigkeit – Insomnie. Die Unfähigkeit, nachts einzuschlafen, kann frustrieren und somit die mentale Leistung am nächsten Tag senken. Eine 2015 erschienene Studie ergab, dass 64% der befragten australischen Sportlerinnen und Sportlern vor einem wichtigen Wettkampf schlechter schliefen [28]. Tuomilehto et al. [39] fanden einen ähnlichen Effekt: Schlaflosigkeit verdoppelte sich beim Wechsel von der Trainings­saison in die Wettkampfzeit.

Schlafmittel

Einer von drei untersuchten Eishockeyspielern nahm während der Wettkampfsaison mindestens einmal Schlafmittel ein, einer von sechs sogar regelmässig [39]. Trotz der häufigen Einnahme von schlaffördernden Mitteln berichteten viele immer noch über Schlafprobleme.
Die am weitesten verbreiteten Schlafmedikamente sind die sogenannten Z-Drugs (z.B. Zolpidem, Zopiclon). Z-Medikamente sind nur für den kurzfristigen Gebrauch bestimmt und werden auch mit mehreren schädlichen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht, wie etwa Missbrauch, erhöhtem Risiko für Amnesie und Tagesmüdigkeit, einer Verringerung des Tiefschlafs und bei langfristigem Gebrauch der Entwicklung von Toleranz und Abhängigkeit [40]. Der Einsatz von Schlafmitteln im Leistungssport ist umstritten, da die Auswirkungen der Medikation auf die Leistung am nächsten Tag nicht gut dokumentiert sind [9, 41]. Daher wird empfohlen, schlaffördernde Medikamente mit Vorsicht einzusetzen.

Obstruktive Schlafapnoe

Etwa 10% der Sportlerinnen und Sportler weisen Symptome einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA) auf [39, 42, 43]. Obwohl die OSA meist als mild empfunden wird, kann selbst dieser Grad einer schlafbezogenen Atmungsstörung zu einer Störung des Schlafs führen, die sich in morgendlicher und tagsüber auftretender Müdigkeit und kardiorespiratorischen Problemen äus­sert [44]. Es konnte gezeigt werden, dass die Behandlung von OSA die sportliche Leistung verbessert [45].

Restless-Legs-Syndrom

Tuomilehto et al. [39] fanden, dass etwa 5% der Eishockeyspieler Symptome des Restless-Legs-Syndroms (RLS) oder periodischer Beinbewegungen («periodic limb movement» [PLM]) aufwiesen. Dies entspricht in etwa der Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung [46]. RLS verursacht Einschlafschwierigkeiten aufgrund von unangenehmen Gefühlen in den Gliedmassen in Ruhe. Zusätzlich wird RLS oft von nächtlichen PLM begleitet. Diese Bewegungen während des Schlafes können Weckreaktionen verursachen und so den Schlaf fragmentieren sowie die sympathische Aktivierung erhöhen [47]. RLS-Sym­ptome können nach anstrengendem Training, wie es im Leistungssport häufig vorkommt, aufgrund einer Entleerung der Dopaminspeicher verstärkt auftreten.

Albträume

Noch wenig ist über das Auftreten von parasomnischen Störungen bekannt. In einer ersten Befragung unter 840 deutschen Athletinnen und Athleten von Erlacher et al. 2011 [48] gaben etwa 15% an, in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens einen beunruhigenden Traum vor einem wichtigen Wettkampf oder Spiel gehabt zu haben. Vergleichbar zur Normalbevölkerung berichteten rund 5% der Befragten, einmal oder häufiger pro Woche Albträume zu haben, weitere 8% mehrmals im Monat. Albträume können sich auf die Stimmung und damit auf die Leistung im Wettkampf auswirken [49]. Allgemein wird von einer Kontinuität zwischen den Erlebnissen am Tage und den Trauminhalten ausgegangen, sodass Sportlerinnen und Sportler häufig von ihrem Sport träumen [50]. Die Häufigkeit anderer parasomnischer Störungen (Nachtschreck, Schlafwandeln, REM-Schlaf-Verhaltensstörung) im Leistungssport ist noch nicht untersucht.
Abbildung 3 fasst die Schlafprobleme bei Athletinnen und Athleten in einer Übersicht zusammen.
Abbildung 3: Schlafprobleme unter Athletinnen und Athleten.

Wege zur Schlafverbesserung

Durch eine stärkere Vermittlung von Schlafwissen (Schlafedukation) und Schlafhygiene können das Schlafverhalten und die Schlafdauer von Athletinnen und Athleten potenziell optimiert werden. Bei College-Studierenden und Insomniebetroffenen zeigten sich Schlafhygiene- und Aufklärungsprogramme wirksam [51, 52]. In solchen Programmen werden alle am Trainingsprozesse Beteiligten über das Thema Schlaf aufgeklärt und hilfreiche Strategien vermittelt, um die Menge und insbesondere Qualität des Schlafs zu maximieren. Zu den Strategien kann es gehören, eine Schlafroutine zu entwickeln, Bewältigungsstrategien für das Grübeln zu erlernen, die Schlafumgebung anzupassen, sodass sie beruhigend, komfortabel, ruhig und frei von elektronischen Geräten ist, sowie die Koffeinaufnahme einige Stunden vor dem Schlafengehen zu reduzieren [53–55].

Powernaps und Schlafbeeinflussung zur ­Leistungssteigerung

Ausreichend erholsamer Schlaf bildet die Grundlage zur Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit. Tagesschlafeinheiten, insbesondere am Mittag, können eine effektive Strategie sein, die Gesamtschlafzeit zu erhöhen [56, 57]. Über 40% der Athletinnen und Athleten planen bereits Naps in ihren Trainingsplan ein [58]. In einer Studie von Romyn et al. (2018) zeigte sich, dass die Gesamtschlafdauer, Schlafeffizienz und Schlafphasenverteilung von (12) männlichen Fussballspielern gleich blieb, unabhängig von der Schlafverteilung (9 Stunden Nachtschlaf, 8 Stunden Nachtschlaf + 1 Stunde Nap, 7 Stunden Nachtschlaf +2 Stunden Nap). Dementsprechend kann die Schlafverteilung ohne Einbussen entsprechend den Trainingsrahmenbedingungen (Frühtraining aufgrund von Hallenbelegungen, Mittagshitze etc.) angepasst werden [58]. Zusätzlich können Leistungen durch gezielte zusätzlichen Schlafmöglichkeiten, mitunter kurz vor Wettkampfbeginn gefördert werden. Junioren-Ruderer zeigten zum Beispiel bessere Leistungen, wenn während eines Trainingskampfs mit tendenziell zu wenig Schlaf vor dem Wettkampftag ein Ausschlaftag eingelegt wurde [31]. Sollte also ein dauerhaft ausreichender Schlaf aus Trainingsplangründen nicht gewährt werden können, kann zumindest ein gezielter Ausschlaftag die Leistung steigern.

Schlafberatung

Zwei neuere Studien haben gezeigt, dass bereits eine zweistündige Schlafberatung und schlafmedizinische Untersuchung zu einer signifikanten Verbesserung des Schlafs von Sportlerinnen und Sportlern und einer Verringerung der Anzahl der schlecht Schlafenden führte [39, 59]. Die Beratung kann zu einer besseren Kontrolle des Schlaf-Wach-Zyklus, einem geringeren Bedarf an Schlafmedikamenten und einer erhöhten Tagesvitalität führen. Ähnlich positive Ergebnisse wurden in Studien gezeigt, in denen die Auswirkungen der Ausdehnung und des Timings von Schlaf und Ernährung zur Verbesserung der Schlafqualität untersucht wurden [36, 41, 54]. Bei bestehenden Albträumen kann die Imagery-Rehearsal-Therapie dienen [60], die auch im Leistungssport durch sportpsychologische Betreuungspersonen implementiert werden kann.

Zirkadiane Optimierung des Trainingsplans

Die Hauptursache für das Schlafdefizit von Athletinnen und Athleten an Trainingstagen scheint zu sein, dass sie es nicht schaffen, früher ins Bett zu gehen. Die eigene Schlafenszeit vorzuverlegen, ist zum einen schwierig aufgrund von sozialen oder familiären Verpflichtungen, vor allem aber aufgrund der inneren Uhr. Den Schlaf entgegen der inneren Uhr am frühen Abend einzuleiten, ist schwierig, selbst wenn man sich im Bett befindet [61, 62]. Folglich garantiert ein früheres Zubettgehen zur Vorbereitung auf eine frühmorgendliche Trainingseinheit nicht, dass die Schlafdauer erhalten bleibt [63]. Eine Schlafberatung kann an dieser Stelle helfen, die Trainingspläne zu optimieren, um eine hohe Schlafqualität für die Athletinnen und Athleten zu gewährleisten. Drei Dinge sind dabei entscheidend: 1. den Schlaf einzuplanen, 2. den Schlaf zu ritualisieren, das heisst immer mit dem gleichen Vorschlaf-Aktivitäten einzuleiten, und 3. den Schlaf zu rhythmisieren, also zu immer gleichen Uhrzeiten stattfinden zu lassen. Dabei sollte der Tagesschlaf an den Trainingsplan bedürfnisorientiert angepasst werden. Wichtig ist zudem, nur bei Schläfrigkeit ins Bett zu gehen, Störfaktoren zu minimieren, gegebenenfalls Hilfsmittel bereitzuhalten (z.B. Ohrenstöpsel, Schlafmaske) und Entspannungsverfahren zu erlernen (z.B. progressive Muskelentspannung, Atemmeditation, autogenes Training). Den Schlaf mittels Schlafprotokoll zu überwachen, zeigt bestehende Defizite ebenso rasch auf wie Möglichkeiten der Verbesserung. Ein Schlafprotokoll, in dem täglich alle Schlaf- und Trainingszeiten über mindestens zwei Wochen notiert werden, sollte immer am Anfang einer Schlafberatung stehen. Aus der Erinnerung sind nur ungenaue Aussagen über Schlafzeitpunkte, Störungen und ihre Zusammenhänge mit äusseren Faktoren zu gewinnen. Eine Bewegungsmessung über professionelle Aktimeter kann unterstützend herangezogen werden. Herkömmliche Fitnessarmbänder können helfen, den Schlaf im Auge zu behalten. Jedoch sind die von den Firmen mitgelieferten Analysen oftmals nicht transparent und für die Bestimmung von Schlafstadien unzuverlässig. REM-Schlafphasen werden mitunter als Wachphasen erfasst und können Athletinnen und Athleten in ihrem Schlafverhalten verunsichern. Schlafphasen lassen sich derzeit hinreichend genau nur mit einer Polysomnographie erfassen. Diese wird zum Abklären einer Schlafapnoe oder periodischer Beinbewegungen empfohlen. Zum dauerhaften Monitoring eignet sich diese Methode aufgrund ihrer recht aufwendigen Applikation nicht. Die Messung der nächtlichen Herzfrequenz kann unabhängig von der Analyse der Schlafphasen hingegen valide physiologische Informationen über den Erholungsstatus liefern [64].

Ausblick

Bisher gibt es noch wenige vergleichende Arbeiten, die systematisch bestehende Schlafprobleme über die verschiedenen Sportarten hinweg analysieren und vergleichen.
Schlafprobleme von Sportlerinnen und Sportlern müssen ernst genommen und behandelt werden. Es handelt sich häufig nicht nur um Begleiterscheinungen anderer Erkrankungen und Probleme. Schlaf ist zentral für die körperliche Leistungsfähigkeit und bietet noch viel Potenzial zur Leistungssteigerung. Kolleginnen und Kollegenen der Sportmedizin und Sportpsychologie müssen daher in Zukunft den Schlaf im Blick haben. Am besten eigenen sich dazu die Führung von Schlafprotokollen, gegebenenfalls zusammen mit einem Aktimeter, wie es auch von den Schlafmedizinischen Fachgesellschaften empfohlen wird. Sie sind günstig, ausreichend genau für die Schlaf-Wach-Analyse (nicht Schlafstadien) und an jedem Ort – eben auch im Leistungssport – anwendbar. Der Schlaf und notwendige Pufferzeiträume sollten von den Coaches in der Trainingsplanung fest berücksichtigt werden. Trainingszeit zuungunsten einer optimalen Schlafdauer erhöht das Verletzungspotenzial, ohne zu einer zusätzlichen Leistungssteigerung beizutragen. Schlaf­edukation und Regeln der Schlafhygiene sind hier als ebenso wichtig zu erachten wie Wissen über eine gute Ernährung.
Schlafmedizin ist bisher noch kein Bestandteil des medizinischen Curriculums, obwohl etwa ein Viertel der Bevölkerung und der Sportlerinnen und Sportler unter Schlafproblemen leiden. Nur wenn Ärztinnen und Ärzte auch in der Schlafmedizin ausgebildet werden, sind sie in der Lage, typische Schlafkrankheiten zu erkennen und zu behandeln.

Das Wichtigste für die Praxis

• Schlaf ist neben Ernährung und Bewegung die dritte Säule körperlicher Gesundheit.
• Sportlerinnen und Sportler leiden ebenso häufig unter Schlafproblemen wie die Allgemeinbevölkerung.
• Durch einen verbesserten Schlaf lässt sich die sportliche Leistung steigern.
• Auch Trauminhalte sollten berücksichtigt werden, da sie sich auch auf die Leistung am Tage auswirken können.
• Ein Schlafprotokoll bietet eine einfache Möglichkeit, Schlafprobleme zu identifizieren, und steht daher immer am Beginn einer Behandlung.
Die Autoren haben deklariert, keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
Albrecht Vorster, dipl. biol.
Schlaf-Wach-Epilepsie-
Zentrum (SWEZ),
Universitätsklinik für
Neurologie,
Inselspital
Freiburgstrasse 18
CH-3010 Bern
albrecht.vorster[at]insel.ch
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