Die Behandlung von Nierentumoren
Über die Hälfte sind Zufallsbefunde

Die Behandlung von Nierentumoren

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2017/41
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03085
Schweiz Med Forum 2017;17(41):878-885

Affiliations
Service d’urologie, CHUV, Lausanne

Publiziert am 11.10.2017

Aufgrund des zunehmenden Einsatzes bildgebender Verfahren ist die zufällige Entdeckung von Nierentumoren heute sehr häufig. Bei der Diagnostik sind Hausärzte oft die erste Anlaufstelle. Daher ist es für diese unerlässlich, die verschiedenen Etappen der Erstuntersuchung und Behandlung von Nierentumoren zu kennen, um die Patienten aufklären, beraten und im Anschluss gegebenenfalls an einen Facharzt überweisen zu können. Dieser Beitrag gibt eine Zusammenfassung über die Erstversorgung von Nierentumoren, mit Hauptaugenmerk auf die neuen Behandlungsmethoden.

Einleitung

Während der letzten zehn Jahre ist die Nierentumor­inzidenz aufgrund des zunehmenden Einsatzes bildgebender Verfahren wie Computertomographie (CT) und Ultraschalluntersuchungen (US) stark gestiegen. Um Ihnen eine Vorstellung über das Ausmass dieses Wandels zu vermitteln, nachfolgend ein Zahlenbeispiel: In unserem Universitätsspital, dem CHUV in Lausanne, wurden Ende 2016 pro Jahr über 30 000 CT-Untersuchungen (darunter 13 300 Nieren-CTs) durchgeführt, während dies im Jahr 1998 lediglich 6000 waren.
Obgleich der Nutzen der CT für die Versorgung der ­Patienten nicht mehr zu leugnen ist, bringt ihre häu­figere Anwendung auch Probleme mit sich. Neben dem stochastischen Risiko nimmt die zufällige Entdeckung kleiner asymptomatischer Läsionen, sogenannter Inzidentalome, zu. Heute sind über die Hälfte der Nierentumoren Zufallsbefunde während der Anwendung bildgebender Verfahren (üblicherweise CT, US oder Magnetresonanztomographie [MRT]) aus einem anderen klinischen Grund.
Die Behandlung von Nierentumoren richtet sich nach:
1. den Tumoreigenschaften;
2. der lokalen Ausdehung und dem Vorhandensein von Fernmetastasen;
3. der Lebenserwartung und der Wahl des Patienten.
Statistisch gesehen, ist ein zufällig entdeckter Nierentumor in 80% der Fälle bösartig. Während die Behandlung eines grossen verdächtigen Tumors eindeutig festgelegt ist, laufen die Urologen Gefahr, eine kleine, zufällig entdeckte Läsion mit einer Radikaloperation überzubehandeln. Vor diesem Hintergrund wurden aus Angst vor Überbehandlung in zunehmendem Masse weniger invasive organerhaltende Behandlungsmethoden entwickelt. Obgleich die meisten Nierentumoren heute bereits im Frühstadium entdeckt werden, sind noch immer 30% der Patienten bereits bei der Erstdiagnose von metastasierendem Nierenkrebs betroffen. Dank der aktuellen onkologischen Fortschritte können mehrere wirksame Behandlungslinien verfolgt werden, wodurch es möglich ist, die Überlebensrate auch dieser Patienten zu erhöhen.

Epidemiologie

Nierenkrebs ist laut dem Nationalen Institut für Krebsepidemiologie und -registrierung die neunthäufigste Krebsart bei Männern in der Schweiz und macht 3% der Krebserkrankungen im Erwachsenenalter aus. Im Laufe des Jahres 2012 wurden in der Europäischen Union 84 400 Neuerkrankungen und 34 700 nierenkrebsbedingte Todesfälle registriert. In der Schweiz werden jährlich ca. 800 Neuerkrankungen diagnos­tiziert. Das Erkrankungsverhältnis von Männern zu Frauen beträgt 3 : 2. In Ländern mit hohem Bruttoinlandsprodukt ist die Inzidenz, wahrscheinlich aufgrund des intensiveren Einsatzes medizinischer bildgebender Verfahren und der stärkeren Prävalenz der Risikofaktoren, höher (Tab. 1) [1].
Tabelle 1: Hauptrisikofaktoren für Nierenkrebs.
Erwiesene Faktoren
Tabakkonsum
Adipositas
Hypertonie
Chronische Niereninsuffizienz/Dialyse
Von-Hippel-Lindau-Syndrom
Vererbung (Verwandte ersten Grades)
Potentielle Faktoren
Ethnische Zugehörigkeit
Alkoholkonsum
Cadmiumbelastung
Kohlenwasserstoffbelastung
In den letzten zehn Jahren haben wir es in der Schweiz, den meisten europäischen Ländern und den USA mit ­einem «stage shifting», das heisst der Diagnosestellung in einem früheren Krebsstadium, zu tun. Folglich sind eine allmähliche Zunahme der Nierenkrebsinzidenz und eine Abnahme der nierenkrebsbedingten Mortalität zu beobachten. In anderen europäischen Ländern wie Kroatien, Estland, Griechenland, Irland und der Slowakei scheint die Sterblichkeit hingegen zuzunehmen [2].

Klinische Präsentation

Die klassische Trias aus Flankenschmerzen, Hämaturie und tastbarem Tumor im Abdominalbereich ist nur selten anzutreffen. Wie bereits weiter oben erwähnt, sind die grosse Mehrheit der Nierentumoren Zufalls­befunde während der Anwendung bildgebender Verfahren. Jedoch können Hausärzte aufgrund bestimmter Anzeichen bei der klinischen Untersuchung ebenfalls den Verdacht auf einen Nierentumor im fortgeschrittenen Stadium äussern (tastbarer Tumor in der Flanke, Schwellung der Halslymphknoten, Varikozele, Ödeme der unteren Extremitäten). Etwa jeder dritte Patient leidet an einem paraneoplastischen Syndrom, was Hausärzte an einen Nierentumor denken lassen sollte (Tab. 2) [2].
Tabelle 2: Paraneoplastisches Syndrom.
Hypertonie
Kachexie
Fieber
Gewichtsverlust
Neuromyopathie
Amyloidose
Erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit
Anämie/Polyzythämie
Erhöhte Leberwerte (Gamma-GT beim Stauffer-Syndrom)
Hyperkalziämie
Die Laborerstuntersuchung umfasst ein kleines Blutbild, eine Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit, des Serumkreatinins, der GFR, der alkalischen Phosphatase, der LDH, des korrigierten Kalziumwerts und einen Blutgerinnungstest.

Diagnostisches Vorgehen

Die Diagnosestellung und das Staging von Nierentumoren erfolgt mittels bildgebender Verfahren. Dabei stellt die CT den Goldstandard dar, wenn keine Kontraindikationen gegen jodhaltige Kontrastmittel bestehen. Bei soliden Tumoren ist eine Kontrastmittelanreicherung im Tumorgewebe eines der Hauptkriterien für die Diagnosestellung. Aus diesem Grund müssen sowohl die CT als auch die MRT drei Phasen umfassen:
– eine Akquisition ohne Kontrastmittelinjektion;
– eine Akquisition nach Kontrastmittelinjektion in der kortikalen Phase (30–40 s nach der Injektion);
– eine Akquisition nach Kontrastmittelinjektion in der tubulären Phase (90–100 s nach der Injektion).
Bei Nierenzysten ist es wichtig, mittels Bosniak-Klassifikation den entsprechenden Typ zu ermitteln, da dieser mit der Malignitätswahrscheinlichkeit korreliert ist (Tab. 3).
Tabelle 3: Bosniak-Klassifikation für zystische Nierentumore.
Typ gemäss Bosniak-KlassifikationBeschreibungBeurteilungMalignitäts-risiko
I– Einfache Zyste
– Flüssigkeitsgefüllt
– Gleichmässige Begrenzung ohne sichtbare Zystenwand
– Keine Kontrastmittelanreicherung
Einfache Zyste.
Keine Verlaufskontrolle erforderlich.
<1%
II– Dünne Septen (≤2)
– Feine Kalzifizierungen
– Keine Kontrastmittelanreicherung
Zyste mit eingedicktem Inhalt.
Keine Verlaufskontrolle erforderlich.
<10%
IIF– Dünne Septen (>3)
– Dünne Zystenwand (≤1 mm)
– Dicke Verkalkungen
– Spontan hyperdense Läsion
– Moderate Kontrastmittel­anreicherung
Verdächtige Zyste mit eingedicktem Inhalt.
Verlaufskontrolle ­erforderlich.
20–30%
III– Zahlreiche und/oder verdickte Septen
– Gleichmässig verdickte Zystenwand
– Leicht irreguläre Zystenwand
– Dicke Verkalkungen
– Kontrastmittelanreicherung in Zystenwand oder Septen
Zystischer Tumor.
Chirurgischer Eingriff erforderlich.
>50%
IV– Verdickte und sehr irreguläre ­Zystenwand
– Wucherungen
– Kontrastmittelanreicherung in den soliden Gewebeanteilen
Zystisches Karzinom.
Chirurgischer Eingriff erforderlich.
>80%
Bei niereninsuffizienten Patienten (MDRD-Clearance von <45 ml/min) oder solchen mit Kontraindikationen gegen jodhaltige Kontrastmittel ist grundsätzlich eine MRT durchzuführen. Zur Exploration zystischer und durch andere bildgebende Verfahren schwer zu beurteilender Tumoren ist die MRT die Untersuchung erster Wahl [3]. Überdies ist sie zur Überwachung multifo­kaler beidseitiger Tumoren junger Patienten (z.B. beim von-Hippel-Lindau-Syndrom) oder nach einer perkutanen Ablation indiziert.
Mittels Farbduplexsonographie kann bei Nierentumoren durch die Darstellung der Gefässe in den Läsionen zwischen Zysten mit eingedicktem Inhalt (eingebluteten Zysten) und soliden Tumoren unterschieden werden. Bei der Kontrastmittelinjektion (in Form von Mikro­bläschen) reichert sich das Kontrastmittel im Tumorgewebe an, wodurch es möglich ist, einen soliden Tumor von einer Zyste zu unterscheiden.
Ein umfassendes Staging beinhaltet eine Thorax-CT (häufige Lokalisation von Metastasen), während PET-CT und Knochenszintigraphie nicht zur Erstunter­suchung gehören. In bestimmten Fällen kann eine dynamische Nierenszintigraphie angezeigt sein, um die relative Nierenfunktion zu beurteilen.
In sehr wenigen Fällen kann die Diagnose nicht anhand bildgebender Verfahren gestellt werden. In diesen kann bei Vorliegen der in Tabelle 4 aufgeführten Indikationen eine Biopsie sinnvoll sein. Obgleich zunächst über einen hohen Anteil (10–20%) nicht aussagekräftiger ­Biopsien berichtet wurde, zeigen aktuelle Daten eine hervorragende diagnostische Genauigkeit («accuracy») von 98% bezüglich der Unterscheidung zwischen gut- und bösartigen Tumoren [4]. Lange Zeit stellte das ­Risiko einer Tumoraussaat ein Hindernis für die Durchführung von Biopsien dar. Dank moderner koaxialer Biopsietechniken ist dieses heute mit ca. 1: 10 000 jedoch sehr gering. Das Blutungsrisiko wird hingegen auf ca. 1% geschätzt.
Tabelle 4: Biopsieindikationen bei soliden Nierentumoren.
Verdacht auf Nierenmetastasen
Verdacht auf Nierenraumforderung durch ein Lymphom
Unsicherheit in Bezug auf die Gutartigkeit der Läsion ­(Onkozytom, Angiomyolipom)
Bereits vor Beginn einer zielgerichteten Therapie ­metastasierender Nierenkrebs
Vor der perkutanen Tumorablation 
(Cryoablation, Radiofrequenzablation)
Im Rahmen der aktiven Überwachung

Histologische Typen

Nierentumoren sind meist bösartig. Bei Tumoren von <4 cm Durchmesser beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass diese gutartig sind, ca. 20% und sinkt mit zunehmender Tumorgrösse. Zu den häufigsten gutartigen Nieren­tumoren zählen das Onkozytom, das Angiomyolipom, das papilläre Adenom und metanephrische Tumoren. Bei gutartigen Tumoren ist im Allgemeinen keine Behandlung erforderlich, häufig wird die Diagnose jedoch erst nach einer chirurgischen Ablation gestellt.
Die Mehrheit der bösartigen Tumoren gehört zu den folgenden drei nach Häufigkeit aufgeführten Untertypen:
– Klarzelliges Nierenzellkarzinom (80–90%): aus zytogenetischer Sicht liegen häufig ein Verlust des Chromosoms 3p und eine Mutation des von-Hippel-Lindau-Gens auf dem Chromosom 3p25 vor. Dieser histologische Untertyp hat die schlechteste Prognose.
– Papilläres Nierenzellkarzinom: Typ I (10%) (gute Prognose, Mutation des MET-Onkogens) und Typ II (schlechte Prognose, Aktivierung des NRF2/ARE-­Signalwegs).
– Chromophobes Nierenzellkarzinom (5%): Verlust der Chromosomen Y, 1, 2, 6, 10, 13, 17 und 21; meist gute Prognose.
Die anderen histologischen Untertypen sind sehr viel seltener. Einige davon (sarkomatoide Entdifferen­zierung, Urothelkarzinom, Ductus-Bellini-Karzinom, medulläres Nierenzellkarzinom) sind sehr, andere ­weniger aggressiv (muzinöses Karzinom, tubulozystisches Nierenzellkarzinom, zystisches Nephrom).

Chirurgische Behandlung

Die chirurgische Behandlung ist der Goldstandard bei lokalisierten Nierentumoren. Bei cT1-Tumoren (auf die Niere begrenzt, unter 7 cm Durchmesser) wird, wenn möglich, eine partielle Nephrektomie emp­fohlen (Abb. 1). Tatsächlich ermöglicht die Tumorresektion unter Erhaltung des gesunden benachbarten Nierenparenchyms ein langfristiges, mit einer radikalen Ne­phrektomie vergleichbares, onkologisches Resultat, bei dem das Risiko für eine Niereninsuffi­zienz sowie kardiovaskuläre oder metabolische Erkrankungen geringer und somit das Gesamtüberleben verbessert ist [2]. Eine radikale Nephrektomie wird üblicherweise bei Tumoren grösseren Volumens und grösserer Ausdehnung (über 7 cm Durchmesser, Gefässthrombose, Adenopathien usw.) empfohlen oder wenn eine partielle Ne­phrektomie technisch schwer durchführbar ist [5].
Abbildung 1: A) Computertomographie mit Koronar- (A1), Axial- (A2) und Sagittalschnitt (A3), welche einen Tumor am oberen Nierenpol der rechten Niere von 3 cm Durchmesser (Fadenkreuz) zeigt, der posterolateral subhepatisch gelegen und nach Kontrastmittelinjektion mit Kontrastmittel angereichert ist, ­Staging: cT1a cN0 cM0. B) Minimalinvasiver robotergesteuerter Eingriff mit Dissektion der Niere und des Nierenhilus (Vena cava inferior, Musculus psoas major, Harnleiter). C)  Freilegung des Tumors nach Abtragung des Nierenfetts. D) Vorübergehende Abklemmung des Nierenhilus (D1) nach Überprüfung der Blutleere mittels Indocyaningrüninjektion (die mit Gefässen durchzogene Leber leuchtet grün [ D2 ], während durch die vorübergehende Abklemmung der Nierenarterie die Blutleere des Nierentumors bestätigt wird). E) Tumorresektion. F) Blutstillung durch Nierennaht. G) Einbringung eines blutstillenden Sprühschaums ins Resektionsgebiet am Ende des Eingriffs.
Abbildung 1: H) Computertomographische Verlaufskontrolle nach einem Jahr (Koronar- [ A1 ], Axial- [ A2]), Sagittalschnitt [ A3 ]): kein Rezidiv.
Mithilfe eines minimalinvasiven laparoskopischen oder robotergesteuerten Eingriffs ist es möglich, dieselben onkologischen Resultate wie bei einer offenen Operation (bei Tumoren unter 10 cm Durchmesser ohne Gefässthrombose) zu erzielen und dabei eine ­raschere postoperative Heilung (geringerer Blutverlust, weniger Schmerzen und kürzerer Spitalaufenthalt) zu ermöglichen (Abb. 1). Während der Nutzen der robotergesteuerten partiellen Nephrektomie in Bezug auf die Morbi­dität umstritten ist, hat sich die laparoskopisch durchgeführte radikale Nephrektomie bei der Behandlung von cT2-Tumoren oder wenn eine partielle Ne­phrektomie ­eines cT1-Tumors aus den oben genannten Gründen nicht möglich ist, eindeutig als Standard etabliert [5].

Alternativen zur chirurgischen ­Behandlung

Aktive Überwachung

Grundlage der Überwachung ist die proaktive Verlaufskontrolle bekannter, kleiner (<4 cm Durchmesser), langsam wachsender (<5 mm pro Jahr) Tumoren ohne aggressive Histologie (zuvor mittels Biopsie abgeklärt) mithilfe bildgebender Verfahren bei älteren Patienten, in deren Fall das Mortalitätsrisiko bei einer chirur­gischen Behandlung das nierenkrebsbedingte Mortalitätsrisiko übersteigt. Bei einer Tumorprogression kann im Gegensatz zum Ansatz des «watchful waiting» noch immer eine Therapie oder im Falle von Symptomen eine palliative Therapie in Erwägung gezogen werden. Obgleich die krebsbedingte 5-Jahres-Überlebensrate der Kohorten mit aktiver Überwachung hervorragend ist (100%), besteht ein nicht zu vernachlässigendes ­Risiko von ca. 2% für eine Metastasenbildung [2].

Perkutane Ablation

Das Ziel dieser Behandlung besteht darin, eine thermisch induzierte Zellapoptose des Tumorgewebes zu bewirken. Diese wird entweder durch Erhitzung (Radiofrequenzablation) oder Vereisung (Kryoablation) erreicht. Die Ablation kann perkutan oder laparoskopisch erfolgen (Abb. 2). Andere Energiequellen (hoch­intensiver fokussierter Ultraschall, Laserstrahlung, Mi­krowellen u. v. m.) werden derzeit erforscht.
Abbildung 2: Laparoskopische Radiofrequenzablation (üblicherweise perkutan unter US- oder CT-Kontrolle). A) Nierentumor von 2 cm Durchmesser (Fadenkreuz) mit Kontakt zur Nierenvene, was eine perkutane Behandlung verunmöglicht, bei einer 
Pa­tientin, die eine partielle Nephrektomie ablehnt. B) Laparoskopische Sicht auf den Tumor mit Kontakt zur rechten Nierenvene. 
 C) Radiofrequenzablation des Tumors nach dessen Ablösen von der Nierenvene. D) Endstatus mit Erhalt des Nierenhilus. 
 E) CT-Kontrolle nach 1 Monat (Koagulationsnekrose). F) CT-Kontrolle nach 12 Monaten, ohne Rezidiv.
Obgleich der Evidenzgrad gering ist, scheint die chir­urgische Tumorresektion der perkutanen Ablation in Bezug auf das krebsbedingte und rezidivfreie Überleben überlegen zu sein. Bezüglich der lokalen Krebskon­trolle scheint die Kryoblation bessere Resultate als die Radiofrequenzablation zu liefern. Angesichts der obigen Ausführungen werden diese Behandlungsmethoden heute ausschliesslich für ältere und/oder polymorbide Patienten mit Nierentumoren von unter 4 cm Durchmesser empfohlen.

Medikamentöse Behandlung

Bei lokalisierten Nierentumoren hat eine adjuvante Therapie (nach Operation) mit Zytokinen, Sunitinib (Tyrosinkinase-Inhibitor mit Anti-VEGF-Effekt) oder Sorafenib (Multi-Kinase-Inhibitor mit Anti-VEGF-Effekt) keinen eindeutigen Nutzen gezeigt und wird somit nicht empfohlen. Eine neoadjuvante medikamentöse Behandlung (vor der Operation, um eine Verringerung der Tumor- und/oder Metastasenbelastung zu erzielen, damit ursprünglich inoperable Patienten operiert werden können) wird ebenfalls nicht empfohlen, sollte jedoch in den kommenden Jahren als mögliche Option aufmerksam weiterverfolgt werden.
Bei Metastasenbildung wird eine multimodale Behandlung empfohlen. Diese ist abhängig vom Zustand des ­Patienten, dem Umfang der Metastasenbildung und anderen ermittelten Prognosefaktoren (Tab. 5). In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Medikamente zur Behandlung von metastasierendem Nierenkrebs drastisch zugenommen. Während die unspezifische Immuntherapie lange Zeit die einzige verfügbare Behandlung war, gibt es heute nicht nur die Anti-VEGF-Therapien, die Tyrosinkinase- und mTOR-Inhibitoren, sondern auch Neuerungen in der Immuntherapie (Checkpoint-Inhibitoren). In Tabelle 6 sind die verschiedenen Wirkstoffe zur Behandlung von metastasierendem Nierenkrebs sowie deren Einsatzgebiet zusammengefasst.
Tabelle 5: Prognosekriterien bei metastasierendem Nierenkrebs (Metastatic Renal Cancer Database Consortium).
RisikofaktorGrenzwert
Karnovsky-Index<80%
Zeitraum zwischen Diagnosestellung und Behandlung<12 Monate
HämoglobinwertUntere Normgrenze
Korrigierter Serumkalziumwert>2,4 mmol/l
NeutrophilieObere Normgrenze
ThrombozytoseObere Normgrenze
Gruppe mit guter Prognose: kein Risikofaktor
Gruppe mit mittlerer Prognose: 1–2 Faktoren
Gruppe mit schlechter Prognose: >2 Faktoren
Tabelle 6: Wirkstoffe zur Behandlung von metastasierendem Nierenkrebs.
ImmuntherapieZielgerichtete ­TherapieAnti-VEGF-TherapiemTOR-Inhibitoren
– Interleukin-2
– Nivolumab**
– Sorafenib**
– Sunitinib*
– Pazopanib*
– Axitinib**
– Lenvatinib (+ ­Everolimus)
– Cabozantinib**
Bevacizumab + Interferon-α*– Everolimus**
– Temsirolimus
*  Als First-Line-Therapie empfohlen
** Als Second-Line-Therapie empfohlen
Bei Patienten mit metastasierendem Nierenkrebs, guter bis mittlerer Prognose und Oligometastasierung besteht die Indikation für eine zytoreduktive Nephrektomie. Hierbei hat sich bei Patienten mit guter Pro­gnose, die gleichzeitig systemisch behandelt wurden, ein Überlebensvorteil ergeben. Bei Patienten mit Oligometastasierung und guter Prognose sollte die Ne­phrektomie, wenn möglich, durch eine (oder mehrere) Metastasek­tomie(n) ergänzt werden [5].

Verlaufskontrolle

Die Verlaufskontrolle ist in zwei Aspekte untergliedert: die onkologische und die funktionelle Verlaufskontrolle.

Onkologische Verlaufskontrolle

Da keine zuverlässigen Biomarker existieren, beruht die onkologische Verlaufskontrolle hauptsächlich auf der klinischen und insbesondere der radiologischen Untersuchung. Ihr Ziel ist es, frühzeitig eventuelle lokale, kontralaterale Rezidive, ein Lymphknotenrezidiv oder die Entwicklung von Fernmetastasen (in Lunge und Knochen) aufzuspüren. Ein grosses Rezidiv verringert die Möglichkeit einer vollständigen chirurgischen Resektion, die bei loko-regionalen oder kleinen meta­statischen Rezidiven den Goldstandard darstellt. Obgleich diesbezüglich keine Evidenz vorliegt, geht die urologische Fachwelt von der Hypothese aus, dass die frühzeitige Diagnose eines Rezidivs zu dessen frühzeitiger Behandlung und somit zu einem verbesserten krebsbedingten Überleben beiträgt. Die «European ­Association of Urology» empfiehlt einen Kontrollal­gorithmus, welcher auf der Wirksamkeit der initialen Therapie, dem Tumorrezidivrisiko (histopathologischer Befund, TNM-Stadium, chirurgischer Sicherheitsabstand, Tumorgrad), der Sensitivität und Spezifizität der verschiedenen radiologischen Untersuchung sowie dem stochastischen Risiko beruht (Tab. 7).
Tabelle 7: Algorithmus für die postoperative Verlaufskontrolle gemäss Vorschlag der «European ­Association of Urology».
 6 Monate1 Jahr2 Jahre3 Jahre4 Jahre5 Jahre>5 Jahre
Geringes Rezidivrisiko*USCTUSCTUSCTEnde der Verlaufskontrolle
Mittleres Rezidivrisiko**CTCTCTUSCTCTCT alle 2 Jahre
Hohes Rezidivrisiko***CTCTCTCTCTCTCT alle 2 Jahre
Beispiele:
*   papilläres Nierenzellkarzinom, 2 cm Durchmesser, vollständige Resektion (negativer Resektionsrand, R0-Resektion) durch partielle Nephrektomie
**  klarzelliges Nierenkarzinom, 7,5 cm Durchmesser, vollständige Resektion durch radikale Nephrektomie
*** klarzelliges Nierenkarzinom, 7,5 cm Durchmesser mit sarkomatoiden Differenzierungen und Nierenvenenthrombose

Funktionelle Verlaufskontrolle

Bei der funktionellen Verlaufskontrolle wird das Auftreten potentieller Komplikationen dokumentiert und mit der entsprechenden Behandlung begonnen. Auf kurze Sicht sind hämorrhagische und infektiöse Komplikationen am häufigsten, obgleich diese sehr selten auftreten. Auf lange Sicht sollten Hausärzte insbesondere auf das Auftreten einer Inzisionshernie oder einer Niereninsuffizienz achten. Bei älteren Patienten nach radikaler Nephrektomie wird empfohlen, die Nierenfunktion anhand einer ­regelmässigen (alle 3–6 Monate) Bestimmung des Kreatininwerts und der glomerulären Filtrationsrate zu kon­trollieren. Nach einer partiellen Nephrektomie ist keine Langzeitüberwachung der Nierenfunktion indiziert.

Perspektiven und offene Fragen

– Wird es in Zukunft gelingen, mittels medizinischer bildgebender Verfahren die Gut- oder Bösartigkeit von Nierentumoren exakt genug zu beurteilen, um auf eine Biopsie und/oder einen chirurgischen Eingriff verzichten zu können?
– Gibt es einen zuverlässigen Biomarker zur aktiven Überwachung, anhand dessen die Entwicklung von Nierentumoren bestimmbar ist?
– Werden die langfristigen Resultate der perkutanen Ablation in Zukunft mit den hervorragenden kurzfristigen Resultaten gleichziehen?
– Wann erfolgt die Roboterautomation der partiellen Nephrektomie?
– Welches sind die realen stochastischen Risiken einer langfristigen CT-Verlaufskontrolle?
– Wird sich die neoadjuvante Therapie als Standardbehandlung bei fortgeschrittenem Nierenkrebs durchsetzen?
– Werden die klinischen Resultate der neuen Immuntherapieverfahren bei metastasierendem Nierenkrebs den Versprechungen standhalten?
– Welchen Platz wird die radikale Nephrektomie bei metastasierendem Nierenkrebs im Zeitalter der Immuntherapie einnehmen?

Das Wichtigste für die Praxis

• Nierentumore sind häufig Zufallsbefunde bei CT- oder US-Aufnahmen.
• Die meisten Nierentumore sind bösartig.
• Männer sind häufiger von Nierenkrebs betroffen (3 : 2) mit einer Erkrankungsspitze um das 60. Lebensjahr.
• In manchen Fällen ist es nicht möglich, die Gut- oder Bösartigkeit eines Tumors zu beurteilen. Infolgedessen kann eine perkutane Biopsie indiziert sein.
• Bei auf die Niere beschränkten Nierentumoren von unter 7 cm Durchmesser ist die Tumorablation unter Erhaltung des gesunden Nierenparenchyms die Behandlung der Wahl.
• Bei den meisten Nierentumoren, die eine vollständige Ablation der Niere erfordern, wird ein minimial-invasiver (laparoskopischer) Eingriff empfohlen.
• Bei älteren und/oder polymorbiden Menschen kann eine aktive Überwachung oder eine perkutane Ablation als Alternative zur chirurgischen Behandlung in Erwägung gezogen werden.
• Bei metastasierendem Nierenkrebs wird eine medikamentöse Behandlung (Immuntherapie, Angiogenesehemmer, Tyrosinkinase- und mTOR-Inhi­bitoren), wenn möglich, zusammen mit einer Nephrektomie empfohlen.
• Die Verlaufskontrolle nach einem chirurgischen Eingriff umfasst klinische Untersuchungen, Aufnahmen mittels bildgebender Verfahren und die Überwachung der Nierenfunktion.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
PD Dr. med.
Yannick Cerantola
Centre Hospitalier ­Universitaire Vaudois
Bugnon 46
CH-1011 Lausanne
Yannick.Cerantola[at]chuv.ch
1 Cerantola Y, Vaucher L, Doerfler A, Meuwly JY, Jichlinski P. Benefits of ultrasonography in kidney and testicular-sparing surgery. Rev Med Suisse 2010;6:2365–8.
2 Renal Cell Carcinoma. Uroweb. https://uroweb.org/guideline/renal-cell-carcinoma/#3. Accessed 15 May 2017.
3 Recommandations en onco-urologie 2016-2018 du CCAFU: Cancer du rein – main. http://www.urofrance.org/sites/default/files/afuimport/v27sS1/S1166708716307023/main.pdf. ­Accessed 15 May 2017.
4 Burruni R, Lhermitte B, Cerantola Y, Tawadros T, Meuwly JY, Berthold D, et al. The role of renal biopsy in small renal masses. Can Urol Assoc J. 2016 Jan–Feb;10(1–2):E28–33. doi: 10.5489/cuaj.3417.
5 Renal Cell Carcinoma. Uroweb. http://uroweb.org/guideline/renal-cell-carcinoma/#7. Accessed 17 May 2017.

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