Bei bis zu 7% der stationär behandelten Patienten tritt im Verlauf ihrer Hospitalisation eine Healthcare-assoziierte Infektion auf. Mit gezielten Massnahmen können 20 bis 50% dieser Fälle verhindert werden: Dies ist das Ziel der Strategien zur Infektionsprävention und -kontrolle. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Epidemiologie der Healthcare-assoziierten Infektionen in der Schweiz und die nationalen Präventionsprogramme. Ausserdem beschreibt er zwei Epidemien, die in jüngerer Vergangenheit in der Schweiz im Zusammenhang mit kontaminierten Medizinprodukten auftraten.
Einleitung und Hintergrund
Healthcare-assoziierte Infektionen (HAI) zählen zu den häufigsten Komplikationen im Rahmen der medizinischen Versorgung und sind ein grosses Problem für die öffentliche Gesundheit. Für die Patienten bedeuten sie zusätzliches Leid, eine Verlängerung des Spitalaufenthalts und möglicherweise langfristige Folgen. Die Behandlungskosten steigen dadurch und belasten das Gesundheitswesen und die Wirtschaft stark [1]. Schätzungen zufolge ziehen sich in der Schweiz 70 000 Menschen pro Jahr eine HAI zu [2]. Die Hauptrisikofaktoren, die das Auftreten begünstigen, sind invasive Massnahmen wie Operationen, das Legen von Gefäss- oder Blasenkathetern sowie eine invasive Beatmung. Eine HAI kann endogenen Ursprungs (die eigene Flora des Patienten löst die Infektion aus) oder exogenen Ursprungs sein (die Erreger stammen von anderen Patienten, vom Personal oder aus der Spitalumgebung). Zudem übt die häufige Anwendung von Antibiotika einen Selektionsdruck auf die Flora des Patienten und der Spitalumgebung aus und begünstigt dadurch die Entstehung resistenter Erreger.
Die Spitäler setzen derzeit nicht systematisch alle wissenschaftlich erwiesenen Massnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle um; es besteht also Raum für Verbesserungen. Dies vor allem in der stationären Betreuung, möglicherweise jedoch auch in der ambulanten medizinischen Versorgung, auch wenn das Risiko für HAI in diesem Bereich geringer ist.
Swissnoso und das Programm «Swiss Clean Care»
In der Schweiz setzt sich Swissnoso – das Nationale Zentrum für Infektionsprävention – bereits seit 1994 für die Verhütung von HAI und die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen ein. Das Zentrum ist auf vielen Ebenen tätig: Ausarbeitung von Empfehlungen, Anpassung internationaler Leitlinien an das Schweizer Umfeld, Verbreitung von Informationen über aktuelle Entwicklungen bei der Infektionsprävention und Durchführung von Projekten mit quantitativer und qualitativer Forschung. Das Swissnoso-Programm «Swiss Clean Care» zielt auf die wirkungsvolle Reduktion von HAI ab (Tab. 1). Im Mittelpunkt stehen dabei jene Infektionen, die durch die Häufigkeit ihres Auftretens und/oder ihre Schwere die grössten Folgeschäden hinterlassen und die verhindert werden können (weitere Informationen: [3]).
Tabelle 1: Swissnoso-Module zur Prävention Healthcare-assoziierter Infektionen (HAI) (adaptiert nach www.swissnoso.ch). |
Modul | Ziel |
Überwachung postoperativer Wundinfektionen* | Verminderung der Häufigkeit postoperativer Wundinfektionen durch geeignete Massnahmen und regelmässige Kommunikation der Überwachungsergebnisse |
Prävention postoperativer Wundinfektionen | Adhärenz von 90% bei drei elementaren Massnahmen der Prävention: Haarentfernung, präoperative Hautdesinfektion und Antibiotikaprophylaxe |
Überwachung der Handhygiene-Adhärenz
(«CleanHands») | Nachhaltige Verbesserung der Handhygiene-Adhärenz in den Institutionen |
Erhebung der Prävalenz von HAI und des Einsatzes antimikrobieller Mittel in Schweizer Akutspitälern 2017 | Abschätzung des Ausmasses von HAI und des Einsatzes von Antibiotika in Schweizer Akutspitälern |
Charakterisierung der Patientinnen und Patienten, der invasiven Verfahren, der Infektionen sowie
des Antibiotikakonsums |
Darstellung der allgemeinen Aspekte der Schlüsselstrukturen und der Abläufe zur Prävention von HAI und antimikrobieller Resistenz |
Datenvergleich zwischen der Schweiz und den übrigen europäischen Ländern |
«progress! Sicherheit bei Blasenkathetern»** | Verminderung der Einsatzhäufigkeit und -dauer von Blasenkathetern sowie Erhöhung der Sicherheit bei der Einlage |
* Im Auftrag des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) ** Von Patientensicherheit Schweiz und Swissnoso gemeinsam lanciertes Programm |
Strategien NOSO und StAR
Im Jahr 2016 verabschiedete der Bundesrat eine nationale Strategie zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von HAI (Strategie NOSO). Ihr Ziel ist, die Zahl der Spital- und Pflegeheiminfektionen in der Schweiz zu verringern. Umgesetzt wird die Strategie vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Zusammenarbeit mit den Kantonen, Spitälern und Pflegeheimen sowie weiteren wichtigen Akteuren. Mithilfe der Strategie sollen die zahlreichen bereits bestehenden Massnahmen koordiniert und konsequent umgesetzt werden. Ein weiteres Ziel ist eine bessere landesweite Überwachung der Situation. Der Bund will die Bevölkerung stärker schützen und dazu die Zahl der Infektionen und der damit verbundenen Langzeitfolgen und Todesfälle reduzieren. Er stützt sich dabei auf die gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrats («Gesundheit2020») sowie auf das revidierte Epidemiengesetz, das am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Die Strategie NOSO baut auf bestehenden Strukturen und Massnahmen auf, klärt Verantwortlichkeiten und trägt dazu bei, die Verhütungs- und Bekämpfungsziele koordiniert zu erreichen (weitere Informationen: [2]).
Im Rahmen der «Gesundheit2020»-Prioritäten hat der Bundesrat überdies eine nationale Strategie gegen Antibiotikaresistenzen (Strategie StAR) lanciert. An deren Ausarbeitung waren die Bundesämter für Gesundheit, Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Landwirtschaft und Umwelt sowie die Kantone und weitere Partner beteiligt. Oberstes Ziel der Strategie StAR ist es, die Wirksamkeit von Antibiotika für Mensch und Tier langfristig zu erhalten.
Im Rahmen dieser Strategie erarbeitet Swissnoso gemeinsam mit der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie und der Schweizerischen Gesellschaft für Mikrobiologie Leitlinien für die Verschreibung von Antibiotika, Leitlinien zur Verhütung und Bekämpfung von Resistenzherden sowie ein Konzept für Programme zum angemessenen Einsatz von Antibiotika.
Epidemiologie
Epidemiologie von HAI in der Schweiz
Die Daten, die uns für die Schweiz zur Verfügung stehen, entstammen den nationalen Erhebungen zur Punktprävalenz nosokomialer Infektionen und der Überwachung postoperativer Wundinfektionen, die unter der Leitung von Swissnoso durchgeführt wurden. Die letzte nationale Prävalenzerhebung fand 2004 in 50 Spitälern statt und umfasste 7783 Patienten; die Gesamtprävalenz von Patienten mit mindestens einer nosokomialen Infektion, die am Tag der Erhebung aktiv war, betrug 7,2%. Der Anteil infizierter Patienten war hoch im Bereich der Intensivpflege (23,5%), der Chirurgie (8,3%) und der Inneren Medizin (5,6%). Am häufigsten wurden folgende Infektionen beobachtet: postoperative Wundinfektionen (28,8% aller Infektionen), Pneumonien (19,7%), Harnwegsinfektionen (18,9%) sowie primäre Bakteriämien (10,6%) [4]. Die Inzidenz postoperativer Wundinfektionen schwankt laut den Daten, die zwischen 2011 und 2015 nach 187 501 Operationen in 164 Spitälern und Kliniken erhoben wurden, zwischen 0,9% bei Knieprothesenoperationen und 14,4% bei Kolonoperationen [5]. Die Überwachung umfasst auch eine Beobachtung nach der Entlassung; daran können auch die Hausärztinnen und -ärzte beteiligt sein, falls bei der telefonischen Befragung der Patienten ein Infektionsverdacht festgestellt wird. Da die Spitalaufenthalte immer kürzer und ambulante Operationen immer häufiger werden, ist diese Nachbeobachtung umso wichtiger.
Die Überwachung postoperativer Wundinfektionen wird weitergeführt, die jährlichen Ergebnisse sind auf der Website des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken abrufbar [6]. Zudem fand im Frühjahr 2017 neuerlich eine nationale Prävalenzbefragung zu HAI und zum Einsatz von Antibiotika in Schweizer Akutspitälern statt. Die Daten werden derzeit ausgewertet. Aus den Ergebnissen können aktuelle Zahlen zum Ausmass und zu den Folgen dieser Infektionen abgelesen werden. Der Studie werden die Kriterien des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zugrunde gelegt; dadurch können die Schweizer Zahlen im internationalen Kontext bewertet werden.
HAI kommen auch in der ambulanten Praxis vor. Diesbezüglich liegen indes weitaus weniger Daten vor, abgesehen von einigen Sonderbereichen (etwa der chronischen Hämodialyse und ambulanten Operationen). Da die Zahl der invasiven Massnahmen und der Hochrisikopatienten niedriger und die Dauer der Exposition gegenüber dem Versorgungssystem kürzer ist, besteht im ambulanten Bereich ein geringeres Risiko für HAI als bei der stationären Betreuung [7].
Epidemiologie bakterieller Antibiotikaresistenzen
Mit
anresis.ch, dem Zentrum für Antibiotikaresistenzen, verfügt die Schweiz über ein umfassendes und repräsentatives Instrument zur landesweiten Überwachung der Antibiotikaresistenzen – etwa 70% der in der Schweiz durchgeführten mikrobiologischen Untersuchungen werden von anresis erfasst – und des Antibiotikakonsums. Die seit 2004 erhobenen Daten zeigen für grampositive und gramnegative Bakterien unterschiedliche Tendenzen: Die Häufigkeit von Methicillin-resistentem
Staphylococcus aureus (MRSA) nimmt ab, besonders im Westen der Schweiz [8]. Die Rate der Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) bleibt niedrig. Dagegen ist eine stetige Zunahme der Resistenzen gegenüber Chinolonen und Cephalosporinen der dritten Generation bei
Escherichia coli und
Klebsiella pneumoniae zu beobachten, dies korreliert mit einer stärkeren Verbreitung von Isolaten, die Breitspektrum-Betalaktamasen («extended spectrum beta-lactamases [ESBL]) produzieren. Auch wenn in der Schweiz derzeit nur selten Carbapenemase-produzierende Enterobakterien oder andere gramnegative Bakterien identifiziert werden, nimmt die Zahl der Fälle beständig zu. Dies vor allem bei Patienten, die im Ausland hospitalisiert und für die weitere Behandlung in die Schweiz gebracht wurden. Auf diese Patienten muss besonderes Augenmerk gelegt werden, um zu verhindern, dass sie zum Ursprung sekundärer Fälle werden.
Um die Entwicklung der Resistenzen in der Bevölkerung verfolgen zu können, haben die ärztlichen Grundversorger Zugang zu den von
anresis.ch veröffentlichten Berichten sowie zu der interaktiven Datenbank. Mithilfe derer sind Statistiken zu den Resistenzen verschiedener in der ambulanten Praxis isolierter Erreger abrufbar, etwa um die Resistenzentwicklung von
Escherichia coli in Urinproben zu verfolgen [9].
Massnahmen zur Prävention von HAI
Im November 2016 veröffentlichte die WHO aktualisierte Leitlinien über die Kernkomponenten der Programme zur Infektionsprävention und -kontrolle auf nationaler Ebene und in den Einrichtungen zur Akutversorgung [10]. In Tabelle 2 sind die acht Komponenten, die das Dokument vorschlägt, kurz beschrieben.
Tabelle 2: Kernkomponenten der Programme zur Infektionsprävention und -kontrolle
in den Einrichtungen zur Akutversorgung (adaptiert nach [10]). |
Kernkomponente | Empfehlung |
1. Programme zur Infektionsprävention und -kontrolle | Spezielles Team für Infektionsprävention und -kontrolle (pro 100 bis 250 Betten sollte 1 Vollzeitäquivalent zur Verfügung stehen, abhängig von der Komplexität der Versorgungsfälle in der Institution) |
Auf der lokalen Epidemiologie basierende Ziele |
Prioritäten werden aufgrund einer Risikobewertung festgelegt |
Unterstützung durch Mikrobiologielabor |
2. Empfehlung bewährter Praktiken | Bereitstellung evidenzbasierter, an die lokale Praxis angepasster Empfehlungen |
Förderung der Empfehlungen |
Überwachung der Umsetzung der Empfehlungen |
3. Aus- und Weiterbildung | Massnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle: Ausbildung und Sensibilisierung des gesamten Personals |
Einbeziehung neuer Mitarbeiter |
Regelmässige Weiterbildung |
Überprüfung der Kenntnisse |
4. Überwachung | Überwachung: – der Healthcare-assoziierten Infektionen – der Antibiotikaresistenzen – der Epidemien – der Verfügbarkeit alkoholischer Händedesinfektionsmittel |
Bewertung der Wirksamkeit der Massnahmen |
Übermittlung der Ergebnisse an die Direktionen und die betroffenen Abteilungen |
Bewertung der Qualität der Überwachungsdaten |
5. Multimodale Strategien | Multimodale Massnahmen |
Förderung der Patientensicherheit |
Einbindung der Führungskräfte und der Personen mit Vorbildwirkung in der Institution |
Integration in die Strategie zur Qualitätssteigerung |
6. Überprüfung der Praktiken mit
Feedback | Management von Anpassungen |
Einbindung der betroffenen Akteure durch direktes Feedback und Kommunikation der Ergebnisse |
Einrichtung von Partnerschaften, multidisziplinären Arbeitsgruppen und Netzwerken |
7. Struktur- und Personalressourcen | Einhaltung der Aufnahmekapazität der Abteilung |
Einhaltung der Personalbesetzung |
8. Umfeld | Sicherstellung eines sauberen Umfelds |
Bereitstellung des Materials, das zur Umsetzung der Massnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle nötig ist |
In der täglichen Praxis beruht die Verhütung von HAI hauptsächlich auf einigen Massnahmen, die von allen Akteuren der Versorgungskette bei allen Patienten einfach anzuwenden sind. Diese Massnahmen werden nachstehend in Erinnerung gerufen.
Standardmassnahmen
Die Einhaltung der Grundsätze der Asepsis ist bei invasiven Massnahmen, Kathetermanipulationen und Verbandwechseln eine selbstverständliche Voraussetzung.
Gleichzeitig ist die Handhygiene, die in engem Zusammenhang mit dem Infektionsrisiko und der Kreuzübertragung resistenter Bakterien steht, mehr denn je eine entscheidende und manchmal unterschätzte und vernachlässigte Prozedur. Die 2005 ausgearbeitete Kampagne «Swiss hand hygiene» und das aus jüngerer Zeit stammende Programm «CleanHands» zielen darauf ab, die Beachtung der Regeln der Handhygiene in den Institutionen zu verbessern und nachhaltig auf hohem Niveau zu halten.
Auf das Tragen einer Maske durch das Ärzte- und Pflegepersonal sowie die Besucher bei Schnupfen, Husten, Halsschmerzen oder anderen Symptomen von Atemwegsinfektionen muss hingewiesen werden, da diese Massnahme nicht systematisch angewandt wird. Zudem wird im Falle von grippalen Infekten und Gastroenteritiden empfohlen, dass das betroffene Personal nicht in direkten Kontakt mit den Patienten tritt und möglichst zu Hause bleibt.
Studien haben gezeigt, dass Personen mit Vorbildfunktion (Chefärztinnen und -ärzte, Oberärztinnen und -ärzte) bei der Umsetzung der bewährten Praktiken mit gutem Beispiel vorangehen müssen [11, 12]. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass bereits früh in der ärztlichen Ausbildung das Bewusstsein für Massnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle geschärft wird, damit sich die angehenden Ärztinnen und Ärzte von Beginn an die richtigen Reflexe aneignen.
Der Material- und Umwelthygiene kommt ebenfalls eine bedeutende Rolle bei der Kreuzübertragung von Erregern zu. Laut einer Metaanalyse ist das Risiko einer Infektion mit multiresistenten Bakterien oder Clostridium difficile höher, wenn ein Patient in einem Raum hospitalisiert wird, in dem zuvor ein anderer Patient behandelt wurde, der durch einen dieser Erreger kolonisiert oder infiziert war [13]. Viele Keime können mehrere Tage bis Monate auf inerten Oberflächen überleben. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die aktuellen Reinigungsmassnahmen nach dem Austritt eines Patienten nicht ausreichen, um die Übertragung unter Kontrolle zu halten. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den für die Massnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle zuständigen Stellen, den Reinigungsteams und der Verwaltung ist somit besonders wichtig.
Zusätzliche Massnahmen
Zusätzliche Massnahmen ergänzen die Standard-Präventionsmassnahmen. Sie lassen sich in drei Kategorien einteilen, je nach Art der Keimübertragung:
– Kontakt-Isolation, etwa bei Kolonisation oder Infektion durch multiresistente Bakterien wie MRSA, VRE oder Carbapenemase-produzierende Keime;
– Tröpfchen-Isolation, etwa bei Grippe oder Meningokokken-Meningitis;
– Aerosol-Isolation bei Tuberkulose, Masern oder Varizellen.
Patienten, die mit Erregern kolonisiert oder infiziert sind und zusätzliche Massnahmen benötigen, werden in einem Einzelzimmer oder gemeinsam mit einem oder mehreren anderen Patienten mit demselben Keim untergebracht. Das für diese Patienten zuständige Ärzte- und Pflegepersonal muss einen Überkittel und/oder Handschuhe und/oder eine Maske tragen, sobald es das Isolationszimmer betritt.
Prävention bei invasiven Massnahmen
Invasive Massnahmen wie Gefässkatheter, Blasenkatheter und Drainagen können Ursache von HAI sein. Ein gewisser Anteil der in diesem Zusammenhang auftretenden HAI kann allerdings verhindert werden, indem ein Bündel von Präventionsmassnahmen umgesetzt wird (englisch «bundles»).
Die Prävention Gefässkatheter-assoziierter Infektionen beruht vor allem auf der Kombination der in Tabelle 3 dargestellten Massnahmen.
Tabelle 3: Prävention katheterassoziierter Bakteriämien (adaptiert nach [18]). |
Vor der Einlage | Ausbildung des Personals |
| Liste mit Indikationen |
| Tägliche Chlorhexidin-Wäsche* |
Während der Einlage | Handhygiene |
| Desinfektion der Insertionsstelle mit einem alkoholischen Chlorhexidin-Antiseptikum |
| Einlage zentraler Venenkatheter (ZVK) – Checkliste ZVK-Einlage – Sterile Barrieren (Haube, Maske, Schürze, Handschuhe) – Femoralen Zugang meiden – Sonografisch gesteuerter Zugang jugulär |
Nach der Einlage | Mind. eine Pflegeperson pro Patient* |
| Desinfektion vor jeglicher Manipulation |
| Tägliche Prüfung der Indikation |
| Verbandkontrollen |
| Wechsel des Infusionssets alle 96 h |
| Epidemiologische Überwachung |
* Gilt für Intensivstationen |
Im Spital auftretende Harnwegsinfektionen sind oft mit der Verwendung eines Blasenkatheters verbunden. Unter der Maxime «seltener, kürzer, sicherer» lancierten Patientensicherheit Schweiz und Swissnoso 2016 das nationale Programm «progress!». Es soll die Einsatzhäufigkeit und -dauer von Blasenkathetern reduzieren sowie die Sicherheit bei der Einlage erhöhen. Sieben Schweizer Spitäler nehmen derzeit an der Pilotphase des Projekts teil.
HAI-Epidemien infolge kontaminierter Medizinprodukte: jüngste Beispiele
Abgesehen von den üblicherweise in Spitälern beobachteten HAI treten manchmal Epidemien in besonderen Situationen auf. Nachstehend beschreiben wir zwei Epidemien, die in jüngerer Vergangenheit in der Schweiz festgestellt wurden und im Zusammenhang mit kontaminierten Medizinprodukten standen.
Die erste Epidemie betraf Infektionen mit Mycobacterium chimaera bei Patienten, bei denen in den Monaten oder Jahren davor eine Herzoperation durchgeführt wurde. Als weltweit Erste stellten die Spitalhygieniker und die Infektiologen des UniversitätsSpitals Zürich (USZ) in Zusammenarbeit mit den Mikrobiologen der Universität Zürich im Jahr 2014 eine Verbindung her zwischen diesen Infektionen und der Kontamination von Wärmetauschern («Heater-Cooler-Devices»), die bei Interventionen am Herzen mit extrakorporalem Kreislauf verwendet werden. Bei den Untersuchungen wurde im Wassertank dieser Geräte Mycobacterium chimaera nachgewiesen; bei ihrer Anwendung entstanden Aerosole, welche die Kontaminierung des Operationsfeldes verursachten [14]. Seit der ersten Meldung dieser Fälle durch das Zürcher Team wurden bisher über 130 Fälle in verschiedenen Ländern verzeichnet. Molekularanalysen zeigten einen genetischen Zusammenhang zwischen den an verschiedenen Orten auf der Welt identifizierten Stämmen von Mycobacterium chimaera. Schliesslich konnte als Ausgangspunkt eine Kontamination der Geräte im Rahmen ihrer Herstellung ermittelt werden [15].
Infolge der Meldung durch das USZ wies Swissmedic, die für Medizinprodukte zuständige Regulierungsbehörde, 2014 auf dieses Problem hin. Im Januar 2017 veröffentlichte Swissmedic in Abstimmung mit dem BAG und der «Swiss Chimaera Task Force» die «Richtlinien zum Betrieb und zur Überwachung von «Heater-Cooler-Devices (HCDs) im Operationssaal», um solche Infektionen künftig zu verhindern [16].
Die zweite Epidemie stand in Verbindung mit der Verwendung von im Handel erhältlichen Waschhandschuhen, die mit Burkholderia stabilis kontaminiert waren. Im Frühjahr 2016 bewiesen die Spitalhygieniker des Universitätsspitals Bern und des Spitalzentrums Biel, dass die zur Patientenreinigung verwendeten Waschhandschuhe kontaminiert waren [17]. Die Waschhandschuhe wurden hauptsächlich in den Intensivstationen eingesetzt; dort lösten sie katheterassoziierte Bakteriämien und weitere Fälle von Kolonisationen oder Infektionen mit diesem selten nachgewiesenen Bakterium aus. Die Untersuchungen ergaben ebenfalls eine Kontaminierung beim Herstellungsprozess. Nach der Meldung durch Swissmedic nahm die Vertriebsfirma die betroffenen Chargen vom Markt und setzte bei der Herstellung zusätzliche Vorsichtsmassnahmen um. Diese Fälle katheterassoziierter Bakteriämie verdeutlichen, wie wichtig die sorgfältige Pflege und Handhabung der Katheter ist, da eine ungeeignete Pflege schwere Folgen nach sich ziehen kann. Ausserdem müssen wir uns bewusst sein, dass Medizinprodukte in den Spitälern in grosser Zahl verwendet werden und es schwierig ist, einen vollständigen Überblick über den Einsatz dieser Produkte zu erhalten. Medizinprodukte der Klasse 1 (etwa handelsübliche Reinigungstücher und -handschuhe) können auf den Markt gebracht werden, ohne dass eine externe Qualitätskontrolle gefordert ist.
Diese beiden Epidemien aus der jüngeren Vergangenheit zeigen die Bedeutung, die der Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Pflegenden einer Klinik, den Spitalhygienikern sowie den Infektiologen und Mikrobiologen zukommt, um neue HAI-auslösende Probleme zu entdecken, überwachen und kontrollieren. Bei der Verbreitung von Warnmeldungen und Empfehlungen kommt zudem dem BAG und Swissmedic eine wichtige Rolle zu, gemeinsam mit Swissnoso und den Fachgesellschaften. Infolge dieser Ereignisse erhielt Swissnoso das Mandat als nationales Zentrum zur Untersuchung von Epidemien in Gesundheitsinstitutionen.
Das Wichtigste für die Praxis
• Die Prävention von Healthcare-assoziierten Infektionen (HAI) sowie die Eindämmung der Verbreitung von Bakterienresistenzen gehören zu den Zielen zur Verbesserung der Patientenversorgung.
• Die Beachtung einiger einfacher Grundsätze bei allen Patienten trägt dazu bei, HAI sowie das Auftreten und die Übertragung resistenter Bakterien zu verhindern: Handhygiene; genaue Indikationen für die Einlage, Überwachung und das vorzeitige Entfernen von Gefäss- und Blasenkathetern; nötigenfalls Umsetzung zusätzlicher Massnahmen sowie der angemessene und beschränkte Einsatz von Antibiotika.
• Die Massnahmen zur Prävention von HAI müssen von den Kaderärztinnen und -ärzten und den Oberärztinnen und -ärzten gefördert und beachtet werden, da ihnen eine Lehr- und Vorbildfunktion gegenüber den Ärztinnen und Ärzten in Ausbildung zukommt.
• Wenn die Zahl der Fälle ungewöhnlicher Infektionen im Rahmen von Hospitalisationen oder nach Eingriffen stark zunimmt, muss in Zusammenarbeit mit Spitalhygienikern, Infektiologen und Mikrobiologen und mit den Gesundheitsbehörden (falls die Ursache in mehreren Pflegeinstitutionen vorkommt) eine Untersuchung erfolgen.
• Die jüngst vom Bundesrat verabschiedeten Strategien NOSO und StAR sowie das revidierte Epidemiengesetz bieten den verschiedenen Akteuren, die an der Bekämpfung von HAI und Antibiotikaresistenzen beteiligt sind, die Möglichkeit zur Zusammenarbeit.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Laurence Senn
Service de Médecine préventive hospitalière
Centre Universitaire Vaudois
Rue du Bugnon 46
CH-1011 Lausanne
Laurence.Senn[at]chuv.ch
1 WHO. Prévention des infections nosocomiales – Guide pratique. 2008.
3 SWISSNOSO:Nationales Zentrum für Infektionsprävention. 2017, at
https://www.swissnoso.ch.
4 Sax H, Pittet D. Resultate der Schweizerischen Prävalenzstudie der nosokomialen Infektionen 2004 (snip04). Bulletin Swissnoso. 2005;12.
5 Troillet N, Aghayev E, Eisenring MC, Widmer AF. First Results of the Swiss National Surgical Site Infection Surveillance Program: Who Seeks Shall Find. Infect Control Hosp Epidemiol. 2017;38:697–704.
6 ANQ – Nationaler Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken: Wundinfektionsmessung Swissnoso. 2017, at
http://www.anq.ch/index.php?id=353&L=0.
7 Zanetti G, Lazor-Blanchet C, Petignat C. Importance and prevention of nosocomial infections in the outpatient setting. Revue medicale suisse. 2010;6:708–10, 12–3.
8
anresis.ch, ARCH-Vet. Swiss Antibiotic Resistance Report 2016.
9
Anresis.ch: Schweizerisches Zentrum für Antibiotikaresistenzen. 2017, at
http://www.anresis.ch.
10 WHO. Guidelines on core components of infection prevention and control programmes at the national and acute health care facility level. 2016.
11 Erasmus V, Brouwer W, van Beeck EF, et al. A qualitative exploration of reasons for poor hand hygiene among hospital workers: lack of positive role models and of convincing evidence that hand hygiene prevents cross-infection. Infect Control Hosp Epidemiol. 2009;30:415–9.
12 Lankford MG, Zembower TR, Trick WE, Hacek DM, Noskin GA, Peterson LR. Influence of role models and hospital design on hand hygiene of healthcare workers. Emerg Infect Dis 2003;9:217–23.
13 Mitchell BG, Dancer SJ, Anderson M, Dehn E. Risk of organism acquisition from prior room occupants: a systematic review and meta-analysis. J Hosp Infect. 2015;91:211–7.
14 Sax H, Bloemberg G, Hasse B, et al. Prolonged Outbreak of Mycobacterium chimaera Infection After Open-Chest Heart Surgery. Clin Infect Dis. 2015;61:67–75.
15 van Ingen J, Kohl TA, Kranzer K, et al. Global outbreak of severe Mycobacterium chimaera disease after cardiac surgery: a molecular epidemiological study. Lancet Infect Dis 2017.
16 Swissmedic/BAG. Richtlinien betreffend Betrieb und Überwachung von Hypothermiegeräten (Heater-Cooler Units, HCUs oder Heater-Cooler Devices, HCDs) im Operationssaal. 2017.
17. Sommerstein R, Führer U, Lo Priore E, et al. Nationwide Burkholderia stabilis Outbreak in Switzerland from May 2015 until August 2016 Associated with Contaminated Commercially Available Washing Gloves. Eurosurveillance 2017;In press.
18 Vogel D, Marschall J. Prävention Katheter-assoziierter Bakteriämien: neue Guidelines … aus Schweizer Sicht. Bulletin Swissnoso 2015;20.
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