Hepatischer Hydrothorax ohne Aszites
Seltene Erstmanifestation einer Leberzirrhose

Hepatischer Hydrothorax ohne Aszites

Fallberichte
Ausgabe
2019/0506
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2019.03386
Swiss Med Forum. 2019;19(0506):99-101

Affiliations
Spital Oberengadin, Samedan
a Innere Medizin; b Pneumologie; c Gastroenterologie und Hepatologie
* Die beiden Autorinnen haben zu gleichen Teilen zum Artikel beigetragen.

Publiziert am 30.01.2019

Die Zuweisung des 54-jährigen Patienten erfolgte bei progredienter Dyspnoe und Orthopnoe seit einer Woche ohne Fieber, Schmerzen oder Husten.

Hintergrund

Wir berichten über einen 54-jährigen Patienten mit Dyspnoe bei massivem einseitigem Pleuraerguss ohne Aszites als unübliche Erstmanifestation einer im Verlauf neudiagnostizierten Leberzirrhose.

Fallbericht

Anamnese

Die Zuweisung des 54-jährigen Patienten erfolgte bei progredienter Dyspnoe und Orthopnoe seit einer Woche ohne Fieber, Schmerzen oder Husten. Anamnestisch bestanden eine Hypercholesterinämie, eine arterielle Hypertonie, eine depressive Verstimmung sowie ein Nikotin- und Alkoholkonsum (drei Stangen Bier pro Tag). Vor Jahren erfolgte eine Spondylodese von Halswirkbelkörper (HWK) 6/7 und HWK 7/Th1 bei Status nach Diskektomie. Die medikamentöse Behandlung bestand aus Rosuvastatin, Olmesartan, Amlodipin, Hydrochlorothiazid und Paroxetin.

Status

In der klinischen Untersuchung präsentierte sich der Patient afebril und leicht tachykard (Herzfrequenz 106/min) mit erniedrigter Sauerstoffsättigung (86% bei Raumluft). Rechtsseitig imponierte ein stark vermindertes Atemgeräusch sowie ein hyposonorer Klopfschall über der ganzen Lunge. Die Halsvenen waren nicht gestaut und Beinödeme nicht nachweisbar.

Befunde

Im Röntgen-Thorax war eine vollständige Verschattung der rechten Lunge (weiss) durch einen ausgeprägten Pleuraerguss (Abb. 1) nachweisbar.
Abbildung 1: Thoraxröntgen mit vollständiger Verschattung der rechten Lunge bei Erguss.
Die Entzündungszeichen waren laborchemisch normwertig. Die leicht erhöhten Leberwerte (ALT 43 U/l, AST 59 U/l, AP 173 U/l und γ-GT 259 U/l) beurteilten wir im Rahmen des Alkoholkonsums. Für eine fortgeschrittene Hepatopathie fanden sich labormässig keine Hinweise (Albumin 37 g/l, Bilirubin 12 μmol/l, INR 1,1 und Thrombozyten 196 G/l).
Es erfolgte eine diagnostische und therapeutische Pleurapunktion von 3,6 Litern strohgelber Flüssigkeit. In einer ersten Punktion klassifizierte die Pleuraflüssigkeit als Exsudat (⅓ positive Light-Kriterien bei LDH 185 U/l im Erguss respektive 333 U/l im Serum sowie Protein 45 g/l im Erguss respektive 70 g/l im Serum). In einer zweiten Punktion im Verlauf imponierte der Erguss dann als Transsudat (Protein im Erguss noch 35 g/l, Albumin 21 g/l). Die Zellzahl lag bei 694/μl, davon waren 28 Zellen/μl Polynukleäre. In der zytopathologischen Beurteilung waren keine malignen Zellen nachzuweisen. Die Kultur war ohne Wachstum von Bakterien.
In der Computertomographie (CT) des Thorax fanden sich keine Hinweise für parenchymatöse Veränderungen oder eine Lungenembolie. Die Serologie bezüglich immunologischen respektive rheumatischen Ursachen fiel negativ aus. Eine Echokardiographie war unauffällig und insbesondere ohne Hinweise für eine Herzinsuffizienz. In der Abdomensonographie war kein Aszites nachweisbar, es ergaben sich aber eindeutige Hinweise für einen Leberumbau (unter anderem inhomogenes Leberparenchym, rarefizierte Lebervenen, Hypertrophie des Lobus caudatus, siehe Abb. 2 und 3). Weiter war eine Spleno­megalie von 15 cm nachweisbar. Endoskopisch konnte eine portale Hypertonie bei Nachweis von ­Ösophagusvarizen 2. Grades gesichert werden.
Abbildung 2: Sonographie der Leber mit Hypertrophie des Lobus caudatus.
Abbildung 3: Sonographie der Leber mit Pleuraerguss rechts.

Diagnose

Bei erhöhtem und früher noch ausgeprägterem Alkoholkonsum, einem De-Ritis-Quotienten von >1 sowie einer negativen Serologie bezüglich Hepatitis B und C beurteilten wir die Leberzirrhose als äthylisch bedingt. Trotz fehlenden Aszites handelt es sich beim Pleura­erguss somit um einen hepatischen Hydrothorax als Erstmanifestation einer Leberzirrhose. Für ein spontan bakterielles Empyem fanden sich keine Hinweise.

Therapie und Verlauf

Wir initiierten eine diuretische Therapie mit Spironolacton und Torasemid. Zur medikamentösen Senkung des Pfortader-Druckes wurde Carvedilol eingesetzt. Im Verlauf wurden im Rahmen einer Primärprophylaxe Ligaturen auf die Ösophagusvarizen gesetzt. Der Patient wurde über die Dringlichkeit einer Alkoholabstinenz aufgeklärt. Erfreulicherweise war der Pleuraerguss unter diesen Massnahmen im Verlauf vollständig regredient und die Diuretika konnten reduziert werden.

Diskussion

Der hepatische Hydrothorax wird definiert als Pleuraerguss (>500 ml) bei Patienten mit Leberzirrhose mit portaler Hypertonie ohne vorhandene Hinweise für eine zugrundeliegende kardiopulmonale Erkrankung [1]. 5–10% der Patienten mit Leberzirrhose entwickeln im Verlauf einen hepatischen Hydrothorax [1], dies in der Regel aber bei auch zusätzlich vorhandenem Aszites. Ein hepatischer Hydrothorax ohne das Vorliegen von Aszites ist hingegen eine Rarität mit Beschreibung von nur wenigen Fallbeispielen [2]. Die Diagnosestellung einer Leberzirrhose aufgrund eines hepatischen Hydrothorax bei fehlendem Aszites ist unseres Wissens bisher nicht erwähnt.
In 85% der Fälle tritt der hepatische Hydrothorax auf der rechten Seite, in 13% auf der linken Seite und in 2% auf beiden Seiten auf [1]. Die Pathogenese ist nicht vollständig geklärt. Für die Entstehung eines hepatischen Hydrothorax werden angeborene oder erworbene kleinere Zwerchfelllücken (meist <1 cm oder auch nur ­mi­kroskopisch) vor allem im Bereich des Centrum tendineum verantwortlich gemacht. Als Folge des negativen inspiratorischen Druckes tritt Aszites durch diese ­Lücken in den Pleuraspalt über [3]. Bei deutlich dickerer linker Zwerchfellseite sind diese Defekte im Bereich der rechten Seite viel häufiger, weshalb ein einseitiger Hydrothorax in der Regel rechts auftritt. Klinisch manifestiert sich ein hepatischer Hydrothorax typischerweise mit Dyspnoe, unproduktivem Husten, pleuritischen Schmerzen und Müdigkeit. Häufig haben die Patienten auch eine abdominale Distension aufgrund von vorhandenem Aszites.
Die Diagnosestellung erfordert den radiologischen ­Ergussnachweis und den Ausschluss einer anderen ­Ursache (in der Regel mittels Echokardiographie und Computertomogramm des Thorax). Im Zentrum der Diagnostik steht die Pleurapunktion mit auch mikrobiologischer und zytologischer Untersuchung. Beim ­Erguss handelt es sich typischerweise um ein Trans­sudat mit tiefer Proteinkonzentration (<25 g/l) und hohem Serum-Pleuraerguss-Albumin-Gradienten (>11 g/l) [3], wobei die Protein- und Albuminkonzentration in der Pleuraflüssigkeit oft aber etwas höher ist als im ­Aszites [4]. Exsudate sind aber auch in unkomplizierten Situationen möglich. Analog zu einer spontan bakteriellen Peritonitis kann sich ein spontan bakterielles ­Empyem (SBEM) bilden [4]. Man spricht von einem SBEM bei einem Nachweis von >500 Granulozyten/μl oder aber bei Vorliegen von positiven Kulturen einhergehend mit dem Nachweis von >250 Granulozyten/μl, wobei der fehlende Nachweis einer Pneumonie jeweils Bedingung ist. Die Behandlung erfolgt primär mit ­Diuretika, wobei analog zum Aszites in erster Linie ­Aldosteronantagonisten eingesetzt werden. Grössere persistierende Ergussmengen erfordern unter Umständen wiederholte therapeutische Punktionen. Bei therapierefraktärem Verlauf muss die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) oder eine Lebertransplantation in Betracht gezogen werden. Nur falls der Patient kein Kandidat für eine dieser Optionen ist, kann in Ausnahmefällen eine Talkpleurodese oder eine Thorakoskopie mit Zwerchfell­defektverschluss erwogen werden [3–5]. Kontraindiziert ist die Einlage einer Thoraxdrainage, da sie die Aszitesproduktion fördern und eine Elektrolytstörung verstärken kann.

Das Wichtigste für die Praxis

• Eine Leberzirrhose kann mit relevantem Pleuraerguss einhergehen – einem hepatischen Hydrothorax.
• Ein hepatischer Hydrothorax kann selten auch ohne Aszites auftreten.
• Der hepatische Hydrothorax liegt typischerweise rechtsseitig, wobei es sich beim Erguss meist um ein Transsudat handelt.
• Analog zum Aszites erfolgt die Behandlung primär mittels Aldosteronantagonisten.
• Bei repetitiven Drainagen trotz Diuretikatherapie sind ein transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS) oder eine Lebertransplantation in Erwägung zu ziehen.
Wir danken Dr. M. Albertini vom Spital Poschiavo für die Zurverfügungstellung der Bildgebung.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Charlotte von Rotz,
dipl. Ärztin
Spital Oberengadin
Via Nuova 9
CH-7503 Samedan
charlotte_vonrotz[at]hotmail.com
1 Cardenas A, Kelleher T, Chopra S. Review article: hepatic hydrothorax. Aliment Pharmacol Ther. 2004;20(3):271–9.
2 Rombola F, Spinoso A, Raniere FS et al. Hydrothorax in absence of ascites: an unusual complication of hepatic cirrhosis with portal hypertension. Clin Ter. 2005;156(4):179–81.
3 The European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practice Guidelines for the management of adult patients with ascites due to cirrhosis. J Hepatol. 2018;69(2):406–60.
4 Runyon BA. Introduction to the revised American Association for the Study of Liver Diseases Practice Guideline management of adult patients with ascites due to cirrhosis 2012. Hepatology. 2013;57(4):1651–3.
5 Norvell JP, Spivey JR. Hepatic hydrothorax. Clin Liver Dis. 2014;18(2):439–49.

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